Guerilla-Kunst an der Europaallee
- Redaktion: Julia Heim, Manuela Locher; Fotos & Video: Instagram @flavio.leone, @joanminder; Beats: Japhna Gold
Unter dem Motto #Zürilütsinddochspannend zeigen die Fotografen Joan Minder und Flavio Leone, dass man für ausdrucksstarke Fotomotive nicht nach London oder Paris reisen muss, sondern auch in der Heimat fündig wird.
Ein Jahr lang haben sie fotografiert, und das ausschliesslich mit dem Smartphone. Daraus entstanden sind Fotos aus Zürich für Zürich, die nun an der Europaallee direkt am Zürcher Hauptbahnhof präsentiert werden. Während mehrerer Stunden wurden gestern etliche Werke des annabelle-Fotografen Joan Minder und des ehemaligen annabelle-Fotoassistenten Flavio Leone auf die Trennwand vor der Grossbaustelle tapeziert. Doch warum gerade im öffentlichen Raum und nicht in einer Galerie? Wir haben mit den beiden gesprochen und gefragt, was es mit dem Projekt auf sich hat.
annabelle.ch: Joan Minder und Flavio Leone, wie ist es zu diesem Projekt gekommen?
Joan Minder: Flavio hat vor etwa einem Jahr damit begonnen, mit seinem Handy Zürich und die Menschen in dieser Stadt zu fotografieren. Ich hatte seine Bilder gesehen und fand sie so toll, dass ich auch damit angefangen habe. Ich komme aus einer Fotografenfamilie – bereits mein Grossvater war Fotograf, ebenso mein Vater. Und als Fotograf von annabelle kümmere ich mich meistens um konsumbezogen und kommerzielle Aufnahmen. In unserem Projekt geht es aber um Authentizität. Wir wollten Tagesmomente einfangen, Menschen im echten Leben zeigen. Das macht für mich das Projekt aus. Es ist nichts gestellt.
Das Projekt nennt sich #Zürilütsinddochspannend. Hat denn jemand behauptet, Zürich sei langweilig?
Minder: Viele Leute schauen immer ins Ausland, finden Paris lässig und London besonders cool – uns gefällt Zürich, und wir sind sicher: Hier gibt es aussergewöhnlich spannende Menschen, Orte und Momente, man muss nur genau hinschauen.
Flavio Leone: Zürich ist klein, beheimatet aber trotzdem viele verschiedene Kulturen und Ethnien. Schön ist, dass man das auf so engem Raum findet und wir es mit diesem Projekt festhalten konnten. Wir beide hegen eine grosse Faszination für Gesichter und den spontanen Ausdruck.
Genau hinschauen kann man nun auch an der Europaallee, an der die Bilder zu sehen sind. Weshalb im öffentlichen Raum und nicht in einer Galerie?
Minder: Wir hätten die Möglichkeit gehabt, unser Werk in der Galerie Seefeld auszustellen – haben uns aber bewusst dagegen entschieden. Die Bilder hätten dann etwas 500 Menschen gesehen, die bereits mit Kunst vertraut sind. Uns war es jedoch wichtig, das Projekt einer grossen Masse zugänglich zu machen, die sonst vielleicht nicht mit Kunst konfrontiert wird. Deshalb haben wir uns für eine Sidewalk-Galerie entschieden. So können die Menschen daran vorbeihetzen, allenfalls stehenbleiben und etwas entdecken. Es soll sein wie Radio hören. Die Kunst ist einfach da.
Öffentlich heisst aber auch zugänglich für Menschen, die nichts mit den Fotos anfangen, sie sogar kaputt machen können.
Minder: Uns war es wichtig, dass unser Projekt eine Interaktion hervorruft. Wir sind das Risiko bewusst eingegangen – es kann sein, dass die Fotos schon morgen weg sein werden, oder ein Sprayer sein Kunstwerk darüberlegt – wir wissen es nicht. Bisher haben wir jedoch sehr positive Reaktionen aus unserem Umfeld erhalten, was uns sehr glücklich macht.
Das Fotoprojekt ist bis voraussichtlich 28. Februar an der Europaallee zu bestaunen.
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Joan Minder und Flavio Leone