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Keine Sonderregeln für männliche Betreuungspersonen

Leben

Keine Sonderregeln für männliche Betreuungspersonen

  • Interview: Lara Marty

Acht Prozent der Betreuungspersonen in Schweizer Kinderkrippen sind männlich. Das sei zu wenig, sagt Franziska Vogt von der Pädagogischen Hochschule St. Gallen.

annabelle: Franziska Vogt, Sie haben sich im Forschungsprojekt «Gender in der Kita» mit Männern in der Kinderbetreuung befasst und fordern: «Mehr Männer in Kitas!» Warum?
Franziska Vogt: Betreuende in Kitas sind für Kinder wichtige erste Bezugspersonen ausserhalb der Familie. Und: Sie sind Rollenvorbilder. Buben und Mädchen erfahren auf diese Weise früh, dass sowohl Frauen wie Männer mit ihnen spielen, sie trösten und ihnen etwas beibringen können. Gerade im Alter zwischen drei und sechs sind Kinder richtige Geschlechter-Detektive. Sie versuchen zu verstehen, was Mann- oder Frausein bedeuten könnte. Sie wissen etwa noch nicht, dass ein Junge zu einem Mann heranwächst. Ein Dreijähriger sagte einmal zu mir: «Wenn ich gross bin, will ich eine Katze sein.»

Die Anzahl männlicher Lernenden ist zwischen 2006 und 2018 von 5 auf 15 Prozent gestiegen. Da tut sich etwas.
Ja, hier haben wohl Schnuppertage, die Sensibilisierung in den Kitas und die Öffentlichkeitsarbeit der Verbände zu einem gesellschaftlichen Wandel beigetragen. Zudem ist die Kinderbetreuung ein Bereich, der sehr stark wächst. Kitas gehören zum Alltag, dadurch wird der Beruf für Jugendliche sichtbarer.

Wie reagieren Eltern auf männliche Betreuungs- personen?
Viele freuen sich. Es gibt aber auch Eltern, die Vorbehalte haben. Sie haben Angst vor sexuellen Übergriffen. Das sind schlimme Vergehen, egal, ob es sich dabei um verbale oder körperliche handelt. Geschehen sie in Kitas, müssen sie genau untersucht werden, weshalb sie auch in den Medien thematisiert werden. Geschehen sie hingegen innerhalb der Familie, bekommt die Öffentlichkeit seltener etwas davon mit.

Wie gehen junge Männer damit um, unter Generalverdacht zu stehen?
Es ist für sie in erster Linie entscheidend zu wissen, dass die Kita-Leitung und das ganze Team ihnen gegenüber positiv eingestellt sind.

Welche Massnahmen sind nötig, um Männer stärker für den Beruf zu begeistern?
Sensibilisierung für das Thema und Schutz vor Diskriminierung. Den Kita-Leitungen muss klar sein, dass sie für Männer keine Sonderregeln aufstellen dürfen. Das heisst: Bleibt die Türe beim Wickeln für Männer offen, bleibt sie auch offen, wenn Frauen wickeln. Ganz generell, und das gilt für Männer und Frauen gleichermassen, braucht es jedoch eine höhere gesellschaftliche Anerkennung für die Bedeutung der Kinderbetreuung, zum Beispiel in Form einer besseren Entlöhnung. Zudem könnte es den Beruf attraktiver machen, wenn die Möglichkeit für eine Weiterentwicklung mit entsprechender Qualifizierung ausgebaut würde.

Einerseits werden Männer gern in Kitas eingestellt, um stereotype Aktivitäten wie Raufen, Toben oder Fussballspielen abzudecken und naturwissenschaftliche Themen einzubringen. Andererseits sollen sie zeigen, dass es weder in pädagogischer noch pflegerischer Hinsicht Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Wie positionieren sich Männer in dieser widersprüchlichen Erwartungshaltung?
Sie setzen sich damit auseinander, welche Stärken sie im Beruf einbringen können. Vielleicht ist es tatsächlich das Fussballspielen, vielleicht kann jemand aber auch besonders toll Geschichten vorlesen. Ein Kinderbetreuer erzählte mir einmal, dass ihm der Werkraum zugeteilt wurde, weil er der einzige Mann im Team war. Er habe dann aber gefunden: «Wenn mir das liegen würde, dann wäre ich wohl eher Schreiner geworden. Ich bin aber Kinderbetreuer.»

Mehr Informationen finden Sie hier.

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Franziska Vogt ist Professorin und Leiterin des Zentrums Frühe Bildung an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen und forscht zum Thema «Gender in der Kita».