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Kirsten Dunst über toxische Beziehungen: «Er versuchte, mich und mein Leben zu kontrollieren»
- Text: Mariam Schaghaghi
- Bild: Shutterstock
Kirsten Dunst ist aktuell im Film «The Power of the Dog» zu sehen. Mit uns sprach die Schauspielerin über toxische Beziehungen, ihre Vorliebe für düstere Rollen und eine Hotel-Quarantäne mit einem Zweijährigen.
Popcornkino kann Kirsten Dunst genauso gut wie Problemfilme. Als sie «Spiderman» kopfüber im Regen küsste, schuf sie damit einen der ikonischsten Momente des Kinos. Nicht weniger aufregend war die Szene in Lars von Triers «Melancholia», wo sie ihren nackten Körper im Mondlicht badete. Bereits mit sieben Jahren hatte Dunst in Woody Allens Kurzfilm «New York Stories» debütiert. Als zwölfjährige Kindfrau in «Interview with the Vampire» saugte sie Brad Pitts Blut. Dank ihrer Sensibilität wurde Sofia Coppolas Regiedebüt «The Virgin Suicides» 1999 erst zur Sensation. Inzwischen ist die Deutsch-Amerikanerin 39 Jahre alt und hat ihre Vielseitigkeit in über fünfzig Filmen bewiesen. Gerade ist sie in Jane Campions lang erwartetem Film «The Power of the Dog» zu sehen, der im Kino und auf Netflix läuft.
Filmfestival Venedig, im September. Lässig sitzt Kirsten Dunst im Schatten eines Sonnenschirms auf der riesigen Terrasse des ehrwürdigen Hotels Excelsior – Sonnenbrille, knallroter Lippenstift, ein ärmelloses Kleid in Rot- Schwarz. Vor ihr steht ein halbleerer Espresso im Glas. Zur Begrüssung setzt sie noch schnell ihre schwarze Maske auf, im Gespräch darf sie wieder runter. Wenn sie lächelt, zeigen sich zwei Grübchen. Am Nebentisch sitzt die Regisseurin Jane Campion: Für sie spielt Dunst die junge Witwe Rose, deren spätes Glück von ihrem grausamen Schwager gefährdet wird. Dunst selbst ist das private Glück endlich hold, nach etlichen Kurzbeziehungen verliebte sie sich am Set von «Fargo» in ihren Kollegen Jesse Plemons. Vielleicht wirkt die blonde Schauspielerin deswegen strahlender, entspannter, souveräner als bei unserem letzten Treffen hier vor vier Jahren.
annabelle: Kirsten Dunst, fühlen Sie sich wohl, wenn Sie bei Dreharbeiten fast nur von männlichen Kollegen umgeben sind?
Kirsten Dunst: Zum Glück war einer davon ja mein Mann Jesse, mit dem ich zwei Kinder habe. Es hat grossen Spass gemacht, mit ihm gemeinsam für ein Projekt vor der Kamera zu stehen.
Wessen Idee war es, Sie beide, ein echtes Liebespaar, auch als Leinwandpaar zu besetzen?
Das war die Idee von dieser Frau da, Jane! (weist mit dem Finger auf Campion und lacht) Aber es fühlte sich wie Schicksal an: Es gab Probleme bei der Terminkoordination der Schauspieler: innen, doch wie durch ein Wunder hatten wir beide gleichzeitig Zeit für etwas Neues. Und plötzlich war alles ganz easy, wir konnten unser Kind – damals hatten wir erst eins – mit nach Neuseeland nehmen, alles passte.
«Es ist so viel schöner, das Leben nicht mehr allein zu verbringen», sagt Jesses Figur einmal. Spricht er damit auch Ihnen aus der Seele?
Für mich ist das der stärkste Satz des ganzen Films. Da steckt so viel Wahrheit drin.
Hat es beim Spielen geholfen, dass sie beide sich so gut kennen?
