Im Interview mit Pelzspezialistin Anja Essellier
- Redaktion: Silvia Binggeli, Christina Duss, Daniella Gurtner, Martina Monti, Yolanda Pantli; Modeassistenz: Stephanie Zingg
«Ein Pelz für fünf Generationen», Anja Essellier, Chefin des Zürcher Pelzfachgeschäfts A. C. Bang, über Fur, Fakefur und Qualitätsbewusstsein.
Seit fast vierzig Jahren verkauft Anja Essellier als Geschäftsführerin von A. C. Bang in Zürich wertvolle Pelz. Sie gilt über die Landesgrenzen hinaus als Expertin schlechthin. Ihre Liebe zu Fell hat sie schon früh entdeckt.
ANNABELLE: Anja Essellier, wie sind Sie auf den Pelz gekommen?
ANJA ESSELLIER: Als junges Mädchen kam ich aus Kroatien in die Schweiz, um Kunstgeschichte zu studieren. Es war im Winter 1962, der Zürichsee war gefroren. Ich stand am Bürkliplatz und dachte, diese Kälte überlebe ich nicht.
Als Studentin konnten Sie sich damals aber kaum einen Pelz leisten?
In meiner Freizeit arbeitete ich als Mannequin für eine Pelzfirma. So konnte ich mir schliesslich meine erste Silberfuchsjacke kaufen.
Was fasziniert Sie so an Pelz?
Jede Frau sieht in Pelz besser aus. Pelz verleiht eine ausgeglichene Wärme. Wenn Sie an der Tramhaltestelle zwei Frauen sehen, die eine aufrecht in einem Pelz, die andere mit hochgezogenen Schultern in einem dünnen Mänteli – welche wird Ihnen wohl auffallen?
Wie hat sich Ihre Kundschaft im Lauf der Jahre verändert?
Erst kamen die Japaner, die hier auf Geschäftsreise waren, mit den Körpermassen ihrer Frauen. Für sie mussten wir Pelze innert weniger Tage fertigen lassen. Dann kamen die Südamerikanerinnen und schliesslich die Russinnen.
In den Neunzigern lobbyierten Pelzgegner stark. Was bewirkte das?
Weltweit mussten viele Boutiquen schliessen, auch unsere Geschäfte gingen zurück.
Heute wird Pelz wieder überall auf den Laufstegen gezeigt. Warum?
Die Kundschaft ist jünger geworden, kommt auch aus wärmeren Ländern. Entsprechend leichter und stylisher ist auch das Design von Pelz. Oft sehen Sie einer Jacke gar nicht mehr an, dass sie aus teurem Pelz ist. Hier, schauen Sie, dieser Nerzmantel wiegt gerade mal anderthalb Kilo, man kann ihn beidseitig tragen und auch in den Rucksack stecken, wenn man nicht weiss, wie das Wetter wird.
Bei dem Trend ist Kunstpelz als Alternative sehr gefragt.
Ja. Aber den kann man natürlich nicht mit dem Original vergleichen. Das Material ist viel steifer. Und wärmt nicht – was ja letztlich eins der wichtigsten Verkaufsargumente für Pelz ist.
Wie kaufen Sie ein?
Einmal im Jahr, im März, findet in Mailand die Mifur statt, die weltweit grösste Pelzmesse. Eine Woche lang besuchen wir Shows und kaufen bei verschiedenen Designern ein, unter anderem bei Gianfranco Ferré und Monica Rindi.
Dann ist der Pelz bereits verarbeitet. Wie wissen Sie, woher er ursprünglich stammt?
Die Pelze werden zuvor an Auktionen versteigert. Wie bei Kunst gilt auch hier: Die beste Ware wird am teuersten gehandelt. Und wir arbeiten nur mit Topqualität. Die Leute fragen sich, warum ein Fuchsjäckli anderswo 1000 Franken kostet und bei Frau Essellier 10 000. Qualität hat ihren Preis. Das ist überall so und immer auch ein Garant für gute Haltung.
Pelz ist nach wie vor umstritten. Wie wählen Sie aus?
Wir verkaufen nur Pelz aus Zuchtfarmen. Zum Beispiel aus Dänemark, Kanada oder den USA. Diese Farmen arbeiten nach den landesüblichen Qualitätskriterien. In jedem Pelz finden Sie ein Gütesiegel, etwa von Sobol, Blackglama oder Saga, beim Verkauf wird der Kundin ein Zertifikat ausgestellt.
Hatten Sie jemals Zweifel an der Notwendigkeit von Pelz?
Nein. Obwohl ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin, von Tieren umgeben. Pelz ist eines der schönsten und beständigsten Materialien, die es gibt. Ein Pelz kann über fünf Generationen weitergegeben werden. Mein alter Silberfuchs ist immer noch in bester Form auf dem Hof meiner Eltern.