Die gebürtige Kanadierin Tara Jarmon hat in den vergangenen 30 Jahren ein Mode-Imperium mit 50 eigenen Boutiquen und über 500 Verkaufspunkten geschaffen. Die 54-Jährige lebt in Paris und spricht über das neue Gefühl ihrer Generation und über das schlechte Gewissen einer Firmengründerin und Mutter von drei Kindern.
annabelle.ch: Sie feiern dieses Jahr das 30-Jahr-Jubiläum Ihrer Marke Tara Jarmon. Wie hat sich die Marke über die Jahre verändert?
TARA JARMON: Wir sind vor allem zu einem grossen Unternehmen geworden. Im ersten Jahr nach der Gründung war ich ganz allein – mit meinem damaligen Ehemann und Geschäftspartner David Jarmon. Die Kollektion bestand nur auch sechs Teilen: ausschliesslich Bürocostumes und Hosenanzüge. Richtig expandiert haben wir in den 90er-Jahren. Heute sind wir international mit eigenen Boutiquen und Verkaufscornern präsent, und im Kreativstudio arbeiten 15 Personen.
Was hat Sie damals dazu bewegt, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen?
1986 war ich gerade 24 Jahre alt und hatte mein Studium in Politikwissenschaft abgeschlossen. Ich suchte damals einen geeigneten Look für meine Vorstellungstermine. Da ich in den Boutiquen nichts gefunden habe, das mir gefiel, habe ich beschlossen, mein eigenes Label für Businessmode zu gründen. Ich sagte mir: Das ist eine Marktlücke, meine Idee wird funktionieren. So einfach war das. Angst vor dem Risiko, die den Schritt in die Selbstständigkeit begleiten kann, hatte ich nie. Ich war überzeugt, dass ich Erfolg haben werde. Ich war jung und voller Tatendrang, und ich denke, das geht auch auf meine Erziehung zurück. In Kanada ist die Gründung einer Firma nichts Besonderes, sondern fast Normalität.
Welche Mode sucht die berufstätige Frau heute?
Die meisten Frauen, die beispielsweise in der Finanzwelt arbeiten, suchen einen Hosenanzug, da sie sich oft als einzige Frau dem professionellen Umfeld anpassen möchten, um sich wohlzufühlen. Ich finde das schade, schliesslich ist eine berufstätige Frau heute keine Ausnahmeerscheinung mehr. Persönlich trage ich meistens Kleider oder Jupes, deshalb ist es mir wichtig, auch Businesscostumes und Kleider für die Businessfrau in den Kollektionen zu haben.
Sie unterhalten ein eigenes Atelier am Hauptsitz im 10. Arrondissement in Paris. Hier entstehen alle Ihre Prototypen und exklusiven Prints. Solche Ateliers findet man sonst eigentlich nur in Couture-Häusern. Ist das rentabel für eine Marke, die Mode im mittleren Preissegment anbietet?
Der Schnitt und die Form eines Kleidungsstücks sind mir sehr wichtig. Wir ersparen uns viele Arbeitsprozesse in der Anpassung der Modelle, da wir in-house entwerfen und die Modelle bei der Entstehung von der Skizze bis zum fertigen Modell selber begleiten. Natürlich ist auch bei uns die Kostenoptimierung ein ständiges Thema, aber nur so entspricht das Resultat unseren Vorstellungen und unserem hohen Qualitätsanspruch.
Was würden Sie einer jungen Frau raten, die heute ihr eigenes Business lancieren will?
Man muss bereit sein, sich 100 Prozent hinzugeben. Das Unternehmen wird den grössten Teil des Lebens dominieren. Es gibt, zumindest in den ersten Jahren nach der Firmengründung, kaum Zeit für anderes. Ich habe selbst in den ersten Jahren auf Ferien verzichtet, habe viel allein gemacht, war oft abends bis spät und an den Wochenenden bei der Arbeit. Am besten holt man sich von Anfang an komplementäre Hilfe mit ins Boot. Das heisst, wenn man selbst sehr kreativ ist, sollte man mit jemandem arbeiten, der sich in finanziellen und administrativen Belangen auskennt. So kann man die Arbeitsbereiche und Kompetenzen gut aufteilen.
Sie haben drei Kinder, die 27, 25 und 22 Jahre alt sind. Wie haben Sie Firma und Familie gleichzeitig gemeistert?
Die Zeit mit meinem ersten Kind war sehr schwierig. Ich bin aufgewachsen in einer Zeit, als die Mütter noch nicht arbeiteten, ich gehöre zur ersten Generation der berufstätigen Mütter. Ein stetiger Konflikt, das schlechte Gewissen hat mich ständig begleitet. Ich versuchte dann, die Familienzeit während des Wochenendes zu kompensieren. Resultat: Ich hatte keine Zeit für mich selber. Die Firma ist sehr schnell gewachsen, und mir fehlte die Vision für das Ganze, ich habe sehr spät angefangen zu delegieren und landete deshalb ständig in komplizierten Situationen zwischen Firma und Kindern.
Sie sind 54 Jahre alt und sehen blendend aus, was ist Ihr Geheimnis?
Mit 50 fing für mich ein neues Leben an. Meine Kinder sind inzwischen ausgezogen, und ich habe nun viel mehr Zeit für meine persönlichen Aktivitäten und Interessen. Ich habe heute mehr Selbstvertrauen, Erfahrung – und mehr Geld zum Ausgeben! Man kann auch mit 50 noch gut aussehen, ich treibe viel Sport, Tennis und Pilates, und fahre nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit, sondern mit der Metro. Laut meinem Fitness-Tracker laufe ich so fünf Kilometer pro Tag. Gesund und ausgewogen zu essen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Man muss es nur den Pariserinnen nachmachen: Sie essen gesund, niemals ausserhalb der Hauptmahlzeiten und sind ständig in Bewegung. Vor kurzem habe ich etwas zum Knabbern im Büro gesucht und habe alles durchsucht, aber nichts gefunden!
Paris à la Tara: Die Lieblingsadressen der 54-Jährigen
Restaurants:
Hai Kai
104, quai de Jemmapes
haikai.fr
L’Arpège
84, rue de Varenne
alain-passard.com
Bars:
Bob’s Juice Bar
15, Rue Lucien Sampaix
bobsjuicebar.com
Blueberry Maki Bar
6, rue du Sabot
blueberrymakibar.com
Shop:
Le Bon Marché
24, rue de Sèvres
lebonmarche.com