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Liebe Cate Blanchett

Liebe Cate Blanchett

  • Text: Kerstin Hasse; Foto: GettyImages 

Zum 71. Mal gehen morgen die Filmfestspiele in Cannes zu Ende. Sie haben das Festival nicht besucht, weil Sie eine Rolle in einem nominierten Film haben, nein, Sie haben in diesem Jahr als Jury-Präsidentin geamtet. Und das ist kein Zufall.

Cannes, dieses glamouröse Festival an der Côte d’Azur, steht nämlich nicht nur für das internationale Filmschaffen, für Kultur und Filmkunst, sondern auch für einen weissen Altherren-Club, der jahrelang die Filmbranche dominierte und bestimmte. Recht eindrücklich zeigte das Ihr Protest zum Auftakt des Festivals, bei dem Sie zusammen mit 81 Frauen über den roten Teppich schritten. Jede Frau stand für eine Regisseurin, die je mit einem Film Teil des Wettbewerbs in Cannes war. Die 82 Frauen stehen 1688 Männern gegenüber. Das sind weniger als fünf Prozent der gesamthaft Nominierten, die seit 1946 am Rennen um die Goldene Palme teilgenommen haben.

«Frauen sind auf der Welt keine Minderheit, und doch sieht die Realität in unserer Branche anders aus», sagten Sie in Ihrer Rede, umringt von Kolleginnen wie Marion Cotillard oder Claudia Cardinale. Sie, die Mit-Initiantin der Time’s-Up-Initiative, die vor wenigen Monaten im Zug von #Metoo lanciert wurde, standen in der Mitte der Treppe und verkündeten: «Als Frauen stehen wir alle vor ganz eigenen Herausforderungen, aber wir stehen heute gemeinsam auf diesen Stufen als Symbol für unsere Entschlossenheit und unser Engagement für den Fortschritt.»

Der Auftritt wurde nicht nur mit Applaus belohnt. Langsam sei genug mit dem ganzen plakativen Getue, monierten Journalisten. Diese Political Correctness habe schon die Oscar-Verleihungen so furchtbar angestrengt wirken lassen – nun also nochmal das gleiche Theater in Cannes. Da vor allem der Film «Les Filles du Soleil» der französischen Regisseurin Eva Husson bei Kritikern durchfiel, kam die Frage auf, ob nun in Cannes Talent und Kreativität der Gleichstellungsdebatte unterworfen werde. Interessanterweise wurde diese Gender-Frage noch nie gestellt, wenn es ein umstrittener Film eines Mannes in den Wettbewerb geschafft hatte.

Gleichzeitig beschwerten sich andere Journalistinnen und Journalisten, dass mit nur drei Regisseurinnen, die in diesem Jahr im Wettbewerb gegen 18 Regisseure antreten, ja gar kein Fortschritt zu erkennen sei.

Kurz: Sie konnten es eigentlich niemandem recht machen. Doch dieser Ausgangslage traten sie mit Gelassenheit entgegen. Bereits an der Eröffnungspressekonferenz stellen Sie klar, dass die Frauen, die im Wettbewerb sind, nicht ausgewählt wurden, weil sie Frauen sind, sondern wegen ihrer kreativen Arbeit. Sie betonten, dass die Lösung des Problems nicht eine Bevorteilung von Regisseurinnen im Wettbewerb ist. Alle Filme sollen gleich behandelt werden, sagten Sie, ganz egal, ob sie von einer Frau oder einem Mann, einem Chilenen oder einer Koreanerin, einem Transgender-Mann oder einer Transgender-Frau stammen.
Natürlich brauche es noch mehr Frauen hinter der Kamera, und natürlich wünschten auch Sie sich, dass zukünftig mehr Regisseurinnen Teil des Wettbewerbs seien. Aber so ein Wandel könne eben nicht über Nacht passieren. «Ein nachhaltiger Wandel geschieht durch spezifische Aktionen und nicht durch Verallgemeinerungen und nicht durch Dogmen. Es geht um die Kluft zwischen Geschlechtern und die Vielfalt der Ethnien, um Gleichberechtigung und die Art, wie wir arbeiten.»

Genau deshalb sind Sie die ideale Besetzung für den Job in Cannes. Sie sind nicht überemotional, Sie verlieren sich nicht in unnötigem Pathos, sondern argumentieren intelligent und ruhig. Sie stehen für einen klugen, überlegten Dialog, den die Branche – und die gesamte Gesellschaft – nun führen muss.

Ich verstehe den Wunsch nach konkreten Handlungen, der in den letzten Tagen laut wurde. Grosse Gesten sind schön und wichtig – aber sie müssen auch Früchte tragen. Aber ich glaube, dass es Frauen wie Sie sind, die einen Unterschied machen können. Die Ruhe und Intelligenz, die Sie ausstrahlen, das Selbstbewusstsein, mit dem Sie auftreten, und die Selbstverständlichkeit, mit der Sie Gleichberechtigung einfordern, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren, ist bewundernswert.

So antworteten Sie einem Journalisten, der Sie fragte, ob es denn nicht ein Widerspruch sei, sich einerseits für Gleichstellung einzusetzen und sich andererseits jeden Abend in altmodischer Art auf dem roten Teppich zur Schau zu stellen, kurz und knapp: «Attraktiv zu sein, schliesst doch nicht aus, auch intelligent zu sein.»

Amen.

Kerstin Hasse