Am Anfang war es fast hinderlich. Jane meinte in einer der ersten Szenen: «Man sieht euch eure Vertrautheit an. Kirsten, du kannst Jesse nicht am Arm berühren, das würde Rose nie tun.» Sie hatte recht, wir mussten mehr auf Distanz achten.
Ihr Gegenspieler im Film ist Benedict Cumberbatch, dessen Figur Phil Rose psychisch fertig macht. Warum?
Rose spiegelt etwas, was Phil an sich selbst nicht sehen will, seine unterdrückten Emotionen und den angestauten Schmerz. Sie weckt das in ihm, und er bekämpft es in ihr. Er drangsaliert sie, damit er sich seinen eigenen Dämonen nicht stellen muss.
Wie haben Sie sich mit Cumberbatch auf diese Dynamik vorbereitet?
Wir sprachen nicht miteinander. Gar nicht. Das hatten wir vorab so beschlossen: Während des Drehs gibts kein privates Wort. Wenn unsere Kinder sich zum Spielen trafen, haben wir uns kurz zugenickt – das war auch schon alles. Wir haben morgens nicht mal Hallo gesagt.
Mobbing, psychische Gewalt – warum passiert das gerade Frauen so oft?
Es gibt eben diese Psycho-Typen, die auf einer Frau rumhacken, nur um sich an der eigenen Macht zu ergötzen. Oft spielen die Partner auch perfide Psychospiele, um ihre Frauen zu kontrollieren. Oder es sind Kollegen, die ihre Machtposition in der Firma verteidigen. Je mehr Erfolg sie mit ihrem Psychoterror haben, desto tiefer können sie in die Gedanken und Köpfe ihrer Opfer eindringen.
Haben Sie selbst je so eine Erfahrung gemacht? In der Filmbranche gab es ja durchaus Produzenten, die die Grenzen weit überschritten.
Nein, im Job nicht. Aber privat, mit einem Ex-Freund. Es war eine toxische Beziehung. Er versuchte, mich und mein Leben zu kontrollieren. Vor allem junge Frauen können schnell in solche Beziehungen hineingeraten, die ihnen nicht guttun. Wichtig ist, dass man daraus lernt und seine Fehler nicht wiederholt.
Wie schafften Sie es, diese Dynamik zu durchbrechen?
Mit Mitte zwanzig wurde mir klar, dass ich lieber mit jemandem zusammen wäre, der gut zu mir ist. Wenn man jünger ist, sucht man sich seine Partner aus den verschiedensten Motiven aus – ob sie einem guttun, steht aber nicht unbedingt weit oben auf der Prioritätenliste. Man muss sich selbst erst besser kennen, um zu wissen, was man braucht, um glücklich zu werden.
Wie haben Sie es erlebt, mit Jane Campion zu arbeiten?
Jane ist eine wahnsinnig direkte Person, und das mag ich total: Ich bin ja auch keine, die um den heissen Brei rumredet. Wenn es etwas zu klären gibt, tun wir das. Deshalb kamen wir sofort klar miteinander. Bei uns gabs keinen Bullshit.
«Wer will denn im Kino schon langweilige Leute sehen, die ihr glückliches Leben geniessen?»
Was ist für Sie das Besondere an Campions Filmen?
Sie sind unglaublich ästhetisch und voller sexueller Energie. Jane Campion hat ein fantastisches Gespür dafür, grosse Spannungen, auch sexuelle, einzufangen. Dabei ist sie nie platt oder zu offensichtlich. Das macht sie zur Meisterin.
Sexuelle Energie? Es gab doch kaum erotische Szenen.
Trotzdem ist der Film voller sexueller Spannung. Man braucht keine nackte Haut, damit es knistert.
Sie spielen oft gepeinigte, verzweifelte Frauen, und nur ganz selten Komödien. Warum zieht es Sie eher zum Düsteren?
