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Kate bleibt Kate: Eine Prognose

Kate bleibt Kate: Eine Prognose

  • Text: Anne McElvoy, Fotos: Getty

Kann sich Kate Middleton als moderne Frau behaupten, oder wird sie dem Druck der royalen Etikette erliegen? Eine Prognose zur Geburt des ersten Kindes.

Alle Schaltjahre können sich die Mitglieder des Königshauses an den Schlammschleudern der britischen Presse rächen. Die Frau, die einst grausam «Waity Katie» getauft wurde, weil sie fast acht Jahre lang als blosse Freundin des Thronfolgers herumhängen musste, bis dieser nach langem Zaudern endlich um ihre Hand anhielt, ist heute seine Ehefrau, erwartet Mitte Juli ein Kind – und sieht einer garantierten Zukunft als Königin entgegen, wenn ihr Gatte William schliesslich den Thron besteigt. Die Geschichte hat all jene vor den Kopf gestossen, die sich fragten, was den künftigen Thronerben bloss dazu bewegt hatte, eine «Bürgerliche» zu heiraten, deren Eltern einen Versandhandel für Partyzubehör betreiben (so schrecklich spiessig).

Einen Hauch von Normalität

Was Kate der Königsfamilie geben kann, liegt auf der Hand: Sie bringt einen Hauch von Normalität in eine Familie, die wegen ihres gesellschaftlichen Rangs und ihres dicht gewobenen sozialen Netzes zur Cliquenwirtschaft neigt. Diese Normalität war es ja, die William am Anfang so angezogen hatte. Prince Charles, sein Vater, verkörpert noch viele der exklusiven, bis in die Zeit von Edward VII zurückreichenden Bräuche der Familie: Er beharrt auf Förmlichkeiten und einem umfangreichen Personal, sein Kammerdiener drückt ihm angeblich die Zahnpasta auf die Bürste, wenn die Zeit der königlichen Nachtruhe naht. Williams Mutter Diana wurde zur Superstar-Prinzessin, bevor sie ein tragischer Promi-Tod mit schnellen Autos und einem verwegenen Boyfriend ereilte. Kate ist da anspruchsloser, hat aber immerhin gerade genug Glamour, damit die wankelmütige Öffentlichkeit das Interesse an ihr nicht verliert. Knifflig ist es nur, solche Tugenden in der heutigen Monarchie richtig zu interpretieren. Vor kurzem machten Fotos die Runde, wie sie mit ihrer Mutter Carole ein Babykörbchen kauft und es eigenhändig zum Auto trägt, während ihre Bodyguards untätig warten. Der Ausflug löste gemischte Reaktionen aus. Darf sich die Duchess of Cambridge, wie ihr offizieller Titel jetzt lautet, wirklich wie eine x-beliebige werdende Mutter aufführen? Mancherorts wurde gemäkelt, das Ganze sei eine PR-Aktion gewesen. Und etwas gar bodenständig.

Wenn Kate aber über den Dingen steht und nur «lächelt und winkt» (so der Ratschlag, den Diana von der Mutter der heutigen Queen erhalten haben soll), wird sie als fade und töricht beschrieben. Katie weiss angeblich nicht, was die gebildete junge Frau von heute ausmacht. Das ist nun einmal ihr Dilemma – und das einer Monarchie im Übergang von einer Ära der Ehrerbietigkeit in eine Zeit, in der sich anhaltender Respekt mit einem zunehmend kritischen Blick auf die Angehörigen der königlichen Familie mischt.

Das «Bürgerliche» ist das Produkt eines exklusiven Schulsystems

Diana beschrieb sich einst bitter als «ordentliches Produkt, das im Regal liegt und sich gut verkauft». Kate wuchs in den Achtzigerjahren auf, als die Verehrung Dianas erste groteske Blüten trieb, und kennt die Fallstricke dieser Situation nur zu gut. Aber bleiben wir ehrlich: Kate als normal abzustempeln, würde die Sachlage verkennen. Die «Bürgerliche», die William geheiratet hat, ist de facto das Produkt eines exklusiven Privatschulsystems und eines wohlhabenden Elternhauses. Ihren Abschluss machte sie am Marlborough College, einem Internat, das schon immer in der Gunst des unbedarften Nachwuchses begüterter Familien stand. Kate glänzte in Kunst und Hockey – Fächer, die wohl kaum eine Bedrohung darstellen für ein Königshaus, in dem intellektuelle Fähigkeiten nicht gerade goutiert werden.

