Interview mit Keira Knightley
- Interview: Manuela Enggist; Fotos: Ascot Elite
«Can a Song Save Your Life?» Das fragt ein neuer Film mit Keira Knightley in der Hauptrolle. Im Fall der britischen Schauspielerin müsste die Antwort lauten: Nein, sicher nicht.
Ist sie wirklich so dünn, wie sie auf den Bildern aussieht? Diese Frage bekommt garantiert zu hören, wer von einem Treffen mit Keira Knightley erzählt. Ja, es ist einfach, die Schauspielerin auf ihr Gewicht zu reduzieren. Boulevardblätter tun es. Die Fachpresse zuweilen auch. Und ja, Keira Knightley wirkt in der Tat ausgesprochen dünn und zerbrechlich, als sie die edle Londoner Hotelsuite betritt. Aber auch genau so schön und so makellos, wie man sich die junge Britin vorgestellt hat.
Keira Knightley (29) ist hier, um über ihren neuen Film «Can a Song Save Your Life?» zu reden. Darin spielt sie eine junge Musikerin, die – frisch von ihrem Freund verlassen – ihr berufliches und privates Glück in New York sucht. Im Fall von Keira Knightley müsste man auf die Frage des Films antworten: Nein. Keira Knightleys Leben könnte vermutlich vieles retten, aber ein Song garantiert nicht.
Doch diese Antwort kennt man noch nicht, als Keira Knightley auf dem grossen, rosaroten Sofa Platz nimmt. Ihre Haare reichen ihr bis zur Brust. Das blaue Blumenkleid mit transparenten Ärmeln sitzt perfekt. Ein dünner Gürtel betont die Taille. Keira Knightley stützt sich mit den Händen auf beiden Seiten des Sofas ab. Fast so, als wollte sie jeden Moment wieder aufspringen. Das Kompliment für ihre gesangliche Leistung im Film erwidert sie mit einem leisen «Thank you» – nicht ohne dabei leicht das Gesicht zu verziehen. Das Lob scheint ihr unangenehm zu sein. Sie bewegt unentwegt ihre schwarzen Lackpumps, schlägt die Schuhspitzen zusammen. Keira Knightley ist offensichtlich nervös.
ANNABELLE: Keira Knightley, was bedeutet Ihnen Musik?
KEIRA KNIGHTLEY: Gar nichts. Ich höre nicht wirklich Musik, und ich kann mir sie auch nicht merken. Ich bin wirklich ein sehr unmusikalischer Mensch.
Aber auf Ihrem Smartphone haben Sie bestimmt eine persönliche Playlist?
Nein. Aber ich könnte jetzt eine erfinden. Oder ich könnte vom neuen Album meines Mannes sprechen (Ihr Mann heisst James Righton und ist Keyboarder der Klaxons, Anmerkung der Redaktion).
Wirklich keinen Lieblingssong?
Sorry. Das einzige Album, das je eine Bedeutung für mich hatte, war das erste Strokes-Album. Das war ungefähr 2003 (Das Album hiess «Is This It» und erschien 2001, Anm. der Red.). Ich war damals in Glasgow – und allein für eine lange Zeit …
Erstaunlich …
Ich finde es ja selber faszinierend, wie wenig mir Musik bedeutet, obwohl ich davon umgeben bin. Ich bin mit einem Musiker verheiratet, mein Bruder war in Bands und ist jetzt Tonmeister, meine Schwägerin ist Violinistin, und alle meine Freunde sind besessen von Musik. Nur ich nicht. Irgendwie ist das beängstigend.
Dank Ihres neuen Films spielen Sie jetzt immerhin Gitarre, oder?
Sagen wir es so: Mein Mann hat versucht, mir das Gitarrespielen beizubringen. Er hat versagt. Dass wir noch zusammen sind, ist eigentlich ein Wunder.
So schlimm?
Wir hätten uns umbringen können (lacht). Ob es wohl mal einen Mord gegeben hat mit einer Gitarre als Tatwaffe …?
Lag es an Ihrem fehlenden Talent?
Nun, ich habe schon gelernt, wie man die Lieder spielt. Aber ich konnte sie nicht spielen und gleichzeitig dazu singen. Und mein Mann hatte wirklich gar kein Verständnis dafür.
Könnten Sie sich vorstellen, Ihrem Mann das Schauspielern beizubringen?
Gott sei Dank ist er überhaupt nicht daran interessiert. Also nein!
In «Can a Song Save Your Life?» spielen Sie ja nicht nur die junge Sängerin Gretta, sondern Sie singen auch selber.
Auch das war ziemlich schwierig. Singen ist nicht meine natürliche Art zu kommunizieren oder mich auszudrücken. Wir haben im Studio viel ausprobiert – und es hat ziemlich lange gedauert. Aber letztlich haben wir es, denke ich, ziemlich gut hingekriegt.
Sie hatten ja offenbar auch keine musikalischen Vorbilder, an denen Sie sich hätten orientieren können.
