Freelance-Produzentin Brigitte Zaugg zeigte bereits 1991 Frauensolidarität, obwohl sie ihr eigentlich misstraut. Das hat sich bis heute nicht geändert – und trotzdem wird sie am Frauenstreiktag wieder auf die Strasse gehen.
Um es vorwegzunehmen: Ich bezeichne mich nicht als Feministin. Das mag daran liegen, dass ich Feminismus unweigerlich – und ungewollt – mit dem tausendfach kolportierten, unsäglichen Zerrbild von militanten Kampf-Emanzen verbinde. Eine Folge lebenslanger patriarchaler Gehirnwäsche? Vermutlich. Gleichzeitig gestehe ich, dass manche meiner Einstellungen nun wirklich nicht als klassisch feministisch gelten.
So halte ich es seit je für richtig, das Frauenrentenalter auf 65 zu erhöhen. Auch mit dem feministisch-antimilitaristischen Slogan «Frauen passen unter keinen Helm» wurde ich nie warm, denn jetzt mal ehrlich: Wieso nur Frauen? Passen etwa Männer unter einen Helm? Und mit dem grossen Wort Frauensolidarität habe ich schon seit den späten Siebzigerjahren meine liebe Mühe, seit jenem Abend, als es vor der Waschmaschine in meiner Studenten-WG zu Handgreiflichkeiten zwischen zwei Mitbewohnerinnen kam, von denen die eine immerhin eine erklärte Feministin war.
Doch trotz meiner Ambivalenz in Sachen Feminismus habe ich an jenem 14. Juni 1991 selbstverständlich gestreikt – zusammen mit 100 000 Schweizer Frauen. Der Frauensolidarität nicht zu trauen, heisst ja nicht zwingend, dass man gleich auf sie pfeifen muss, dass man sie sich nicht trotzdem irgendwo auf ein inneres Fähnchen geschrieben haben kann.
Und so kam es, dass ich damals vor meinen Dienstchef trat und ihm nach viel «ääh …» und «öhm …» und «Ich muss dir was sagen …» schliesslich zögerlich, aber unbeugsam verkündete, dass ich am folgenden Freitag nicht arbeiten würde, weil … ääh … Frauenstreik. Dass der Streiktag ein Freitag war, weiss ich deshalb noch so genau, weil ich 1991 bei einer Sonntagszeitung arbeitete, wo Freitag und Samstag stets die redaktionellen Grosskampftage waren. Entsprechend gefasst sah ich der Standpauke entgegen, die jetzt kommen musste. Und sie kam: «Gehts eigentlich noch!? Bilde dir ja nicht ein, dass wir dir diesen Tag schenken! Und über weitere Konsequenzen reden wir noch!» Die weiteren Konsequenzen sind schnell erzählt: Eine Woche nach dem Frauenstreik nahm mich der Dienstchef zur Seite. Er habe sich nun doch entschieden, mir den Tag zu schenken, sagte er – etwas gar gönnerhaft zwar, aber klang da nicht auch so etwas wie väterlicher Stolz mit? Stolz auf seine aufmüpfige Mitarbeiterin?
Tatsächlich war ich in jener männerdominierten Redaktion unter den wenigen Frauen die einzige, die am Streiktag keinen Fuss ins Büro setzte. Hätte ich geahnt, dass ich vom Dienstchef ganz ohne Bittibätti die Absolution kriege, so hätte ich im Vorfeld vielleicht meine Arbeitskolleginnen zum Mitstreiken angefeuert. Aber nur vielleicht. Denn ich bezeichnete mich ja nicht als Feministin. Zu klar schien mir, dass jede Frau selber wissen muss, was für sie gut ist, ob sie mit kämpferischen Slogans Scherereien riskieren will, sei es am Arbeitsplatz («Wenn frau will, steht alles still»), auf der Karriereleiter («Machen Sie Platz, Monsieur – nehmen Sie Platz, Madame!») oder in der Familie («Wir helfen immer den anderen, ab subito helfen wir uns selbst»).
Für mich war er gut, der Frauenstreik 1991. Es tat gut, zusammen mit so vielen Gleichgesinnten für Dinge wie Lohngleichheit auf die Strasse zu gehen. Und wie machte es doch Spass, für Gerechtigkeit zu kämpfen und im gleichen Atemzug mit einigen noch etwas Gleichgesinnteren über die allgegenwärtigen lila Luftballons zu schnöden, die mit Kampfgeist etwa so viel zu tun haben wie Tigerfinkli mit Extrembergsteigen! Doch auch für mein ganzes späteres Berufsleben war es ein guter Tag: Nie wieder habe ich danach gezaudert, einem Chef – oder auch einer Chefin – die Meinung zu sagen, wenn Werte wie Fairness auf dem Spiel standen.
Selbstverständlich werde ich auch am kommenden Frauenstreiktag auf die Strasse gehen. Mit sicher mindestens so vielen Gleichgesinnten wie einst. Die Arbeit niederlegen muss ich dafür nicht mehr. Aber Solidarität zeigen und dabei Spass haben, das kann ich auch als Rentnerin. Das innere Fähnchen flattert jedenfalls schon ganz aufgeregt.