Das Eigenleben meiner Kupferspirale
- Aufgezeichnet von Esther Grosjean
Sie wollte nur verhüten. Doch die eingesetzte Spirale wanderte von der Gebärmutter in die Bauchhöhle – und kein Arzt konnte der Patientin erklären, wie. Oder warum. Das Protokoll einer sonderbaren Reise.
Mein achtmonatiger Sohn hatte gerade robben gelernt, liebte es, seinen Brei auf dem Kopf zu verschmieren, und Schlaf war immer noch Mangelware. Zu diesem Zeitpunkt fingen mein Partner und ich wieder an, gelegentlich allein zusammen auszugehen. Höchste Zeit also, an Verhütung zu denken. «Damit haben Sie für drei Jahre Ruhe!» Meine Frauenärztin hatte die Zauberworte gesprochen, das, wonach sich meine Seele und mein Körper sehnten. Eine Kupferspirale schien so sinnvoll, ökonomisch, hormon- und stressfrei, dass ich gleich zustimmte.
Natürlich war es etwas merkwürdig gewesen, das T-förmige Teil gezeigt zu bekommen, das sich bald wie ein umgestülpter Anker in meiner Gebärmutter festkrallen würde. Kaum war ich aus der Arztpraxis entlassen, waren meine Gedanken aber bereits wieder woanders. Die neue Zahnfüllung im Stockzahn jedenfalls war präsenter als die eingesetzte Spirale im Unterleib. Hätte mich zu dem Zeitpunkt eine Freundin zur Spirale befragt, ich hätte sie ihr gleich weiterempfohlen. Die Nachuntersuchung sechs Wochen später liess mich als Botschafterin jedoch verstummen.
Da sass ich auf dem Gynäkologiestuhl, die Frauenärztin guckte mir zwischen die Beine, eine gefühlte Ewigkeit lang. Dann lehnte sie sich kurz zurück, beugte sich nochmals vor, legte die Stirn in Falten. Man ahnt, dass etwas schiefgelaufen sein muss, wenn die eigene Ärztin einen in diesem merkwürdig verwirrten Ton direkt anspricht: «Sie, Frau Amman *.» Pause. «Ich kann sie nicht finden!» Sie – damit war die Spirale gemeint.
Die Frauenärztin beschwichtigte. Die Babyzeit, meine neuen Pflichten als Jungmutter. Da könne so eine Spirale schon mal unbemerkt herausgefallen sein. Klingt plausibel. Ich war mir aber sicher: unmöglich. Sie wiederum meinte: «Alles andere wäre höchst sonderbar.» Zur Sicherheit schickte sie mich zu einer Ultraschalluntersuchung. Es sollte der Auftakt zu einer umfangreichen Suchaktion sein. Der behandelnde Arzt beim Ultraschall wirkte wie ein Student und verhielt sich auch ein bisschen so. «Hey, wir suchen eine Spirale!», meinte er sichtlich amüsiert, als zufällig ein Kollege vorbeiging: «Siehst du vielleicht etwas?»
Klar, ich kann schon verstehen; einen gewissen Unterhaltungsfaktor hat das Ganze ja schon. Besonders verstanden fühlte ich mich aber nicht. Mit einem Zettel in der Hand verliess ich das Institut: Befund Ultraschall Unterbauch – nichts gefunden. Empfehlung für eine Abklärung mittels Röntgen. Vorher sollte allerdings ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.
Das klang schon fast spöttisch, aber nein, einen Embryo hatte ich definitiv nicht im Bauch. Auf dem Röntgenbild sah man dann endlich, was ich schon immer gewusst hatte. Die Spirale war da, und zwar gut sichtbar im unteren Bereich der Wirbelsäule, schön zentriert, als ob sie da jemand zum Jux reingemalt hätte. Ende der Geschichte? Von wegen.
«Zum Glück ist der Körper keine ägyptische Grabstätte; die Orte, an denen gesucht werden kann, sind begrenzt»
Befund Röntgen: Die Spirale liegt quer, das Teil hat sich um neunzig Grad gedreht. Genauere Lokalisierung nicht möglich. Die Spirale war irgendwo im Bauch. Zum Glück aber ist der Körper keine ägyptische Grabstätte; die Orte, an denen gesucht werden kann, sind begrenzt. Wenn nicht in der Gebärmutter, musste die Spirale eben im Bauchraum sein.
Allein das Wissen darum, dass sich da ein Fremdkörper im Bauch tummelt, macht nervös. Man steigert sich schnell in etwas hinein. Was macht sie jetzt? Versucht die Spirale etwa, mit ihren Widerhaken irgendwo anzudocken? Hat mich da innerlich gerade etwas gezwickt?
Bei der entscheidenden Fahndung war ich nicht mehr dabei, jedenfalls nicht bewusst. Ich lag in Vollnarkose. Links und rechts oberhalb der Leiste wurden kleine Schnitte gemacht und beidseits Kameras eingelassen und auf die Suche nach der Spirale geschickt. Es dauerte nicht lange, da war sie entdeckt und vom Chirurgen per Pinzette herausgepickt.
Bis heute hat mir noch kein Arzt plausibel erklären können, wie es möglich ist, dass die Spirale von der Gebärmutter in die Bauchhöhle gewandert war. Jedenfalls liegt sie nun verpackt in einem Säckchen bei mir in der Schublade.
Letzter Befund: Nun habe ich zwei, eigentlich drei Narben: eine für den Notkaiserschnitt für mein Kind und zwei kleine, weil ich gerade kein weiteres wollte.
* Name von der Redaktion geändert