Nein, aber das lag auch daran, dass die Songtexte bis zwei, drei Tage vor dem Gang ins Studio noch nicht geschrieben waren. Ich konnte also gar nicht lange daran herumstudieren.
Waren Sie schon mal mit Ihrem Mann und seiner Band auf Tour?
Ja. Und ich kann sagen, dass das eine ganze andere Lebenswelt ist als die meine. Wenn du als Band ständig in der Nacht spielst, hast du nur schon körperlich einen total anderen Zeitplan. Aber das ist nichts, was mich anzieht. Dieser legendäre Club 27 zum Beispiel. Ich dachte nie: Oh, den Rock’n’Roll leben und mit 27 sterben – was für eine tolle Vorstellung!
Aber viele junge Menschen scheint genau dies zu faszinieren. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Die Grenzerfahrung fasziniert: die Gratwanderung zwischen Licht und Schatten, Leben und Tod. So wie die Motten vom Licht angezogen werden, sind viele Leute besessen vom Rock’n’Roll-Lifestyle und von der Idee, das Leben so extrem wie nur möglich zu leben. Aber die Realität ist selten so glamourös und erstrebenswert, wie man sie sich ausmalt, oder?
Auch das Leben als Schauspielerin nicht?
Natürlich. Zumindest wenn du Karriere machen willst, musst du als Schauspielerin extrem diszipliniert sein. Du stehst um 6.30 Uhr auf und bist um zehn Uhr abends wieder zuhause – dazwischen warst du auf dem Filmset und hast neunzig Prozent der Zeit nur im Wohnwagen gewartet. Und alle sind ein bisschen kratzbürstig drauf, weil keiner genug geschlafen hat. Das ist die Realität. Aber davon will niemand etwas hören, weil es eben nicht die glamouröse Version des Schauspielerinnendaseins verkörpert.
Dass mit Maroon-5-Sänger Adam Levine ein richtiger Musiker als Filmpartner für Sie gewonnen werden konnte, sei ein Glücksgriff gewesen, sagen Sie. Warum?
Wenn du ein erfolgreicher Frontmann bist, dann hast du dieses Selbstvertrauen, um auch vor der Kamera authentisch die Rampensau zu geben. Ein Schauspieler hat dieses Selbstvertrauen nicht, weil er von Berufs wegen eher Zurückweisung gewohnt ist.
«Can a Song Save Your Life?» ist die erste romantische Komödie seit «Love Actually», in der Sie wieder mitspielen. Warum haben Sie die Rolle angenommen?
Stimmt, ich habe die letzten Jahre viele düstere Sachen gemacht. Aber es war nicht so sehr die romantische Komödie, die ich gesucht habe, sondern mehr das Hoffnungsvolle – wie damals bei «Bend It Like Beckham». So einen Film wollte ich wieder einmal machen. Aber es ist sehr schwierig, hoffnungsvolle Filme zu machen.
Ohne kitschig zu werden …
Ohne extrem kitschig zu werden.
Was mir aufgefallen ist: Der Gretta-Look im Film ist ziemlich ähnlich wie Ihr privater Look. Richtig?
Ja, das mit dem Gretta-Look ist lustig. Das kam deshalb, weil es geheissen hatte, wir dürften im Film nur Sachen aus Secondhand-Shops tragen. Aber ich passe in keine Hosen aus einem Secondhand-Shop, ausser sie sind im Vierzigerjahrestil geschnitten. Und weil das wirklich die einzigen Vintage-Hosen sind, die mir passen, trage ich die auch privat, und zwar seit Jahren. Es ist ein Look, den Männer nicht unbedingt verstehen. Aber Frauen fühlen sich davon angesprochen. Glaube ich.
Wird die öffentliche Keira Knightley generell immer mehr zu der Person, die Sie auch privat sind?
Nein, immer weniger. Wissen Sie, ich habe eine Interviewpersönlichkeit. Ihr werden die Haare und das Make-up gemacht, dazu zieht sie ein schönes Kleid an. Stehe ich nicht in der Öffentlichkeit, bin ich zu hundert Prozent jemand anderes. Man muss etwas haben, das man nur für sich selbst hat. Etwas ganz Privates. Nicht jeder erträgt es, von einem Tag auf den anderen berühmt zu sein.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Ich war damals 18 und sehr introvertiert. Ich war nicht darauf vorbereitet, es ist einfach so schnell passiert. Aber ich lebe noch. Und ich bin nicht drogensüchtig, also muss ich das irgendwie richtig gemacht haben.
Sie werden von Paparazzi belagert, es werden Dinge über Sie geschrieben …
Ich versuche es so gut wie möglich zu ignorieren. Das funktioniert manchmal nicht, meistens aber schon. Das Internet ist kein Freund von dir. Das zu wissen, ist eigentlich das Wichtigste.
— Ab 2. 10.: «Can a Song Save Your Life?» von John Carney. Mit Adam Levine, Keira Knightley und Mark Ruffalo
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Keira Knightley und Musiker Adam Levine in «Can a Song Save Your Life?»