Die Luzerner Journalistin Carmen Epp erzählt, warum sie dem Alkohol abgeschworen hat. Und wie ihr Umfeld darauf reagiert.
Es ist immer die gleiche Leier: Danke, nein, für mich keinen Alkohol. Keinen Wein, kein Bier, und nein, auch keinen süssen Cocktail. Und nein, es liegt nicht daran, dass ich mit dem Auto da bin. Ich nehme auch keine Antibiotika. Und nein, schwanger bin ich auch nicht. Ich trinke einfach nicht. Weder heute noch morgen. Ja, nicht mal an Silvester – wirklich überhaupt gar nie. Und als wäre dies nicht schon absurd genug, folgt auf meine Ablehnung meist ein Wort, das zwar lieb gemeint ist, dem Ganzen aber eine Krone aufsetzt, die es nicht verdient: «Respekt!» Wieso? Weil ich etwas nicht mache, was für andere selbstverständlich ist? Abgesehen von der leidigen Fragerei ist mein Verzicht ja mit keinerlei Anstrengung für mich verbunden. Ich tus halt einfach nicht und trinke stattdessen was anderes.
Es ist auch nicht so, dass ich es nicht ausprobiert hätte. Doch während meine Freunde es genossen, wie der Alkohol erstmals in ihrem Leben ihre Sinne benebelte, ihre Beine weich und ihren Mund lockerer machte, wurde es mir bei jedem Schluck mulmiger. Bereits nach einem Alcopop spielten meine Gedanken verrückt. War das jetzt zu viel? Würde ich noch laufen können? Wieso dreht sich alles? Und – wie stellt man das wieder ab? Nach mehreren gescheiterten Versuchen, den Rausch doch irgendwie auszukosten, habe ich entschieden: Nein, Alkohol, das ist nichts für mich. Da war ich 17.
Ich bin schlicht kein Rauschmensch. Hinzu kommt: Ich habe in meiner Kindheit selber erfahren müssen, was Alkohol mit einem geliebten Menschen anrichten kann. Und ich weiss von daher auch, dass ich genetisch vorbelastet bin.
Die ersten Jahre nach meinem Entschluss, dem Alkohol zu entsagen, waren schwierig. Nicht, weil ich das Gefühl hatte, dass mir irgendwas entgeht. Sondern weil mir erst danach richtig bewusst wurde, wie viel um mich herum getrunken wird und wie sich der Alkohol auf meine Freunde auswirkt. Da gab es den schüchternen Kumpel, der mit steigendem Alkoholpegel immer anhänglicher wurde. Meine sonst so toughe beste Freundin, die früher oder später weinend in der Ecke sass. Und schliesslich mich, die Nüchterne, die das alles nicht so recht nachempfinden konnte. Saufen, bis man sich übergeben muss: Wer tut so was freiwillig?
Im Lauf der Zeit wurde es aber einfacher. Vielleicht, weil mein Umfeld älter und gemässigter im Konsum wurde. Vielleicht aber auch, weil ich irgendwann aufgehört habe, die Trinkerei zu hinterfragen. Natürlich gibt es Situationen, in denen es mit Alkohol bedeutend einfacher wäre. Als Singlefrau im Ausgang zum Beispiel. Auch wenn die Chemie eigentlich gestimmt hätte: Eine nüchterne Frau abzuschleppen, während man selber nur noch lallen kann – das scheinen sich die wenigsten Männer zuzumuten. Irgendwann griff ich zu einem Trick. Statt eines stillen Wassers bestellte ich mir jeweils ein Cola mit Eis. Und tatsächlich: Das vermeintliche Whiskey-Cola steigerte meine Flirtchancen im Nu. Plötzlich war ich eine von ihnen – und der eine oder andere getäuschte Mann erfuhr erst am nächsten Morgen von meiner kleinen Flunkerei. Im Gegensatz zu ihnen war ich dann jeweils topfit, während sie mit einem Kater kämpften – eine Erfahrung, die ich noch nie gemacht habe und auf die ich auch weiterhin gern verzichte.
Auch meinen heutigen Freund habe ich im betrunkenen Zustand kennen gelernt (und er liess sich von meiner Nüchternheit nicht einschüchtern). Die letzten vier Jahre über trank aber auch er selber kaum noch Alkohol. Ob es daran liegt, dass ich nichts trinke? Er sagt: nein. Ich denke: ein bisschen wahrscheinlich schon.