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Karrieretipp vom Profi: Frauen, nutzt das Momentum!
- Text: Sven Broder
- Bild: Carole Bethuel/Netflix
Die Zeiten, um als junge Frau beruflich abzuheben, waren noch nie so gut wie jetzt, findet Regula Bührer Fecker. Die Initiative #frauenarbeit soll den nötigen Schub verleihen.
annabelle: Punkto Gleichstellung hat die Schweiz zweifellos noch einiges aufzuholen. Andererseits setzen viele Firmen momentan explizit auf ihre weiblichen Nachwuchskräfte. Sprich: Frau, die Karriere machen will, hat gerade die besten Karten, nicht?
Regula Bührer Fecker: Das haben Sie recht. In Firmen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich der Diversität und der Gleichstellung verpflichtet fühlen, stehen Frauen viele Türen offen. Deshalb rate ich auch allen: Nutzt das Momentum! Traut euch! Und vor allem: Traut es euch zu! Wenn wir den Wandel jetzt nicht angehen und versuchen, uns in der Geschäftswelt zu behaupten, wann dann?
Etwas ketzerisch gefragt: Warum braucht es denn noch so etwas wie Ihre Initiative #frauenarbeit?
Wir richten uns explizit an junge Frauen, die beruflich Gas geben wollen. Doch anders als bei Männern fehlen ihnen Ratgeber, Medien, Clubs und Plattformen, die sie beim Berufsstart unterstützen. Darum haben wir die Initiative #frauenarbeit gegründet, die online und auf Social Media stattfindet, Events und Programme wie Coaching-Weekends anbietet, die gratis sind und allen offenstehen. #frauenarbeit ist heute die grösste Berufs-Community für junge Frauen in der Schweiz; das zeigt das Bedürfnis.
Ist die Karriere also das primäre Ziel?
Nein, gar nicht. Es geht in erster Linie darum, jungen Frauen dabei zu helfen, einen guten Karrierestart zu haben. Und da ist die Zeit zwischen 20 und 30 entscheidend. Wer hier weiterkommt, bekommt Lust auf die Arbeitswelt. Doch nicht immer geht es in diesem Alter gleich steil aufwärts; finanziell und karrieretechnisch. Doch bevor junge Frauen desillusioniert und entmutigt den Bettel hinwerfen, wollen wir sie stärken, sie vernetzen und ihnen Skills an die Hand geben, die ihnen helfen, auf ihrem Weg voranzukommen – oder mutig und selbstbewusst einen neuen Weg einzuschlagen.
Verharren Frauen zu oft in einer Opferrolle?
Gemäss der kürzlich erschienenen annabelle-Studie sind 75 Prozent der 25- bis 34-jährigen Frauen der Meinung, dass die Gleichberechtigung in der Schweiz in der Arbeitswelt nicht umgesetzt ist. Dies einfach als Grundgefühl. Entsprechend findet die Mehrheit der Frauen, die auf unserer Plattform sind, dass Lohngleichheit, Vereinbarkeit und faire Karrierechancen sofort anzugehen und zu priorisieren sind. Das unterstütze ich voll. Doch mit Lamentieren und Protestieren allein bleiben wir nur in der Frauenbubble und kommen nicht weiter.
Was ist stattdessen gefragt?
Ich sehe es als eine Aufgabe von #frauenarbeit, dass wir Frauen fördern: durch unseren Content, Tipps, Tricks. Aber auch indem wir Begegnungen mit Vorbildern wie Ikea-Chefin Jessica Anderen oder McDonald’s Chefin Aglae Strachwitz ermöglichen und Gelegenheiten schaffen, von deren Weg zu lernen. Mir ist es wichtig, dass junge Frauen sehen und erleben, dass sie nicht einfach den männlichen Weg imitieren müssen, um Erfolg zu haben. Dass sie checken, dass Frausein ein Vorteil ist, kein Nachteil.
Wie finanziert sich die Initiative?
#frauenarbeit ist ein schlecht finanziertes Herzensprojekt. Wir haben drei Geldquellen: erstens die Autoreneinnahmen meines gleichnamigen Buches, zweitens Kleinspenden von Nutzerinnen unserer Plattform und drittens ab und zu eine Zuwendung eines Unternehmens. Es ist uns wichtig, dass unsere Inhalte und Angebote gratis sind und allen offenstehen, egal, was der Background einer Frau ist. Deshalb: Ja, wir suchen aktuell nach weiteren Unterstützern und Unterstützerinnen.
Regula Bührer Fecker«Junge Frauen wissen oft sehr genau, was sie nicht wollen, aber nicht unbedingt, was sie wirklich wollen»
Sie sind Gründungspartnerin bei der Werbeagentur Rod, also auch Arbeitgeberin. Wo orten Sie bei Berufseinsteigerinnen am meisten Nachholbedarf?
Zwei Dinge: erstens, dass sich viele junge Frauen wahnsinnig gut vermarkten können, hinter der Fassade aber oft eine grosse Unsicherheit schlummert. Manchmal denke ich: ein bisschen weniger die Fassade polieren, ein bisschen mehr an sich und seinen Grundlagen arbeiten, ein bisschen mehr an sich glauben, würde vielen guttun. Zweitens: Junge Frauen wissen oft sehr genau, was sie nicht wollen, aber nicht unbedingt, was sie wirklich wollen. Hier plädiere ich fürs berufliche Ausprobieren und dafür, eine Leidenschaft zu finden und sich mit Haut und Haaren in diese zu stürzen.
Sie selber sind 43 Jahre alt, Mutter, Unternehmerin, zweifache Werberin des Jahres; wie haben Sie das alles auf die Reihe bekommen?
Wenn ich etwas mache, dann voll und ganz. So war ich als Mädchen im Sport. Und so war ich auch als junge Werberin. Zudem hatte ich immer das Glück, Menschen um mich zu haben, die mir halfen und mir Chancen gaben, mich als Strategin zu entwickeln. Und ich hatte den nötigen Mut, jung ins Ausland zu gehen, ein gutes Timing bei der Firmengründung und tolle Partner.
Aber auch bei Ihnen galt – so abgedroschen es klingen mag: Von nichts kommt nichts.
Genau. Ich erinnere mich gut daran, wie ich als junge Werberin eines Samstagmorgens um 6 Uhr auf dem Heimweg vom Büro war und an der Langstrasse auf Kollegen traf, die zur gleichen Zeit aus dem Club kamen. Ich sage nicht, dass solche Nachtschichten gesund sind. Oder dass sie der einzige Weg nach oben sind. Aber die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass im beruflichen Werdegang auch mal ein Extra-Effort zu leisten ist. Das ist zwar uncool, aber muss gesagt werden: Ohne persönliches Investment ist im Job wahrscheinlich auch nichts Aussergewöhnliches zu reissen.
Aber «the future is female», richtig?
Na, hoffen wir mal, dass sie zumindest ein gutes Stück weiblicher sein wird. Denn ich habe ja eine Tochter, der ich wünsche, dass sie alles sein kann, was sie will. Ich habe aber auch einen Sohn, dem ich genau das Gleiche wünsche. Vor allem, dass es morgen auch für ihn noch ein gutes Plätzchen in dieser Welt gibt. Also lieber: «the future is equal».
Regula Bührer Fecker (43) ist Werberin, Buchautorin und Mitbegründerin der Initiative #frauenarbeit
Coaching-Weekend am 5. und 6. Juni in Zürich – kann man nicht kaufen, nur gewinnen! Infos und Teilnahmebedingungen: frauenarbeit.ch