Liebe Andrea Petkovic
- Redaktion: Viviane Stadelmann; Foto: Getty Images
Vor zwei Wochen fieberte ich mit Ihnen mit, als Sie bei Wimbledon ausschieden. 75 harte Minuten, zwei abgewehrte Matchbälle, eine Kotztüte – Sie haben trotz gesundheitlicher Probleme bis zum bitteren Ende gekämpft. Das hat mich ungemein beeindruckt. Und ich litt mit Ihnen mit. Denn Sie sind mir in den letzten Monaten ans Herz gewachsen – nicht nur als Sportlerin. Sie haben mich auch auf einer ganz anderen Ebene berührt: in Ihren 30-Love-Kolumnen für das Süddeutsche Zeitung Magazin.
Seit April betreiben Sie dort herrlich ungeschönte Selbstreflexion. Sie schreiben ein bisschen über Liebe, ein bisschen über Filme, ein bisschen über Bücher, ein bisschen über Tennis. Hauptsächlich schreiben Sie aber über Einsamkeit, Selbstzweifel, eigene Ansprüche – schwierige Themen, mit denen man sich auch abseits des Spitzensports identifizieren kann, die locker verpackt werden, entwaffnend ehrlich sind und stets mit Sinn für Humor daherkommen. Das können Sie vielleicht so gut, weil Sie 40 Wochen im Jahr unterwegs sind und abends allein im Hotelzimmer viel Zeit haben, um nachzudenken. Oder wegen des Drucks, der als Profisportlerin auf Ihnen lastet und durch den Sie als solche schlicht lernen mussten, sich Ihren Gefühlen und Sorgen zu stellen.
Ihre Leser*innen lassen Sie in Ihren Kolumnen sehr nah an sich heran – wohlgemerkt im Internet, das bekanntlich nie vergisst. Das ist mutig. Sie scheuen sich beispielsweise nicht davor, den eigenen Kampf mit Ihrem muskulösen Körperbild zu thematisieren und schreiben in einem Ihrer Texte über Ihren eigenen Social-Media-Auftritt: «(…) Offenbar will ich, dass man mich nur als ästhetische ansprechende, den Instagram-Vorlieben genügende Tennisspielerin wahrnimmt. Wenn ich es mir recht überlege, sind meine Fotos in Wahrheit nicht mehr als ein kläglicher Selbstdarstellungsversuch – geboren aus Minderwertigkeitskomplexen und gepostet in der Hoffnung, damit die Deutungshoheit über mein öffentliches (Körper-)Bild zurückzugewinnen.» Diese Offenheit ist es, die mich immer wieder erstaunt und die wohl nicht nur für Sie selbst, sondern auch für mich ein Tritt in den Hintern ist, um sich den eigenen Dämonen zu stellen und zu versuchen, sich fremden Meinungen zu entziehen. Davor habe ich grossen Respekt.
In Ihren bisherigen Kolumnen schrieben Sie auch über Superhelden, und dass Sie gern ein wenig wären wie Wonder Woman. Liebe Andrea Petkovic, Sie sind mir lieber, als eine Superheldin. Denn die Mädchen von heute brauchen Vorbilder wie Sie: Eine ehrgeizige Frau, die für ihre Leidenschaft kämpft, sich nach Rückschlägen nicht unterkriegen lässt, die sich selbst reflektiert, Schwäche zeigen kann und Neues wagt.
Herzlich,
Viviane Stadelmann