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Liebe Carolin Kebekus

Leben

Liebe Carolin Kebekus

  • Text: Jessica Prinz; Foto: GettyImages

Ihre Stimme weckt mich aus dem Schlaf. Nein, ich hab nicht von Ihnen geträumt, mein Freund liegt neben mir im Bett und zappt sich durch Ihre Videos. «Was hab ich denn gedacht?!», rufen Sie gerade Ihrem Publikum zu. Ihre Stimme erkenne ich natürlich sofort, das Video über «Skinny Bitches», das mein Freund sich gerade ansieht, hab ich bestimmt schon 20-mal gesehen. Und jedes Mal wieder krümm ich mich vor Lachen, besonders an dieser einen Stelle: Es geht um die vielen Hasskommentare, die Sie als Feministin bekommen, und den Lösungsvorschlag, dass Sie eigentlich nur mal so richtig durchgebumst gehören. Sehr ironisch machen Sie sich über die Vorstellung lustig, es gebe den Penis der Erleuchtung, der Feministinnen auf der ganzen Welt sagen lässt: «Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen! Ja, man gebe mir eine Schürze, ich möchte Frikadellen braten für alle!» Ich lache im Halbschlaf, obwohl ich eigentlich vorher schon wusste, wie der Text weitergeht. Stunden verbrachte ich nämlich auf Youtube, ein Video nach dem anderen zog ich mir von Ihnen rein. Und mit jedem Video faszinierten Sie mich ein wenig mehr.

«Natürlich gehöre ich durchgebumst!», konterten Sie in einem Interview, angesprochen auf diese Bemerkungen. «Aber jeder von uns gehört doch durchgebumst.» Genau diese Art von Kommentaren ist es, die ich so an Ihnen liebe. So ehrlich und logisch, dass man nicht widersprechen kann und mit Worten formuliert, die andere Frauen nie auszusprechen wagen. Sie zeigen, dass man als Frau auch mal laut sein darf, nicht immer nur klein und süss sein muss. Und auch wenn man eben klein und süss ist – und das nehm gerade ich mir zu Herzen – darf man trotzdem die Sau rauslassen. Sie haben keine Angst, dass man Sie für zu wenig weiblich hält, auch wenn Sie mit sehr tiefer Stimme oder im Slang über Penisse und Fussball sprechen, oder wenn Sie sich ein Bier bestellen, einfach weil Sie gern Bier trinken. Und da, Carolin Kebekus, bin ich ganz bei Ihnen.

Sie sind auf eine ausserordentlich lustige Weise provokativ. Sie verstehen es, die Leute über heikle Themen zum Lachen zu bringen, sie aber gleichzeitig auch zum Nachdenken anzuregen. Und bei Ihrer Kritik machen Sie vor niemandem Halt – weder vor der AfD noch der Kirche, und schon gar nicht vor sich selbst. Hemmungslos hinterfragen Sie vor gefüllten Hallen auch Ihre eigene Handlungsweise und gestehen, dass auch Sie manchmal Opfer der Werbung und der darin vermittelten Schönheitsideale sind. Sie geben zu, dass auch Sie, Sie die mit kurzem Jupe, Highheels und dem Selbstbewusstsein einer Beyoncé auf der Bühne stehen, Ihren Arsch manchmal zu dick finden.

Genau das macht Sie für mich so authentisch. Sie sind echt und ehrlich, spielen auf der Bühne nicht eine Rolle, nur um die Leute zum Lachen zu bringen. Sie haben Ihre Berufung gefunden, sprechen auf Ihre eigene, energische und witzige Weise verschiedenste Themen an, über die es sich zu diskutieren lohnt und die uns alle beschäftigen. Denn Sie sind nicht nur witzig, Sie haben auch ordentlich was im Köpfchen – was bei gutem Humor aber meiner Meinung nach sowieso Voraussetzung ist. Das beweist nicht nur die Tatsache, dass Sie letztes Jahr als Delegierte der Bundesversammlung in Berlin waren, wo Sie an der Wahl des Bundespräsidenten teilnahmen, sondern vielmehr, dass Sie Ihre Bühnenpräsenz für etwas Sinnvolles nutzen, für Aufklärung und Meinungsbildung. Und dabei finden Sie ein wunderbares Gleichgewicht, sodass jeder etwas davon hat: Die Zuschauer dürfen eine Pointe nach der anderen geniessen, und Sie können Ihrer Wut über ungleiche Behandlung und Ungerechtigkeit etwas Luft machen.

Für mich sind Sie der Inbegriff des modernen Feminismus. Sie stellen klar: Feminismus bedeutet, dass man dafür ist, dass Mann und Frau gleich behandelt werden. «Wie kann man da kein Feminist sein?!» Das sitzt und überzeugt offensichtlich – denn nicht nur Frauen sind begeistert von Ihnen, sondern auch viele Männer. So wie mein Freund. Der liegt am frühen Morgen neben mir im Bett und lacht ausgelassen über Ihre Sprüche. Sein Lachen erfreut mich ebenso wie der Gedanke, dass das mit der Gleichberechtigung durch Frauen wie Sie doch noch eine Chance auf dieser Welt hat. Und darauf sollten wir anstossen – natürlich mit einem Bier!

Prost, Jessica Prinz