Wenn wir fordern, dass Sexismus aus unserem Alltag verschwinden soll, dann müssen wir ihn auch von der Leinwand verbannen, findet unsere Autorin.
Neulich an einem verregneten Samstagnachmittag, ich hatte grad meine letzte Netflix-Serie fertig gebingt, entschloss ich mich, etwas zu tun, was ich schon seit Monaten, ja vielleicht seit Jahren nicht mehr gemacht hatte: mich durchs Live-Fernsehprogramm zu zappen.
Ich blieb bei einem deutschen Privatsender hängen, auf dem grad eine Hollywoodkomödie mit dem Titel «How to be Single» begonnen hatte. Die Hauptrolle darin spielte Dakota Johnson. Der Plot lässt sich schnell zusammenfassen: Alice (Dakota Johnson) will nach dem College das Leben neu entdecken und schlägt deshalb ihrem Freund vor, eine Beziehungspause einzulegen. In New York will sie sich selber finden – ohne Freund und ohne Verpflichtungen. So weit, so mainstream-millennial. Sie kommt an, macht Party, hat einen One-Night-Stand und merkt: Hey, das ist irgendwie doch nicht das, was ich wollte. Also trifft sie ihren Ex, um ihm mitzuteilen, dass sie jetzt wieder mit ihm zusammen sein möchte, doch der hat inzwischen eine andere Frau kennengelernt. Die Unabhängigkeit, die Alice sich so herbeigesehnt hatte, macht ihr plötzlich Angst. Sie weiss nicht, wie sie als Single leben soll – doch genau in diesem Moment eilt ihr ihre neue, wilde Arbeitskollegin Robin (Rebel Wilson) zu Hilfe, die das Singleleben schon lang zelebriert. Robin will Alice beibringen, wie das funktioniert mit dem Daten. Sie gehen in eine Bar, und Robin sagt: «Lektion eins: Hol uns ein paar Drinks!» Alice nimmt das Portemonnaie hervor, doch Robin schüttelt den Kopf und brüllt: «Nein! Das war nur ein Trick! Die Jungs zahlen die Drinks, das ist wie eine sexuelle Währung, die sie benutzen, damit sie uns nicht direkt dafür zahlen müssen, uns abzuschleppen.» Alice zieht los, noch immer mit dem Portemonnaie in der Hand, da beschwert sich Robin abermals: «Nicht mit dieser Geldbörse, sondern mit der Börse da unten.» Die deutsche Übersetzung verharmlost das Ganze ein wenig, denn im Originalton spricht sie von einer «Sausage Wallet», während sie in Richtung von Alice’ Jupe nickt.
Da sass ich nun auf dem Sofa und schüttelte den Kopf. Hat sie das gerade wirklich grad gesagt? Ich spulte zurück (Fernsehen 2.0!). Hörte es mir nochmals an. Ich drückte auf den kleinen Info-Knopf, um mehr über den Film zu erfahren (in welch grossartigen Zeiten wir doch leben). Der Film wurde 2016 veröffentlicht. Und ich traute meinen Augen nicht. In meinem Twitter-Feed poppt noch immer regelmässig der #MeToo auf, seit Monaten diskutiere ich mit Freundinnen und Freunden über Gewalt gegenüber Frauen, über Grenzen, die überschritten werden, über Flirtkultur und Machtmissbrauch – und nun das. Waren wir vor zwei Jahren tatsächlich noch so taub, dass uns diese Zeilen nicht empörten?
Das ist ja nur ein Film, denken Sie vielleicht. Nur eine Szene. Nur ein Witz. Nur Hollywood. Ich widerspreche vehement. Dieser Film, den die Filmproduzenten eine klassische Romantic-Comedy oder eben Rom-Com nennen, der speziell für Frauen konzipiert ist, spielte über 112 Millionen US-Dollar weltweit ein. Er wurde von über 112 Millionen von Frauen und Teenagermädchen angeschaut.
Und was nehmen wir davon mit? Dass wir unseren Körper als Währung einsetzen sollen, um ein paar Drinks in einer Bar abzustauben. Auch die ganze hübsche Girlpower-Romantik, die im Film vermittelt wird und die beweisen soll, dass Frauen sich auch nehmen können, was sie wollen, dass sie auch casual daten können, dass sie auch One-Night-Stands lieben, wird mit einem Satz zerstört.
Ich bin ein Fan von dahinplätschernder Unterhaltung – dass ich jeden Film gesehen habe, der je mit Kate Hudson produziert wurde, unterstreicht diese Tatsache. Ich habe kein grundsätzliches Problem mit romantischen Komödien, aber ich habe ein Problem mit reaktionärem Stumpfsinn.
Wir fordern, dass sich die Rollen in unserer Gesellschaft ändern, dass beide Geschlechter als gleichwertig betrachtet werden, dass wir einander respektvoll behandelen – und gleichzeitig werden in Blockbustern solch rückschrittliche Botschaften an junge Mädchen und Frauen vermittelt. In einem Film, der notabene von einer Frau, nämlich Drew Barrymore, mitproduziert wurde.
Doch die Verantwortung liegt nicht nur in Hollywood, sondern auch bei uns Zuschauerinnen und Zuschauern. Wir müssen diese Botschaften infrage stellen, laut darüber diskutieren und klarstellen, dass wir anders denken.
Vor allem aber sollten wir dieses Wochenende in eine Bar gehen und uns an der Bar einen Drink bestellen – wer bezahlt, wird zur Nebensache. Dann sollten wir flirten – wenn wir Lust drauf haben. Oder eine Person ansprechen – falls uns denn jemand gefällt.
Und nein, liebe Männer da draussen, das soll nicht heissen, dass ihr uns kein Getränk spendieren dürft. Und auch nicht, dass die bösen Feministinnen nicht auch mal nett angesprochen werden wollen. Wir fordern bloss, dass weder Frauen noch Männer auf ihr Geschlecht reduziert werden.
Das ist übrigens Lektion 1 aus dem Handbuch «How to be a Feminist».