«Ich habe eine starke Stimme»
- Text: Viviane Stadelmann; Fotos: Andrew Toth/Getty Images Entertainment
Die Arbeit der Kostümdesignerin Catherine Martin kennt man aus Filmen wie «The Great Gatsby». Für die neue Netflix-Serie «The Get Down» hat sie sich auf Spurensuche zu den Anfängen des Hip-Hop und dessen Mode begeben.
Catherine Martin hat für ihre Arbeit als Kostüm- und Setdesignerin bereits vier Oscars gewonnen. Die 51-Jährige ist mit dem Regisseur und Drehbuchautoren Baz Luhrmann verheiratet. Seit 30 Jahren arbeiten sie zusammen. Ihr neustes Projekt heisst «The Get Down» und ist eine Musical-Serie über die Anfänge des Hip-Hop in den 70er-Jahren, die ab dem 12. August auf Netflix zu sehen sein wird. Wir haben mit der Australierin über die neue Herausforderung und die langjährige Zusammenarbeit mit ihrem Mann gesprochen.
annabelle.ch: Nach den Kinoerfolgen «The Great Gatsby», «Australia» und «Moulin Rouge» – weshalb jetzt eine TV-Serie über die Anfänge des Hip-Hop?
Catherine Martin: Mein Mann Baz Luhrmann wollte bereits seit zehn Jahren ein Projekt über die Geburtsstunde des Hip-Hop realisieren. Die Idee ist also seit langer Zeit Teil unseres Lebens.
Sind Sie ein Hip-Hop-Fan?
Finden Sie eine Person auf dem Planeten, die nicht grundsätzlich fasziniert oder interessiert ist an der Hip-Hop-Kultur und seiner weltweiten Dominanz! Hip-Hop hat mich immer begeistert, besonders die Mode, die ich für ausgesprochen frisch, aussagekräftig und eigenwillig halte. Hip-Hop hat eine eigene Perspektive, eine eigene Subkultur. Früher war mir aber die Hip-Hop-Kultur der 80er-Jahre bekannt. Durch «The Get Down» fing ich an, die Anfänge des Hip-Hop-Genres in den 70ern zu studieren.
Was hat Sie bei den Vorbereitungen zu diesem Projekt besonders begeistert?
Bei der Recherche befassten wir uns mit klassischen Texten zum Hip-Hop und lasen die Biografie von Hip-Hop-Legende Grandmaster Flash. Das Besondere am Vorbereitungsprozess war, dass die Serie eine Geschichte erzählt, in der die Leute noch leben, die damals diese Bewegung mitgeprägt haben. Künstler wie DJ Kool Herc, Afrika Bambaataa und Grandmaster Flash trugen viel dazu bei, die Story authentisch zu erzählen. Wir konnten ihre Erinnerungen und Lebenserfahrung nutzen.
Gab es weitere Quellen, von denen Sie sich inspirieren liessen?
In den 70ern gab es eine Organisation in der South Bronx, die Teenager von der Strasse holte und sie mit freien Kunstprogrammen unterstützte. Viele der Kids belegten dort einen Fotokurs, für den sie Schwarz-Weiss-Strassenfotografien machten. Daher stiess ich auf viele Fotos, die die Mode dieser Zeit dokumentieren.
In einem früheren Interview erwähnten Sie einmal, dass Sie zu Beginn eines neuen Projekts oft erst Zweifel haben, diese dann aber ab einem gewissen Punkt in Begeisterung umschlagen. Wann kommt es zu diesem Wendepunkt?
Das passiert bei der eingehenden Recherche des Themas. Das ist für mich stets eine enorm positive Erfahrung. Bildung – ob im Leben generell oder für ein spezielles Projekt – hilft dir, den oder die anderen wirklich zu verstehen. Sobald man die Hintergründe versteht, ist man viel eher geneigt, es zu mögen.
Gib es einen Unterschied, Schauspieler für eine Serie oder einen Film einzukleiden?
Nein, denn es ist immer dasselbe Ziel: Als Kostümdesignerin unterstützt man stets den Schauspieler und den Direktor dabei, eine Geschichte zu erzählen. Je nachdem braucht man aber eine andere Technik, tut dies allenfalls mit feineren Andeutungen. Die Herausforderung jedoch bleibt stets, Kleider so zu designen, damit sie aussagekräftig genug sind, und die Leute am Schluss verstehen, was man damit sagen will.
Sie arbeiten seit 30 Jahren zusammen mit ihrem Mann und haben einige der lebhaftesten und schillerndsten Filmszenen kreiert. Was ist das Geheimnis ihrer guten Zusammenarbeit?
Mein Mann hat dies einmal sehr schön formuliert: Wir begannen vor 30 Jahren eine Konversation. Manchmal wird diese Konversation laut, manchmal artet sie auch in Streits aus. Aber grundlegend sind wir beide stets interessiert und oft noch überrascht davon, was der andere zu sagen hat. Es ist schön, miteinander seit langer Zeit nicht nur an fiktionalen Geschichten zu arbeiten, sondern auch eine persönliche Geschichte zu teilen. Man hat einen Partner, der stets an seiner Seite ist. Der mit einem durch dick und dünn geht und mit dem man zugleich die Höhen und Tiefen seines Arbeitslebens besprechen kann.
Müssen Sie sich immer an seine Vorgaben halten?
Letztendlich ist er der Boss. Er ist der Autor des Stücks, also trägt er die Verantwortung. Ich geniesse es wirklich, mit ihm zu arbeiten, weil ich – wie viele andere Mitarbeiter – eine Stimme habe. Eine starke kreative Stimme. Aber am Schluss des Tages ist er der Direktor mit und ich muss darauf hören. Was okay ist, denn in jeder guten Zusammenarbeit braucht es bestimmte Regeln und das ist eine der Regeln, die wir haben. Damit fühle ich mich sehr wohl.
Die Siebziger waren die letzten Saisons omnipräsent auf den Laufstegen und in den Strassen der Modemetropolen. Wird dieser Trend einen Einfluss auf den Erfolg der Serie haben?
Heutzutage besteht zwischen Film, Unterhaltung und Mode ein stetiger Kreislauf. Wir sind alle voneinander abhängig und beeinflussen uns ständig gegenseitig. Es ist wichtig, sich diesem Austausch bewusst und vor allem dankbar dafür zu sein, weil wir uns so gegenseitig inspirieren.
Nach Kinofilmen, Bühnenprojekten und einer Netflix-Serie: Gibt es für Sie ein noch nicht verwirklichtes Herzensprojekt?
Persönlich habe ich eine Vorliebe für alles, was im 19. Jahrhundert spielt. Aber ehrlich gesagt bin ich gespannt und freue mich auf jedes neue Abenteuer, das als nächstes kommt. Es ist immer eine Überraschung! Ich kann nie voraussagen, was mein Mann sich einfallen lässt. Bis jetzt habe ich es immer sehr genossen – und ich bin überzeugt, das werde ich auch das nächste Mal.