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Helvetia ruft!

Helvetia ruft!

  • Text: Helene Aecherli; Illustration und Fotos: helvetia-ruft.ch

Bisher haben 2733 männliche Politiker die Schweiz regiert, aber bloss 246 weibliche. Dieses Ungleichgewicht darf nicht sein, findet eine neue überparteiliche Bewegung und will mehr Frauen in die Politik bringen.

Die Stimmung im Saal am Waisenhausplatz in Bern war ausgelassen, doch signalisierten die Rednerinnen auf der Bühne eine Dringlichkeit, die kaum Zweifel daran liess, dass es hier um alles geht. Konkret: um die Präsenz von Frauen im politischen System der Schweiz. «Habt ihr gewusst», rief Flavia Kleiner, Kopf der Operation Libero, ins Mikrofon, «dass seit Beginn der modernen Eidgenossenschaft von 1848 bis heute insgesamt mehr Männer mit dem Vornamen Hans oder mehr Männer mit Schnauz im Parlament gesessen haben als Frauen überhaupt? Dass über alles gesehen, bisher 2733 männliche Politiker die Schweiz regierten, aber bloss 246 weibliche?»

Zugegeben, eine gewisse Polemik lässt sich hier natürlich nicht abstreiten, aber der Fokus auf die «Hansen und Schnäuze» macht deutlich: Frauen sind zwar am Kommen. Aber sie kommen nicht zahlreich genug. Denn um die weibliche Vertretung auf dem politischen Parkett Helvetiens ist es noch immer ziemlich schlecht bestellt. Im Bundesrat sitzen fünf Männer und zwei Frauen, nach dem Rücktritt von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard droht ein Verhältnis von sechs zu eins. Von insgesamt 46 Ständeräten sind bloss sieben weiblich, der Nationalrat setzt sich aus 140 Männern und 60 Frauen zusammen. Und im Hinblick auf die angekündigten Rücktritte mancher Rätinnen sieht es im Augenblick nicht so aus, als würden sich diese Zahlen explosionsartig erhöhen. Mit anderen Worten: Ein Jahr vor den Nationalratswahlen herrscht eine Asymmetrie der Geschlechter, mit denen sich eine Demokratie im 21. Jahrhundert nicht zufriedengeben kann. Denn sie legitimiert sich nicht nur durch die Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger per se, sondern auch dadurch, dass sich die Bevölkerung im Parlament wiedererkennt.

Aus diesem Grund haben alliance F, die politische Lobbyorganisation für die Gleichstellung von Frau und Mann in der Schweiz, sowie die Operation Libero die Bewegung «Helvetia ruft!» lanciert, die über die Parteigrenzen hinweg mehr Frauen in die Politik bringen will. Das heisst auf die Wahllisten der Parteien, in politische Ämter, aber ganz grundsätzlich auch als Wählerinnen an die Urnen. Geplant sind ein Empowermentprogramm, das Frauen unter anderem darüber informieren soll, wie sich das politische Mandat mit ihrem Alltag vereinbaren lässt, eine geschlechtsspezifische Bewertung der kantonalen Parteilisten und der Aufbau einer Onlineplattform, auf der Frauen-Kandidaturen gefördert werden können. Finanziert wird die Bewegung mittels eines Crowdfundings, unterstützt wird sie durch Botschafterinnen «Helvetiens», darunter SRF-Wirtschaftsmoderatorin Patrizia Laeri, Regisseurin Petra Volpe sowie die beiden annabelle-Schweizer-Macherinnen Regula Bührer Fecker, Werberin, und Viola Lorenz, Gründerin der Swiss Nursing Students.

Bleibt zu hoffen, dass Helvetia ruft! die Mobilisierungskraft für die kommenden Nationalratswahlen gewinnen kann, die sie anstrebt, und letztlich auch als Weckruf verstanden wird. Als Weckruf an die Frauen selbst, sich ihrer politischen Macht bewusst zu werden, die sie haben, wenn sie sie auch nutzen. Und als Weckruf an die Gesellschaft als Ganzes, sich endlich von Begriffen wie «Frauenanliegen» und «Frauenfrage» zu verabschieden. Denn «Frauenanliegen» sind kein Minderheitenprogramm, sondern gesamtgesellschaftliche Anliegen. Die wahrzunehmen bedingt die Bereitschaft aller. «Es gibt nicht nur ein bisschen Gleichstellung», sagte denn auch Alt-Bundesrätin Elisabeth Kopp, ebenfalls eine der Ruferinnen Helvetiens. «Entweder, man ist gleichgestellt oder man ist es nicht.»

www.helvetia-ruft.ch