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Klimawandel: Mann, iss mehr Gemüse!

Leben

Klimawandel: Mann, iss mehr Gemüse!

  • Text: Julia HoferIllustration: Container

Neue Studien zeigen: Der männliche Lifestyle forciert den Klimawandel – Frauen haben das Nachsehen. Energieexpertin Sabine Bock sagt, was falsch läuft.

annabelle: Sabine Bock, sind die Männer schuld am Klimawandel?
Sabine Bock: Okay … (lacht) … das ist jetzt ziemlich direkt, also, ich würde sagen: Nein.

Das überrascht mich jetzt.
Schuldzuweisung bringt nichts. Frauen und Männer können den Klimawandel nur gemeinsam abschwächen, weil man, wie ein chinesisches Sprichwort sagt, nur mit beiden Augen richtig sieht.

Männer fahren aber mehr Auto, lieben protzigere Modelle und essen auch mehr Fleisch.
Stimmt. Viele Männer mögen grosse Autos, weil sie sich für Technik begeistern. Sie fahren mehr Auto als Frauen, weil sie öfter einer Erwerbsarbeit nachgehen und weil ihre Mobilität, wie man sagt, wenig differenziert ist: Sie fahren mit dem Auto zur Arbeit und zurück. Die Wege der Frauen sind differenzierter, sie bringen die Kinder in den Kindergarten, kaufen ein, besuchen danach ihre Eltern oder fahren zur Arbeit. Diese kürzeren Strecken legen sie öfter mit dem öffentlichen Verkehr, dem Velo oder zu Fuss zurück.

Warum ist der Konsum von Fleisch für das Klima problematisch?
Die globale Viehzucht verursacht 9 Prozent der CO2- und 37 Prozent der Methan-Emissionen. Zudem benötigt man ungefähr acht Kilo Getreide, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren, was nicht nur weniger Menschen satt macht, sondern auch schlecht für die Umwelt und das Klima ist: Der Regenwald wird für den Anbau von Futtersoja-Monokulturen abgeholzt.

Man versucht, das Methan, das den Mäulern und Hintern der Kühe entweicht, mit Futterzusätzen zu verringern, etwa mit Tannin. Eine typisch männliche Strategie?
Ja, mit diesem Ansatz ist eine gewisse Technikgläubigkeit verbunden. Wir sollten uns besser wieder darüber klar werden, was uns wirklich wichtig ist: Wir wollen und Genuss – also ändern wir unser Essverhalten.

Auf das Fleisch müssen wir verzichten.
Man kann den Fleischkonsum auch einfach einschränken. Ich persönlich bin Vegetarierin und erlebe das nicht als Verzicht, mir schmecken Gemüse, Tofu und Soja – es kommt auf die Zubereitung und die Gewürze an. Beim Verkehr ist es dasselbe: Weniger Autofahren kann auch mehr Lebensqualität bedeuten. Die Strasse wird wieder ein Ort der Begegnung, man kann eine Bank vor die Tür stellen, muss keine Angst um die Kinder haben. Eine Frage der Perspektive.
Sehen Frauen das eher so als Männer?

Ja, sie haben eher das Ganze im Auge. Und sie machen sich mehr Sorgen um die Umwelt.

Warum sind Frauen in Gremien, die Strategien gegen den Klimawandel entwickeln, untervertreten?
Eine Uno-Umweltberatergruppe etwa besteht aus 19 Männern und einer Frau. Frauen sind nicht zuletzt deswegen umweltbewusster als Männer, weil sie sich mehr um den Haushalt und die Erziehung der Kinder kümmern und sich deswegen mit Fragen der Ernährung, Gesundheit und Nachhaltigkeit auseinander setzen. Doch gerade dieses Engagement in der Familie verhindert eben auch, dass sie im Beruf in Positionen kommen, wo sie Entscheidungen treffen könnten. Wir von Women in Europe for a Common Future (WECF) fordern, dass Frauen ihre Perspektive einbringen können.

Was heisst das konkret?

An Klimakongresse laden wir immer wieder Frauen ein, die vom Klimawandel betroffen sind, damit sie von ihren Erfahrungen erzählen. Und wir geben Empfehlungen für Gesetzesänderungen, etwa bei erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Es ist an der Zeit, dass die Frauen in dieser Frage gehört werden, auch weil sie insgesamt stärker unter den Folgen des Klimawandels leiden als die Männer.

Inwiefern sind Frauen stärker betroffen?
Sie sind abhängiger von den natürlichen Ressourcen. Traditionelle Frauenarbeiten wie Brennholz sammeln und Wasser holen werden zeitintensiver und anstrengender, wenn Wasser
und Holz wegen der klimatischen Veränderungen knapp werden. Ein anderes Beispiel: Auf einer Fahrt zu einer Uno-Klimakonferenz in Kenia hat mir der Taxifahrer erzählt, dass er sein Dorf verlassen musste, weil die Dürre die Felder zerstört hat. Seine Frau blieb – wie in patriarchalen Gesellschaften üblich – mit den Kindern zurück. Die Bedingungen waren nun noch schwieriger: Die Ernte blieb aus, und das wenige Geld, das er seiner Familie schicken konnte, reichte kaum mehr zum Überleben.

Women in Europe for a Common Future (WECF) ist ein Netzwerk von über hundert Frauen-, Umwelt- und Gesundheitsorganisationen in über vierzig Ländern, das sich für eine gesunde Umwelt einsetzt. www.wecf.eu

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