Leben
Küchen-Liebe: Zu Besuch bei unserer Rezeptautorin Anna Pearson
- Redaktion: Line Numme; Fotos: Christine Benz
Unsere neue Rezeptautorin Anna Pearson zeigt den Ort ihres Wirkens – mit allem, was dazugehört.
Von einer WG in der Stadt in ein riesiges Gutshaus auf dem Wellenberg im Zürcher Oberland zu ziehen, ist schon ein grosser Schritt. Bereut hat ihn Anna Pearson bisher nicht. Sie fühlt sich in ihrem neuen Zuhause mit eigenem Garten vor dem Haus sichtlich wohl. Sie teilt sich den grossen neuen Lebensraum mit ihrer Schwester Catherine, zwei Katzen und einem weiteren Mitbewohner (auch dieser ein passionierter Koch). Ein paar Hühner sollen bald dazustossen.
Herzstück des 1786 erbauten und unter Denkmalschutz stehenden Hauses ist die Küche. Nicht nur weil die Hausbewohner hier ihrer Passion nachgehen, sondern auch wegen der Sorgfalt, mit der sie ausgestattet ist. 2012 wurde sie wie der Rest des Gebäudes liebe- und geschmackvoll renoviert. Der alte Herd und der Holzofen wurden nicht etwa einfach durch neuste Geräte ersetzt, sondern instand gesetzt und mit raffinierten Details ergänzt. So ist das neue, grosszügige Induktionskochfeld aus Glas so konstruiert,dass es jederzeit hinaufgeklappt werden kann, um wie zu Urgrossmutters Zeiten auf dem Feuer zu kochen.
Der Holzofen in der Küche
Unser Plan: den alten Holzofen gemeinsam zum ersten Mal in Betrieb zu nehmen und darin Brot zu backen. Ein Nussbrot, zu dem der schöne, riesige Baum vor dem Küchenfenster seine Früchte beisteuert. Anna Pearson ist die Vorfreude bei unserem Eintreffen bereits anzusehen, und so machen wir uns als Erstes daran einzufeuern. Schon bald riecht es in der Küche fein nach Feuer, und es breitet sich eine wohlige Wärme aus. «Feuer ist so etwas Schönes – der Duft, das Knistern und die Stimmung, die entsteht», sagt Anna Pearson, die es ganz generell einfach und praktisch mag. Sie schätzt zwar gewisse technische Errungenschaften in der Küche, aber oft sind die einfachen und altbewährten Geräte einfach die besseren. Erfahren und schätzen gelernt hat sie das unter anderem bei ihrer Tante im Tessin, wo sie nach ihrem Designstudium das erste Mal so richtig mit dem professionellen Kochen in Berührung kam. Nach einem halben Jahr am Herd des Restaurants ihrer Tante erkannte Anna Pearson, dass Kochen ihr mehr bedeutete als ein Hobby und sie die Weichen für ihre berufliche Zukunft würde anders stellen müssen. Wieder daheim, schrieb sie ihr Lieblingsrestaurant Italia in Zürich an, ob sie vielleicht als Praktikantin in der Küche stehen dürfe. Sie durfte und blieb zwei Jahre.
Während Anna Pearson den Teig für das Brot zwirbelt und der Ofen immer heisser wird, werfen wir einen Blick in die offen stehende oberste Schublade der Kücheninsel. Ein interessanter Einblick – ein umfangreiches Sammelsurium an Küchenwerkzeug befindet sich darin. Dann fällt uns beim Backofen ein weiteres Gerät auf, ein Steamer, wie sich herausstellt. «Habe ich noch nie benutzt», antwortet Anna Pearson auf die Frage, wie sie ihn einsetzt. In der Gastroküche habe sie zwar schon Erfahrungen mit Kombisteamern gemacht, dort mache so ein Gerät auch durchaus Sinn, um beispielsweise grosse Mengen Kartoffeln für Gnocchi vorzugaren. Aber privat würde sie ihn nicht vermissen, hätte sie keinen. So wird das Gerät hier manchmal etwas zweckentfremdet und fristet ein Dasein als Tellerwärmer. Es werde einem immer vermittelt, neue Geräte würden helfen, Zeit zu sparen, meint Anna Pearson, während sie das Brot in den Ofen schiebt. Dabei brauche es auch Zeit, bis man sich mal eingelesen hat und weiss, über welche Funktionen die meist komplexen Apparate verfügen, und dann müsse man auch erst einmal üben, bis die Handhabung sitzt: «Da investiere ich lieber mehr Zeit, mache einen Schritt nach dem anderen und möglichst alles manuell, aber dafür bewusst.»
Nach 15 Minuten ist das Nussbrot zu unser aller Erstaunen schon fertig, wie sich mit dem Klopftest herausstellt. Und schön knusprig sieht es aus. Vom herrlichen Duft in der Küche ganz zu schweigen.
Slowfood-Manifest
«Zu Tisch» ist mehr als ein Kochbuch. Es ist schon fast ein kleines Slowfood-Manifest, das von einer leidenschaftlichen Köchin verfasst wurde. Die darin enthaltenen saisonal zusammengestellten 63 Gerichte sind mit wunderschönen Stimmungs- und Foodbildern von Schwester und Fotografin Cahterine illustriert, die Lust aufs Nachkochen und vor allem Geniessen machen. Dazu erhält man Einblick in die Tafelrunden «A Tavola!», die Anna Pearson zusammen mit ihrer Schwester über vier Jahre lang in ihrer gemeinsamen Zürcher WG veranstaltet hat. Mit diesem Buch, das sie in Eigenregie produziert haben und verlegen, setzen sie diesem Projekt zum Schluss ein wunderschönes Zeichen.
— Anna und Catherine Pearson: Zu Tisch. 352 Seiten, 58 Fr., www.annasfinest.ch
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