Alle Jahre wieder: So zuverlässig wie das Christkind kommt an Weihnachten ein Fondue chinoise auf den Tisch. Unsere Autorin kann dieser Schweizer Vorliebe für gesottenes Fleisch nicht viel abgewinnen.
Es gibt ein Argument, das mir Fondue-chinoise-Verfechterinnen und -Verfechter jeweils entgegenhalten, wenn sie mich davon überzeugen wollen, wie toll das feierliche Fleischtunken eigentlich ist: «Du vergisst die feinen Sööseli, die sind das Beste daran!»
Die Sööseli, damit sind Cocktail-, Curry-, Ketchup-, Chnobli-Joghurt-, Dill-Majo- oder sonstige (Fertig-)Saucen gemeint, die in der Schweiz zum Fondue chinoise gereicht werden. Ich hasse diese Sööseli. Und mag auch Fondue chinoise nicht. Ich weiss, in der Schweiz bringt mich diese Aussage nah an den Landesverrat, aber so ist es nun mal. Und ich erkläre auch gern, weshalb:
Zuerst einmal ist Fondue chinoise eine komplette Verschwendung von gutem Fleisch. Hoffentlich hochwertiges Poulet-, Rind-, Schweins- oder Kalbfleisch wird in zu dünne Scheiben geschnitten und eingerollt – und im schlimmsten Fall dann auch noch eingefroren. Dann werden die (aufgetauten) Fleischrollen in einer zumeist schweizerisch-faden Bouillon gekocht. Ich weiss nicht, ob all die Verfechterinnen und Verfechter von Fondue chinoise schon mal ein gut gebratenes Rindsfilet geniessen durften, ob sie schon mal ein knuspriges Poulet probiert haben oder ein zart gebratenes Schweinskotelett probieren konnten – denn wer weiss, wie gut zubereitetes Fleisch schmeckt, würde sich jederzeit gegen eine gesottene Alternative entscheiden. Gesottenes Pouletfleisch schmeckt nach nichts. Gesottenes Rindfleisch schmeckt nach zähem Nichts, denn Kerntemperatur oder Bratzeit, die bei der Zubereitung von Rindfleisch eigentlich essenziell sind, spielen beim Fondue chinoise keine Rolle. Ist ja eh alles dünn und eingerollt – die Fleischbeschaffenheit wird ignoriert. Egal ob Kalb oder Schwein, Poulet oder Rind, alles wird in den gleichen Topf geworfen.
Fondue chinoise ist eine unbefriedigende und ganz und gar nicht festliche Herumspielerei mit Lebensmitteln. Man wird nicht richtig satt, man isst eigentlich einfach einen Berg Pommes Frites, Reis oder Pommes Chips – dass die dazu gereicht werden, verstehe ich übrigens auch nicht –, und man hat immer ein Chaos auf dem Teller: Etwas Rindfleisch hier, ein wenig Kalbfleisch da, ein bisschen lauwarmer Broccoli und vielleicht sogar irgendwo noch eine gekochte Crevette. Dazu die Fleischbouillon, die unter die Pommes fliesst, während man die traurigen, blassen Fleischrollen in Currypfützen tunkt.
Die Verfechterinnen und Verfechter würden mir jetzt entgegenhalten, dass doch die Beilagen das Beste sind. Vor allem in Kombination mit den – Achtung! – Söööööseli. Aber warum dann das ganze Chinoise-Tamtam veranstalten? Ich habe nichts gegen einen guten Teller Pommes. Mit einer feinen Aioli-Sauce oder gutem (vielleicht sogar selbst gemachtem) Ketchup ist das eine prima Beilage zu einem Steak. Aber ich will nicht mit Freunden oder Familie an einem Tisch sitzen – vor allem nicht an Weihnachten – und mich, während das teure Fleisch in der Suppe vor sich hinköchelt, mit Pommes vollstopfen. Egal wie gut die verdammten Sööseli sind.