Die Middletons sind ein Musterbeispiel für sozialen Aufstieg: eine Erfahrung, die den Windsors notgedrungen fehlt. Zur Regierungszeit von Queen Victoria waren die Vorfahren von Kates Mutter Carole Handwerker und Hausangestellte. Carole selber arbeitete eine Zeit lang als Flight Attendant. Entscheidend ist, ihre Eltern sind mit einem Familienunternehmen zu Geld gekommen und leben ausserhalb von London in einem County von Buckinghamshire, wo das Hauptverkehrsmittel ein Range Rover ist und die Nachbarn gut situierte Langweiler sind.

Zwischen Blaublütern und Hochwohlgeborenen

Aus diesem Milieu ist Kate Middleton in Kreise geraten, in denen praktisch jeder einem sagen kann, was die Vorfahren kurz nach der normannischen Eroberung getrieben haben. Bei ihrer Hochzeit bin ich in Westminster Abbey von den billigen Plätzen zu den vorderen Sitzbänken geschlendert. Es gab eng geschlossene Reihen für die Spencer-Familie (Dianas Clan), die Lowther-Pinkertons (langjährige Freunde des Königshauses) und die versippten und verschwägerten Hochwohlgeborenen, kurz BBBs genannt (blaues Blut und blond). Ich ahnte erstmals die Last der Geschichte und der Vernetztheit, mit der Kate es zu tun hat.

Auf der anderen Seite sassen die wie aus dem Ei gepellten Middletons; Kates kleine Schwester Pippa in ihrem pobetonten Kleid, das die Paparazzi so entzückte, ihre gewissenhaft gekleidete Mutter sowie die Truppe gross gewachsener fröhlicher Tanten, die einander zuwinkten.

Kate ist der Spagat gelungen, in der eigenen Familie verwurzelt zu bleiben, als sie dem Königshaus aufgepfropft wurde. Das erste Weihnachtsfest im Stand der Ehe verbrachte das Paar bei den Middletons und nicht wie üblich bei der Queen. Zum Teil wurde das damit begründet, dass Kate schwangerschaftsbedingt an Übelkeit litt. Trotzdem war es aufschlussreich, dass William und sie sich in einer anstrengenden Zeit zu ihren Eltern zurückzogen. Er redet ihren Vater mit «Dad» an, und es heisst, die beiden trinken gern ein Glas Whisky am Kamin – eine Vertrautheit, die William mit seinem Vater nie erlebt hat. «In vielerlei Hinsicht ist William ein Middleton geworden, so wie Kate eine Windsor geworden ist», schreibt Catherine Ostler, eine ehemalige Redaktorin des Gesellschaftsblatts «Tatler».

Das Stil-Äquivalent eines VW Golf

Kates Job besteht jedoch darin, die Windsors zu repräsentieren – und das heisst, sich in Schale zu werfen, vornehm zu schweigen und einen guten Eindruck zu machen. Die ersten Begegnungen der Modebranche mit Kate waren alles andere als vielversprechend. Als sie schon mit William zusammen war, hatte sie eine Teilzeitstelle als Assistenz-Einkäuferin bei Jigsaw, einem untadeligen Modelabel im mittleren Preissegment, und trug dessen Uniform aus kurzen Tweedjupes, blickdichten Strumpfhosen und klobigen Stiefeln – das Stil-Äquivalent eines VW Golf.

