Liebe Christa Rigozzi
- Text: Kerstin Hasse; Foto: SRF
Ich gebe zu, ich brauchte ein paar Jahre, bis ich verstand, warum Ihnen die halbe Schweiz zu Füssen liegt. Vielleicht hatte meine Skepsis damit zu tun, dass mir ihr ständiges Strahlen aufgesetzt schien. Oder dass ich der ganzen Miss-Schweiz-Sause einfach kritisch gegenüberstand (und bis heute noch stehe). Vielleicht lag es aber auch an diesem «Glanz und Gloria»-Special zu Ihrer Hochzeit, in das ich vor vielen Jahren reinzappte. Die will doch einen auf Hunziker machen, schnödete ich.
Als wir uns zum ersten Mal bewusst begegnet sind, begrüssten Sie mich mit den Worten: «Oh, Sie sind ja hübsch!» Ha!, dachte ich. Eben doch einfach ein schönes Model, das sich nicht vorstellen kann, dass die Journalistin, mit der sie am Telefon einen Termin vereinbart hatte, nicht nur was im Köpfchen hat, sondern auch nett aussehen kann. So oberflächlich, diese Dame!
Während unseres Interviews merkte ich schnell: Ich habe mich geirrt. Sie waren alles andere als aufgesetzt und oberflächlich. Im Gegenteil – Sie waren authentisch, klug, höflich und angenehm unkompliziert. Ich verliess unser Treffen mit dem Gefühl: Die Rigozzi, die ist wirklich sehr okay.
Wenig später traten Sie in der «Arena» auf, um sich für eine zweite Gotthardröhre einzusetzen. SRF mache sich «lächerlich», indem es Sie einlade, monierte SP-Nationalrat Cédric Wermuth auf Twitter. Er lag falsch. Und wie! Denn Ihr Auftritt war tadellos, Ihre Aussagen pointiert und schlau.
Trotzdem mussten Sie sich dieses Jahr aufs Neue behaupten, als bekannt wurde, dass Sie «Arena/Reporter» auf SRF zusammen mit Jonas Projer moderieren werden. Ein Model – dann noch eine Ex-Miss – blond und strahlend, kann doch nicht durch eine journalistische Sendung führen, lautete der Tenor. Und erneut belehrten Sie Ihre Kritiker eines Besseren.
Cara Christa Rigozzi, ich brauchte ein paar Jahre, bis ich verstand, weshalb die halbe Schweiz Ihnen zu Füssen liegt. Heute kann ich es nachvollziehen. Sie sind nicht nur eine charmante, intelligente und wunderschöne Frau, sondern auch eine erfolgreiche Geschäftsfrau und Mutter von Zwillingen, deren Erziehung Sie sich mit Ihrem Mann teilen. Ausserdem sind Sie das wichtigste Aushängeschild des Tessins, das oft in der Schweizer Politik- und Kulturlandschaft vergessen wird.
Ich bewundere Sie dafür, dass Sie nicht müde werden, ein Bild zu korrigieren, das in den oberflächlichen und sexistischen Köpfen in diesem Land verankert ist. In Zeiten von #Metoo und #Vorsichtklug dürfte uns eigentlich nicht mehr der Fehler passieren, dass wir Frauen unterschätzen, die durch ihr Aussehen berühmt wurden. Und doch tun wir es noch so oft. Da schliesse ich mich nicht aus.
Sie sind das beste Beispiel dafür, dass diese Stereotype nicht stimmen.
Cari Saluti, Kerstin Hasse