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Der Grossmeister und sein Grandhotel

Der Grossmeister und sein Grandhotel

  • Text: Viviane Stadelmann; Quelle: Sybille Birrer; Foto: Grand Hotel National

Cäsar Ritz ist eine Legende: Als Direktor hat er das Grand Hotel National Luzern um 1880 zu weltweitem Ruhm gebracht und damit neue Massstäbe in der Luxushotelerie gesetzt. Die Geschichte eines Wallisers Burschen, dem man einst sagte: «Aus dir wird nie ein richtiger Hotelier!»

Die Schweiz im 19. Jahrhundert: Prunkvolle Grandhotels ziehen gutbetuchte Bürgerliche, Adel, Dichter und Politiker aus aller Welt an. Das traumhafte Bergpanorama, die Seen, das Klima und nicht zuletzt die Schweizer Gastfreundschaft werden über die Landesgrenzen hinaus gelobt. Ob in Lausanne, Montreux, Basel oder dem Berner Oberland, die Grandhotels lockten mit ihrem Glanz zahlungskräftige Besucher an. Als 1856 die erste Dampflokomotive in Luzern eintraf, eröffnete der Fremdenverkehr auch für Luzern neue Perspektiven. Doch es fehlte noch an der passenden Infrastruktur, denn: Wer Könige beherbergen will, muss ihnen zuerst einen Palast erbauen. 1865 schliesslich gab der Stadtrat den Auftrag, auch das rechtsufrige Seegebiet auszubauen. Schönes, Monumentales sollte her. Bereits 1869 wurde das Baugesuch für das Grand Hotel National mit 84 Metern Länge bewilligt – der Grundstein für den Plan, Luzern mit einem Hotel allerersten Ranges zum europäischen Fremdenplatz zu küren, war gelegt.

Doch der Plan schien nicht aufzugehen. Der damalige Hoteldirektor Alphons Maximilian Pfyffer hatte mit den Auswirkungen des Kriegs in Europa und der wirtschaftlichen Depression zu kämpfen. Das Grand Hotel National brauchte frischen Wind und einen innovativen Kopf. Man hatte von einem jungen Restaurantleiter des Hotels Rigi Kulm gehört, der sich vom Kellner hochgearbeitet hatte und mit seinem Einfallsreichtum glänzte. Als nämlich eine 40-köpfige amerikanische Reisegesellschaft in der Sommersaison unversehens vom Wintereinbruch überrascht wurde und die Temperaturen unter Null sanken, stand man händeringend vor einem grossen Problem, denn: Die Heizung funktionierte nicht. Der Restaurantleiter – Cäsar Ritz – fackelte nicht lange. Er liess die Palmen aus den Kupferkesseln heben und funktionierte diese mit Spiritus gefüllt als Heizkessel um. Die Aktion war ein voller Erfolg, und Pfyffer liess den geschäftstüchtigen Oberkellner Ritz im Jahr 1878 ins Grand Hotel National einladen. Als Cäsar Ritz klar wurde, für welche Position ihn Pfyffer einstellen wollte, zögerte er keine Sekunde. Er war der neue Hoteldirektor – wahrlich eine Erfolgsgeschichte für Ritz, dem man als junger Burschen fehlende Hotelier-Qualitäten attestiert hatte. 

«Aus dir wird nie ein rechter Hotelier!»

Cäsar Ritz’ Aufstieg hatte nämlich einen schwierigen Start. Als 13. Kind wurde er 1850 in Niederwald in Goms geboren, ein Bauernsohn aus einfachen Verhältnissen. So wanderte der 14-Jährige aus, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er ging zu einem befreundeten Hotelier ins Briger Hotel Couronne et Poste in die Kellnerlehre, wurde dort aber kurze Zeit darauf entlassen, da der Patron in ihm keine Zukunft sah: «Aus dir wird nie ein rechter Hotelier!»  

Nachdem er zum Direktor des Grand Hotels National ernannt wurde, konnte er sein Können unter Beweis stellen. Cäsar Ritz hatte es nach seiner gescheiterten Kellnerlehre in Brig nach Paris gezogen, wo er schliesslich doch noch als Kellner in den elegantesten Etablissements die Bedürfnisse der Reichen und Berühmten kennen lernte. Sein Umgang mit der gut betuchten Klientel kam ihm jetzt als Direktor zugute: Sein Erfolg als Gastgeber beruhte nicht zuletzt auch darauf, dass er sich deren Präferenzen genau eingeprägt hatte. Zudem brachte er neben seiner Erfahrung mit dem internationalen Hotelgewerbe auch den erhofften Tatendrang mit sich. Er ordnete Renovationen und Änderungen an, trimmte das Servicepersonal nach seinen Vorstellungen, schickte den Gästen einen persönlichen Brief mit guten Wünschen nach der Abreise. Schon nach einer Saison zeigten sich deutliche Erfolge. Doch Cäsar Ritz wollte mehr, insbesondere eine Verbesserung der Hotelküche. Schliesslich landete er um 1880 einen Coup, in dem er den berühmtesten Küchenchef der Welt gewinnen konnte: Auguste Escoffier, der Erfinder der «Grande Cuisine».

«Ich bin der Kaiser von Deutschland, aber Sie sind der Kaiser der Köche», soll Wilhelm II. einst zu Auguste Escoffier gesagt haben. Der Meisterkoch hatte eine treue Gefolgschaft an Feinschmeckern, die ihm folgten. Zusammen mit Auguste Escoffier setzte Cäsar Ritz im Hotel National neue Massstäbe in der Luxushotellerie des 20. Jahrhunderts. Ihr Ziel war es, die Perfektion des Handwerks mit Einfachheit zu paaren. Schwere Vorhänge wichen lichten Farben, hochstilisierte Begrüssungsfloskeln einem höflichen Umgang als Freunde des Hauses. In den Wirkungsjahren der zwei Grossmeister hausten zalhreiche Prominenz und Adel im Grand Hotel National: vom späteren Kaiser Wilhelm II. von Preussen, bis zur Kaiserin Elisabeth von Österreich und indischen Maharadschas mit gesamter Gefolgschaft. Das Geschäft florierte. Das Grand Hotel National war über Europa hinaus bis zur Übersee ein Begriff. Und der erhoffte Glanz für die kleine Stadt Luzern endlich eingetreten. 

– Lesen Sie die ganze Geschichte des Grand Hotel National in Luzern in Sibylle Birrers Buch, Grand Hotel National Luzern, Luxus und Gastlichkeit seit 140 Jahren, Hier & Jetzt: Baden, 2010