Erst die Londoner Designerin Daniella Helayel, die das Label Issa führt, entdeckte Kates Potenzial. Sie konzipierte für Kate schlichte, aber stilvolle Alltagskleider in Weiss, Schwarz und Rot, die ihre langen dunklen Locken zur Geltung bringen, und farbenprächtige Jersey-Abendkleider, die die leichte Asymmetrie eines langen Oberkörpers und verhältnismässig kurzer Beine durch hoch taillierte Schnitte kaschieren. Für ihre frühe Loyalität wurde Helayel belohnt, indem sie Kates königsblaues Verlobungskleid entwerfen durfte – ein Kontrast zu den Zeiten steifer formeller Kleidung. Kate prägte den Massentrend neutraler Strümpfe und hochhackiger Schuhe in Beige. Das sind unauffällige Zeichen der Bodenhaftung in einer denkbar unalltäglichen Situation, aber sie spielen eine Rolle – gerade in Zeiten der Rezession. Tausende von Zeitschriftenartikeln sind schon darüber verfasst worden, wie man mit knappem Budget Kates Frisur oder ihr Make-up hinbekommt.

Wochen vor der Hochzeit tobten die Diademkriege hinter den Kulissen

Als es um Kate Middletons Hochzeitsausstattung ging, mobilisierte Camilla, Prince Charles’ zweite Frau, dann aber ihre Freunde, um dafür zu sorgen, dass Kate nicht den von ihr selbst bevorzugten schlichten Blumenschmuck trug, sondern eines der Diademe der Windsors, die Cartier 1936 für die Mutter der heutigen Queen geschaffen hatte. Wochenlang tobten hinter den Kulissen die Diademkriege – und weckten Erinnerungen daran, wie Princess Diana darauf beharrt hatte, die Juwelen ihrer Familie zu tragen. Ein schlechtes Omen, wie sich herausstellte.

Aus all dem lassen sich zwei Lehren ziehen. Erstens gehen Moderne und Monarchie eine Mesalliance ein, und wer sich mit der «Firma» einlässt, wie sich die Windsors scherzhaft nennen, sollte sich auf Spannungen zwischen diesen beiden Polen gefasst machen. Zweitens ist Diana, die von Kate als Inspiration bezeichnet wurde, eine allgegenwärtige Erinnerung, was William noch herausstrich, als er der Zukünftigen den mit Saphiren und Diamanten besetzten Verlobungsring seiner Mutter schenkte. Die Kolumnistin Allison Pearson schrieb: «Niemand ist so dumm, auch diesmal das Wort Märchen in den Mund zu nehmen.» Als William und Kate im Frühling 2011 heirateten, hätten Charles und Diana ihren dreissigsten Hochzeitstag feiern können, wenn die Ehe nicht kurz vor Dianas Tod in einer bitteren Scheidung auseinandergegangen wäre.

«Sie ist nicht Kate Moss. Sie ist Kate Middleton»

Bei diesem Paar zweifelt niemand an der Wärme der Beziehung. Sie nennt ihn ihren «wunderbaren William» und erteilt allen Gerüchten, es handle sich in Wahrheit um die Schwärmereien eines Teenagers, eine Abfuhr. Auf die Frage, ob sie damals im Internat wirklich ein Poster von William an der Wand hängen hatte, antwortete sie: «Nein, das war der Typ aus der Levi’s-Werbung.»

Nicht das Privatleben des Paars, wohl aber die zunehmenden Einschränkungen von Kates persönlicher Freiheit könnten für Spannungen sorgen. Vor Augen geführt wurde das im letzten Sommer, als ein Paparazzo sie in Frankreich beim Sonnenbaden oben ohne fotografierte. Der Buckingham Palace unterband sofort die Veröffentlichung der Aufnahmen in Grossbritannien. Der Vorfall brachte ihr aber die ersten harschen Rüffel seitens der Presse ein: «Sie ist nicht Kate Moss. Sie ist Kate Middleton. Von unserer zukünftigen Königin müssen wir etwas mehr gesunden Menschenverstand erwarten», rügte die Zeitschrift «Majesty».

Als Kate zur Königsfamilie stiess, musste eine neue Hierarchie etabliert werden

Solche Katastrophen lassen sich unter anderem vermeiden, indem man sich mit immer mehr Leuten umgibt, die die neue Lebensweise des königlichen Paars regeln. Deren Zahl beschränkte sich noch auf ein Minimum, als Kate und William ihre Freizeit in einem stillen Landhaus in Wales verbrachten, wohin sie sich zurückzogen, wenn er von seinen Einsätzen als Rettungsflieger der Luftwaffe zurückkam. Dieser Arbeit geht er zwar weiterhin nach, aber so langsam macht sich die königliche Erbfolge bemerkbar. Mit über sechzig Jahren übernimmt sein Vater Charles immer mehr öffentliche Auftritte der alternden Queen. Gleichzeitig tritt William allmählich in die Fussstapfen des Vaters, während Kate vermehrt Aufgaben der Kategorie Wohlfahrtsveranstaltungen eröffnen ausübt.

