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Das Haus der Liebe

Leben

Das Haus der Liebe

  • Text: Sven Broder; Foto: pexels.com/Michael (Black) Ritter

Hilfe, unser Haus hat den Scheidungspilz! annabelle-Reportageleiter Sven Broder über Fruchtgummis, Schmetterlinge und andere Gäste, die das Klima in Beziehungskisten nachhaltig stören können.

Als sie das Mehrfamilienhaus bauten, in dem ich die letzten Jahre gewohnt habe, erlaubten sich die Bauarbeiter einen kleinen Scherz und verbuddelten anstelle eines Grundsteins einen Haribo-Fruchtgummi. So konnte man Gift darauf nehmen: Zog ein Pärchen neu in eine der zehn Wohnungen ein, sprangen vielleicht vier Eizellen ins Leere, nach dem fünften Zyklus jedoch – schwuppdiwupp! – war die Frau schwanger. Garantiert. Ob sie wollten oder nicht. Je nach Verfassung überlegte ich mir an manchen Tagen, an der Eingangstür einen dicken, fetten Warnhinweis anzubringen, der potenzielle Neuankömmlinge über die fruchtbare Wirkung des Hauses aufklärt, an anderen Tagen, unser Schlafzimmer stundenweise und für viel Geld an kinderlose Paare zu vermieten.

Mit der Zeit jedoch verflüchtigte sich das fruchtbare Fundament. Schlimmer noch. Etwa seit vergangenem Sommer hat das Haus einen Scheidungspilz. Erst war nur die Luft etwas dick. Dann ächzte und knurrte es allenthalben. Schliesslich fuhren die Zügelmänner vor und trennten, was das süsse Glück des Verliebtseins Jahre zuvor aneinandergepappt hatte. Meine Frau und ich rochen den Braten – und suchten mit den Kindern das Weite. So ein Scheidungspilz – man weiss es aus der Paarforschung – kann ja durchaus auch ansteckend sein. Ist da zwischen uns wirklich mehr Liebe als zwischen den Hugentoblers vom 4. Stock? Oder sind wir einfach nur mit weniger zufrieden? Ploppen Fragen wie diese an der Beziehungsoberfläche auf, hat der eigentliche Spaltpilz im Untergrund sein fädiges, weit verzweigtes Netz womöglich bereits gesponnen.

Nun wohnen wir in einer gutbürgerlichen – vor zehn Jahren hätte ich gesagt: stinkbiederen – Reiheneinfamilienhaussiedlung. Nur vorübergehend, weil man sich in Zürich so was auf Dauer ja nicht leisten kann. Schlimm finden wir das nicht, dass wir wieder umziehen müssen. Denn in dieser Siedlung haben die allermeisten Fruchtgummis ihren Geschmack schon vor Jahren verloren. Und was der Scheidungspilz nicht getrennt hat, vegetiert nun mehrheitlich vor sich hin. Für die Liebe ist dieses Quartier so ein wenig das, was der Gnadenhof für ein in die Jahre gekommenes Pferd ist.

Klar weiss ich insgeheim, dass für das Klima in einer Beziehungskiste weder irgendwelche Gummibärchen noch Pilze noch Wohnmilieus verantwortlich sind. Aber es wäre halt so viel einfacher, wenn es so einfach wäre. Man muss mich verstehen: Als heterosexueller Mann – in einer Frauenredaktion schon per se ein seltenes Exemplar –, Anfang vierzig und seit fast der Hälfte seines Lebens mit der gleichen Frau zusammen, drei Kinder, glücklich, ja, tatsächlich, noch immer, und auch immer mal wieder nicht, da sehen meine Kolleginnen in mir zuweilen das vermeintlich magische Liebesorakel. Gerade jetzt, wo hier mal wieder allenthalben die Schmetterlinge flattern, sich die Bauchdecken wölben oder sich in manchen altgedienten Liebesnestern offenbar dieser fiese Fungus eingenistet hat, legt man auf meinen Rat ganz besonderen Wert. So kommt es mir zumindest vor.

Aber was weiss ich denn schon über die Liebe? Mein Freund Silvio meinte neulich: «So eine Beziehung ist harte Arbeit.» Silvio ist schwul. Single. Hatte in seinem Leben mehr Männer im Bett als ich Zahnbürsten im Glas. Ich wusste nicht einmal, ob ich ihm nun zustimmen sollte oder nicht. Einerseits hatte er natürlich recht. Andererseits fehlte mir bei seiner Aussage einfach der Spass an der Arbeit.