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«Irgendwann werden wir genug von Influencern haben»

Leben

«Irgendwann werden wir genug von Influencern haben»

  • Text: Leandra Nef; Fotos: Instagram.com/pernilleteisbæk

Chinesische Musikvideo-Apps, virtuelle Konkurrenz und die Queen als Arbeitgeberin – wir haben mit Pernille Teisbæk, dänische Influencerin und Gründerin der Influencer-Marketingagentur Social Zoo, über die Zukunftsaussichten für ihre Spezies gesprochen.

annabelle: Pernille Teisbæk, was, wenn Instagram morgen für immer offline ginge?
Pernille Teisbæk: Oh, das wäre eine riesige Erleich­ terung (lacht). Nein, im Ernst: Davor habe ich keine Angst. Es würde innerhalb weniger Tage eine neue Plattform auftauchen.

Vielleicht schaufelt sich Instagram tatsächlich gerade das eigene Grab – die Plattform will die genaue Anzahl Likes verbergen, die ein Bild generiert. Wie wird sich dieser Entscheid auf die Influencer auswirken?
Im Moment kaufen sich viele Influencer Follower, Likes und Kommentare, was man ihnen nur mühsam nachweisen kann. Das ist unfair gegenüber jenen, die versuchen, organisch zu wachsen. Werden die Likes nicht mehr gezählt, ist es weniger interessant, sie zu kaufen. Ausserdem würde es endlich wieder darum gehen, richtig guten Content zu kreieren anstatt nur den, der viele Likes generiert.

Mit Ihrer Agentur Social Zoo beraten Sie auch Unternehmen im Influencer­Marketing. Brauchen die die Likes nicht als Massstab für den Erfolg ihrer Social­Media­Kampagnen?
Es kommt darauf an, wie oft sich ein Produkt dank einer Social­Media­Kampagne verkauft, nicht darauf, wie viele Likes das Kampagnenbild generiert. Junge Follower liken mehr als ältere, können sich aber kaum die beworbene Gucci­Tasche leisten. Ein Unternehmen muss bei der Auswahl der Influencer auch in Zukunft auf die passende Zielgruppe achten.

Letzten Herbst waren Sie das Gesicht einer klas­ sischen Mango­Kampagne, die auch auf Social Media lief. Hätte die Kampagne nach einer Beratung durch Ihre Agentur anders ausgesehen?
Mango war sehr offen für die Meinungen und Ideen der Frauen, mit denen sie gearbeitet haben, und tat somit genau das, was auch wir ihnen raten würden. Ich durfte beispielsweise mitbestimmen, welche Kleider wir an welchen Orten meiner Heimatstadt Kopenhagen fotografieren.

Und das soll für die erfolgreiche Social­Media­ Kampagne der Zukunft reichen?
In Zukunft wird man den Influencerinnen definitiv mehr kreative Freiheit lassen. Zu Beginn meiner Karriere mussten wir alle den gleichen langweiligen Mantel vor der gleichen langweiligen Wand präsentie­ren. Das hat uns austauschbar gemacht. Wenn ein Brand ein Mädchen bucht, sollte er ihm die Freiheit schenken, den Content zu kreieren, der zu seinem Universum passt. Darum bucht man doch all diese kreativen Girls, oder?

Wie stark werden computergenerierte Influencer wie Lil Miquela die realen künftig konkurrenzieren?
Natürlich sind die virtuellen Influencer gerade inter­ essant, weil sie neu sind. Aber ich denke nicht, dass sie echten Influencern langfristig gefährlich werden. Menschen und auch Brands mögen es persönlich.

Wenn ich in den 2020er­Jahren als Influencerin durchstarten möchte – auf welches soziale Netzwerk setze ich?
Das ist die grosse Frage – vielleicht taucht bald ein neues auf. Was man mit Sicherheit sagen kann: Videoinhalte werden immer wichtiger. Menschen wollen die Realität sehen, keine statischen, perfekt bearbeiteten Bilder. Die werden zwar nicht ver­ schwinden, aber wenn man in die USA oder nach Asien schaut, dreht sich alles um Videos und Musikvideos – bei Youtube, Tiktok und immer mehr auch bei Instagram.

Es wäre also digitaler Selbstmord, die chinesische Musikvideo­App Tiktok zu ignorieren?
Das Video­ portal, auf dem man Musikclips mit Lippensynchro­ nisationen und eigenen Choreografien dreht, hat 2019 über 700 Millionen Downloads erzielt. Nein, ich glaube, es geht auch ohne. Ich kenne nicht viele junge Frauen in Europa, die einen Tiktok­ Account haben. Und wenn, dann sind sie sehr jung, sieben oder acht Jahre alt. Oder würden Sie etwa den ganzen Tag Musikvideos von sich machen wollen?

Nein, tatsächlich nicht. Sie hingegen haben einen Account.
Stimmt. Ich wollte es ausprobieren. Viele glauben ja, Tiktok sei das nächste grosse Ding. Ich persönlich habe etwas Mühe, mit der App warm zu werden. Aber sie hat es geschafft, die junge Generation zu begeistern. Nun muss sie sich so entwickeln, dass sie auch Erwachsene anspricht, etwa, indem man mehr als nur Musikvideos mit ihr kreieren kann.

Welche Bedürfnisse muss ein soziales Netzwerk befriedigen, um in den 2020ern bestehen zu können?
Eine Plattform, in der man gedrehte Videos gleich bearbeiten könnte, wäre interessant – mit richtig vielen Features. Ausserdem warten wir alle darauf, dass die unterschiedlichen Plattformen durchlässig werden, sodass man Content nur einmal kreieren muss und dann überall hochladen kann. Influencen ist zeitaufwendig.

Auch Livestreams werden wohl immer wichtiger. Der chinesische Influencer Li Jiaqi hat dank eines Livestreams auf der chinesischen Plattform Taobao innert weniger Minuten 15 000 Lippenstifte verkauft. Traditionelle Kanäle wie Blogs hingegen scheinen zu verschwinden. Sie haben Ihren schon vor Jahren aufgegeben.
Solange sie interessant sind und eine Nische bedienen – sich etwa ausschliesslich mit Smoothies befassen oder mit glutenfreiem Essen –, wird es sie noch Jahre geben. Allgemeinplätze werden verschwinden.

Hat die Influencer­Ära ein Ablaufdatum?
Irgendwann werden wir genug von Influencern haben, die Bilder von sich selbst bei Instagram hoch­laden. Menschen mit dieser ganz speziellen Aura hingegen, die superkreativ sind und damit die Leute um sich herum inspirieren, die wird es immer geben. Schauen Sie sich Virgil Abloh an. Er hat ein Impe­rium erschaffen. Er hat für Ikea designt, obwohl er keine Ausbildung als Interior Designer hat. Sowieso scheint jeder Kreativschaffende gerade alles zu machen: Die Fotografin wird zur Stylistin, die Set­ Designerin zur Social­Media­Expertin – zum Beispiel für die Queen, die eben erst eine solche gesucht hat.

Verraten Sie uns zum Schluss, wie es mit der Influencer­-Zukunft Ihrer Kinder aussieht. Noch haben Sie sich die Instagram­Namen der Kleinen nicht gesichert.
(lacht) Darüber habe ich tatsächlich noch nie nach­ gedacht. Jetzt, wo Sie es sagen … Aber nein, ich finde, Billy und Bobby sollten Social Media erst nutzen, wenn sie alt genug sind, eigene Profile zu erstellen. Und vielleicht spielen sie später lieber Fussball, als den ganzen Tag auf Instagram rumzuhängen.

 

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