Mittlerweile hat sie sich einen professionellen Garderobier zugelegt, ein ehemaliger Botschafter unterstützt sie in Protokollfragen, und sie hat ihre eigene Stylistin. Was Letzteres betrifft, ist es aufschlussreich, dass sie sich für eine junge berufstätige Frau entschied: Rebecca Deacon, die Tochter einer Vikarin, die vorher im Verlagswesen arbeitete – und nicht für eine der vielen Hochwohlgeborenen, die von alters her die Hofdamen stellen.

Als Kate Middleton zur Königsfamilie stiess, musste eine neue Hierarchie etabliert werden. Dazu gehörte auch die Anweisung an Kate, vor Camilla und ihren royalen Cousinen einen Hofknicks zu machen. Falls sie sich darüber ärgern sollte, lässt sie es sich nicht anmerken. In Palast-Angelegenheiten gewinnt sie einem Insider zufolge die Hälfte der Schlachten «mit ihrem Charme, indem sie William und seine Crew ins Spiel bringt oder indem sie Camilla, die ein harter Brocken sein kann, Honig um den Mund streicht».

Ein angenehmes Anhängsel des Windsor-Clan

Selbst dem Thronfolgerpaar ist es aber nicht gelungen, britische Bauarbeiter auf Trab zu bringen. Im Kensington Palace wird Apartment 1A (in Wahrheit ein vierstöckiges Haus) renoviert, damit die beiden nach der Geburt ihres Kindes dort einziehen können. Die Arbeiten haben sich verzögert, weil Asbest gefunden wurde. Der Palast soll ein bisschen heruntergekommen sein, da er seit dem Tod von Princess Margaret 2002 leer stand.

Die baldige Ankunft des Babys bedeutet, dass die Herausforderungen für Kate, ihre Rolle zu definieren, aufgeschoben, aber nicht gelöst worden sind. So kommen beispielsweise ihre Kenntnisse in Kunstgeschichte kaum je zum Tragen – das war ihr Studienfach, also ein Gebiet, auf dem sie sich kompetent und selbstbewusst äussern könnte. Befürchtungen, sie würde mit Prince Charles aneinandergeraten, der in Architekturfragen bekanntlich ein Hüter des kulturellen Erbes ist, haben sich bis dato nicht bewahrheitet.

Als ein BBC-Programm die einflussreichsten Frauen Grossbritanniens auflistete, schaffte es Princess Kate nicht einmal unter die ersten hundert. Obwohl sie ein angenehmes Anhängsel des Windsor-Clans ist, lassen sich jene, die mehr Zeit mit ihr verbracht haben, schon mal zu einem «eher langweilig» hinreissen. Vielleicht ist sie schüchtern oder fürchtet sich davor, den Eindruck zu erwecken, sie buhle um Aufmerksamkeit, aber sie schaut den Journalisten, die ihre öffentlichen Auftritte begleiten, nie in die Augen. Das schafft eine leicht gespenstische Distanziertheit.

Tradition und Ungezwungenheit werden den Rest ihres Lebens miteinander im Clinch liegen. Vor der Hochzeit liess der Palast verlauten, sie heisse künftig Catherine, Duchess of Cambridge. Auf dem Pergament der Annalen des Buckingham Palace mag das so geschrieben stehen, aber für uns Normalsterbliche ist sie immer noch Kate. Das ist schon mal ein kleiner Sieg für einen Newcomer in der ältesten Firma des Landes.

 

Anne McElvoy ist Redaktorin bei der britischen Zeitschrift «The Economist» und moderiert auf BBC Radio das Kulturmagazin «Night Waves» — Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach

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An der Wärme der Beziehung zweifelt niemand: Kate nennt ihn den «wunderbaren William».

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