Es ist nicht so, als würde ich mir gar keine Fun-Projekte aussuchen. Ich selbst liebe Komödien. Aber meine favorisierten Filme porträtieren Menschen, die vor emotionalen Herausforderungen stehen oder tiefe Täler durchschreiten. Wer will denn im Kino schon langweilige Leute sehen, die ihr glückliches Leben geniessen? (lacht)
Sind solche schweren Rollen nicht kräftezehrend?
Doch, aber auf eine gute Weise, wie eine Katharsis. Man kann sich dabei von viel emotionalem Ballast reinigen. Nach «Melancholia» war ich irrsinnig glücklich!
Sind Sie stolz auf sich und Ihre Karriere?
Ich finde meinen Berufsweg wunderbar. Ich bereue auch nichts. Mich störts nicht mal, wenn viele in mir immer noch den Kinderstar von damals sehen. Jetzt sitze ich hier beim Festival Venedig, habe Ferien von den Kindern und geniesse die Spätsommersonne auf der Terrasse und den Blick aufs Meer. So schlecht kann ichs also nicht erwischt haben.
Hat sich Ihre Karriere durch die Kinder verändert?
Ja, meine Prioritäten haben sich verschoben. Ich nehme Rollen nur noch an, wenn ich spüre, dass sie es wirklich wert sind. In diesem Herbst habe ich einen Mega-Dreh abgesagt, damit wir als Familie zusammen sein können. Mein Jüngster ist ja erst sechseinhalb Monate alt.
Warum hat Ihr Mann Sie nicht nach Venedig begleitet?
Jesse dreht gerade in Oklahoma. Den Kids macht es nichts, dass ich weg bin, alle verfügbaren Grosseltern sind bei ihnen. Aber ich möchte natürlich so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen.
Nach welchen Prinzipien erziehen Sie Ihre Kinder?
Ich versuche, meine Jungs so frei wie möglich aufwachsen zu lassen, damit sie sich entfalten können. Sie werden früh genug durch die Scheisse waten müssen. Da muss ich es ihnen nicht noch schwerer machen.
Ihr Leben hat sich ziemlich verändert, seit wir uns das letzte Mal in Venedig sahen …
Da haben Sie recht, das war 2017 mit den Rodarte-Schwestern Lauren und Kate zu ihrem Filmdebüt «Woodshock». Damals war ich schon schwanger, wusste es aber nicht. Sonst hätte ich mir vielleicht nicht ganz so viele Bellinis gegönnt. (lacht)
Was wird Ihnen von den Dreharbeiten zu «The Power of the Dog» in Erinnerung bleiben?
Wie wir den Dreh im März 2020 wegen der Pandemie abbrechen mussten. Ich sah Jane Campion an, dass ihr das das Herz brach. Sie dachte, wir würden diesen Film nie beenden. Das war ein schrecklicher Tag – auch weil wir uns alle verabschiedeten, ohne zu wissen, wie die Pandemie unser Leben durcheinanderwirbeln würde. Nach acht Wochen gings unter höchsten Sicherheitsmassnahmen weiter. Wir bekamen eine Sondererlaubnis zur Wiedereinreise nach Neuseeland, mussten aber in Quarantäne. Zwei Wochen in einem Hotelzimmer mit einem Zweijährigen – das will ich nicht noch mal durchmachen! (lacht)
Haben Sie in dieser Ausnahmezeit etwas über sich gelernt?
Ich wünschte, ich könnte jetzt irgendetwas Kluges erzählen. Aber ehrlich gesagt habe ich die ganze Zeit nur Serien wie «Das Damengambit» geschaut – genau wie alle anderen. Ausserdem wurde ich während Corona wieder schwanger. Sie können sich also vorstellen, was wir im Lockdown so gemacht haben. Aber diesmal habe ich wirklich keinen Alkohol angerührt.
Jetzt im Kino und auf Netflix: «The Power of the Dog» von Jane Campion. Mit Kirsten Dunst, Jesse Plemons, Benedict Cumberbatch