Zeitgeist
In eigener Sache: Warum wir bei annabelle ab jetzt gendern werden
Jacqueline Krause-Blouin
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Bei der annabelle gehen wir einen Schritt weiter und verabschieden uns vom generischen Maskulinum. Ein Statement unserer Chefredaktorin Jacqueline Krause-Blouin.
Rund ein Viertel derjenigen, die annabelle lesen, ist männlich. Würdet ihr, liebe Leserinnen, euch mitgemeint fühlen, wenn ich euch mit «liebe Leser» anspräche? Und ist mitgemeint überhaupt gut genug? Denn erwiesenermassen stellen sich insbesondere Kinder nach wie vor einen Mann vor, wenn sie Worte wie Wissenschafter hören. Und ich möchte definitiv nicht, dass meine Tochter in einer Welt aufwächst, in der sie bestenfalls mitgemeint ist. Einfluss und Symbolik von Sprache haben uns in der Redaktion in den letzten Monaten umgetrieben. Gendersensible Ausdrucksweise ist ein emotionales Thema.
Klar – Sprache ist etwas Persönliches, das wichtigste Mittel, uns auszudrücken. Wir lassen uns ungern vorschreiben, wie wir zu sprechen haben. Andererseits widerspiegelt Sprache aber auch unsere Realität und sie hat die Kraft, unsere Sicht auf die Welt zu verändern. Bei annabelle waren wir deshalb stets darum bemüht, die weibliche Form zu nennen, statt sie bloss mitzudenken. Nun gehen wir noch einen Schritt weiter, indem wir uns konsequent vom sogenannten generischen Maskulinum verabschieden und – wenn angebracht – neu den gendergerechten Doppelpunkt setzen, damit künftig auch jene Leser:innen angesprochen sind, die sich keinem binären Geschlecht zugehörig fühlen.
«Wir möchten unseren Beitrag leisten»
Das ist kein aktivistischer Akt, keine Revolution. Lediglich die konsequente Fortführung unserer sonstigen Arbeit und Ausdruck unserer Idee von Inklusivität. Wir gewöhnen uns ständig an neue Ausdrucksweisen. Die Worte Handy, Selfie oder Inzidenzwert haben wir uns innert kürzester Zeit angeeignet. Wie Claudia Schmellentin Britz, eines der Mitglieder des Rats für deutsche Rechtschreibung, im Interview mit meiner Kollegin Stephanie Hess sagt: «Es ist alles im Fluss» – Sprache ist ein Prozess.
Wir werden Fehler machen und dazulernen, bilden uns nicht ein, perfekt zu sein. Aber wir möchten unseren Beitrag leisten. Schmellentin Britz empfiehlt übrigens, bei diesem hitzigen Thema «schön locker zu bleiben». Recht hat sie. In der aktuellen Ausgabe werdet ihr exakt 28 062 Wörter finden – 30 davon mit Doppelpunkt. Das sind 0.107 Prozent aller Wörter oder etwa jedes tausendste Wort. Inklusives Schreiben geht also ziemlich schmerzfrei.