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Und jetzt alle zusammen: Ausfluss ist normal!

Und jetzt alle zusammen: Ausfluss ist normal!

  • Text: Sara Lisa Schäubli; Bild: Stocksy/Sergey Filimonov

Ausfluss ist schleimig und eklig – so denken viele. Doch steht dem Körpertabu endlich ein Imagewandel bevor?

«Wenn ihr keine Vagina habt, werdet ihr gleich ziemlich verwirrt sein», sagt die junge Frau auf Englisch. Daraufhin hält sie mehrere saubere Slips in die Kamera. Im Schritt sind alle hell verfärbt. «Wie macht die Vagina das?», fragt sie ungläubig.  Das TikTok-Video der amerikanischen Studentin ging im September viral. In den fast 30’000 Kommentaren drücken viele Erleichterung darüber aus, dass sie mit ihrem hellen Fleck in der Unterwäsche nicht alleine sind.

Gynäkologin Dr. med. Regina Widmer bestätigt: Alles ganz normal. Das Vaginalmilieu sei aufgrund von Michsäurebakterien sauer. Mit einem Ph-Wert zwischen knapp vier und 4,5 besitze Ausfluss also tatsächlich die Fähigkeit, Stoff zu bleichen.

Farbe, Textur und Menge varriieren

Aber was landet da eigentlich genau in der Unterhose? Der Begriff Ausfluss bezeichnet die Kombination aus dem weisslichen Vaginalinhalt sowie dem durchsichtigen Zervixschleim. Je nach Zeitpunkt im Zyklus variieren Farbe und Textur des Ausflusses. Die Menge ist je nach Person individuell.

Zutat eins: Der Zervixschleim wird im Gebärmutterhals (Zervix) von Schleimdrüsen gebildet. Er verschliesst den Muttermund als zähen Schleimpfropf und schützt so die Gebärmutter vor Bakterien. Nur während den fruchtbaren Tagen rund um den Eisprung wird er fadenziehend oder «spinnbar», wie die Fachleute dazu sagen. Er gleicht dann dem Eiweiss eines rohen Eis. Der durchsichtige Zervixschleim ist im Gegensatz zum sauren Vaginalmilieu basisch, lockt dadurch die Spermien an und hilft ihnen auf ihrem Weg zum Ei.

Schutz vor Infektionen

Zutat zwei: Wie die Haut überall sonst am Körper erneuert sich auch die Schleimhaut in der Vagina. Abgestorbene Hautzellen vermischt mit Körperwasser und Bakterien ergeben den weisslich-milchigen Vaginalinhalt. Durch die Milchsäurebakterien ist er sauer und schützt vor Infektionen.

Wer sich mit Slipeinlagen wohler fühlt, dem rät Dr. med. Regina Widmer zu einer ohne Plastik, ungebleicht und nicht anderweitig behandelt. Oder ganz pragmatisch: Tagsüber die Unterhose wechseln.

Das schlechte Körpergefühl

Daran, dass wir Ausfluss problematisieren, ist laut Widmer unser anerzogenes schlechtes Körpergefühl schuld. Viele wachsen damit auf, gar nicht erst über «das da unten» zu sprechen, geschweige denn es sich anzuschauen. Das prägt unser Selbstbild. «Sehr, sehr selten treffe ich auf eine Frau, die sagt: ‘Wow, habe ich eine tolle Vulva!’ Die meisten finden ihr Geschlechtsteil nicht so schön.» Dr. med. Regina Widmer plädiert für ein gutes Verhältnis zu den eigenen Körpersäften: «Feucht sein bedeutet doch, im Fluss, im Saft zu sein!»

Linda Bär ist Sexualpädagogin und -beraterin und hört in ihrem Alltag von jungen Menschen immer wieder, dass sie sich vor den eigenen Geschlechtsteilen – und dem, was da rauskommt – ekeln. «Das ist nicht nur auf den Ausfluss beschränkt, aber schliesst ihn auf jeden Fall mit ein», sagt sie. Sie behilft sich dann jeweils mit Vergleichen zu anderen Körperöffnungen: «Wie der Mund besteht auch die Vagina aus Schleimhaut und muss feucht bleiben. Oftmals kann ich mit dem Vergleich verständlich erklären, dass Ausfluss normal ist.»

«Wenn wir über Dinge reden, normalisieren wir sie»

Wie kann man Ekel und Scham am besten entgegenwirken? Eine Frage, die sich Linda Bär regelmässig stellt. «Was schlussendlich zählt ist, dass wir offen über Körper und Sex reden. Denn wenn wir über Dinge reden, normalisieren wir sie.»

Die 21-jährige TikTok-Nutzerin Alyssa Cochran-Caggiano hat mit ihrem Video auf einen Schlag viele Menschen zum Thema Ausfluss sensibilisiert. In unseren Breitengraden tun das zum Beispiel Gynäkologinnen in Podcasts wie dem «Gyncast» oder «Clitoria’s Secret».

Und auch sonst sind vermeintliche Körpertabus in der Öffentlichkeit immer mehr  Thema – zum Beispiel durch junge Aktivist*innen, die sich weltweit für die Abschaffung der sogenannten Pink Tax einsetzen oder Cardi B und Megan Thee Stallion, in deren Megahit «WAP» es ums Feuchtwerden geht. Man kann also hoffen, dass sich die Sichtbarkeit des Themas nach und nach positiv auf das weibliche Körpergefühl auswirken wird. Wenn man allerdings bedenkt, wie gross das Entsetzen über «WAP» war, wissen wir, wie viel Arbeit noch vor uns liegt.