Am 18. Juni stimmen wir über das Klimaschutzgesetz ab. Wie überlisten wir uns selbst und kommen ins Handeln? Reportage-Chefin Paula Scheidt macht in ihrem Kommentar einen Vorschlag.
Selbstwirksamkeit ist ein schönes Gefühl, vielleicht eines der schönsten. Ich empfinde es am stärksten in den kleinen Momenten. Wenn ich ein Fenster putze und die Abendsonne sich darin spiegelt. Oder wenn ich meinen Sohn kitzle und er glücklich gluckst.
In der Klimakrise ist dieses schöne Gefühl leider schwer zu haben. Stattdessen ist da viel Ohnmacht. Man kann versuchen, die Schneise der Zerstörung möglichst schmal zu halten, die man selbst durch den Planeten zieht: wenig oder kein Fleisch essen, keine Häuser abreissen, wenig oder gar nicht fliegen, kein Auto besitzen und nachhaltig heizen.
Es ist eigentlich die einzige mögliche Lebensweise, wenn man in zwanzig Jahren in den Spiegel schauen möchte und seinen Kindern ins Gesicht. Aber selbstwirksam fühlt es sich nicht an. Durch das richtige Konsumverhalten allein werden wir die Welt nicht retten. Es braucht politische Veränderungen. Und dafür braucht es politisches Engagement.
Ein grosser Schritt zur Bewältigung der Klimakrise
Die Initiant:innen der Gletscher-Initiative machen es vor. Ab dem 18. Juni hat die Schweiz aller Voraussicht nach ein neues Klimaschutzgesetz. Es bringt uns einen grossen Schritt weiter in der Bewältigung der grössten Herausforderung der Gegenwart. Stände- und Nationalrat haben das Gesetz bereits angenommen. Es giesst das völkerrechtliche Pariser Klimaabkommen von 2015 in Schweizer Gesetz, mit der Verpflichtung, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Zu Beginn wurden die Initiant:innen als radikale Spinner:innen belächelt, heute, fünf Jahre später, zweifelt kaum jemand an dem Ziel, die Schweiz bis 2050 klimaneutral zu machen. Innerhalb kürzester Zeit wurde aus der Utopie Konsens. Nun wird zwar nicht die Gletscher-Initiative umgesetzt, sondern der Gegenvorschlag des Bundesrats, aber das hat auch Vorteile: Es geht schneller und Zeit ist in der Klimakrise der entscheidende Faktor.
«In der Klimakrise ist alles anders»
Wir haben gelernt, dass in der Ruhe die Kraft liegt. Und oft stimmt das. Es scheint ratsam, nicht zu überhasten. So funktioniert auch die Schweizer Politik. Die Dinge entwickeln sich gemächlich in die richtige Richtung, irgendwann wird ein Ziel erreicht.
In der Klimakrise ist aber alles anders. Die Logik dieser Krise ist kontrainduktiv: Eine gemässigte Politik führt in eine radikale Zukunft. Eine radikale Politik hingegen führt in eine gemässigte Zukunft. Dass unser Gefühl uns etwas anderes sagt, ist ein Problem.
Ein idealistisches Ziel
Die meisten Klimawissenschafter: innen halten die Zwei-Grad-Celsius- Verpflichtung bereits für nicht einhaltbar. Der Globus wird sich stärker erwärmen mit bedrohlichen Folgen wie Hitzewellen, starken Fluchtbewegungen, Überschwemmungen. Vielerorts sieht man die Folgen schon jetzt deutlich.
Wie also überlisten wir uns selbst und kommen ins Handeln? Zum Beispiel, indem wir uns die Initiant:innen der Gletscher-Initiative zum Vorbild nehmen: Sie haben das Ausmass der Bedrohung früh erkannt, haben sich ein idealistisches Ziel gesetzt und sich von den anfangs äusserst geringen Chancen auf Erfolg nicht demotivieren lassen. Und damit helfen sie nicht nur uns allen – das fühlt sich sicher auch gerade sehr selbstwirksam an.