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Grün sterben – geht das?

Grün sterben – geht das?

  • Text: Kerstin Hasse; Foto: iStock 

Wir achten auf unseren ökologischen Fussabdruck, wir kaufen Bio und verzichten auf Langstreckenflüge. Aber was passiert nach dem Tod? Wie lässt man sich ökologisch bestatten? Wir haben bei Experten nachgefragt.

Wir fahren mit dem Velo zur Arbeit, sharen ein Auto, verzichten auf Plastiksäckli im Supermarkt und setzen bei der Stromauswahl das Häkchen hinter die Öko-Option. Grün zu leben ist zu einem Lifestyle geworden, den viele Leute bewusst wählen – was aber passiert nach dem Leben? Kann man grün sterben? Gibt es eine Möglichkeit, die Welt ökologisch sinnvoll zu verlassen?

Ja, sagt Rolf Steinmann, Leiter des Bestattungs- und Friedhofamtd der Stadt Zürich. «Wir beschäftigen uns schon seit Jahren mit diesen Fragen.» Er betont aber auch, dass Leute, die einen geringen Fussabdruck auf der Welt hinterlassen möchten, sich schon vor dem Tod damit befassen sollten. «Es gibt sicherlich effizientere Ansätze, um eine nachhaltige Lebensbilanz zu erreichen, als den richtigen Sarg zu wählen.» Sich damit auseinanderzusetzen, wie man beerdigt werden möchte, sei aber – Nachhaltigkeit hin oder her – sinnvoll. «Das machen leider viel zu wenig Leute», sagt Steinmann. Wer dem Leben frönt, will nicht über den eigenen Tod nachdenken. 

Grundsätzlich sollte man bei einer Bestattung als Erstes entscheiden, wie der Verstorbene beigesetzt werden soll. Laut Steinmann werden in Zürich etwa neun von zehn Toten kremiert, schweizweit wird in 85 Prozent aller Todesfälle die Kremation der Erdbestattung vorgezogen – ökologisch macht das Sinn.

«Aus der Erde sind wir genommen, zur Erde sollen wir wieder werden», spricht der Geistliche am Grab, doch so einfach ist das nicht. Die Zersetzung eines Körpers geht in einem Sarg tief in der Erde bedeutend länger, als wenn der Leichnam verbrannt in einer Urne beigesetzt wird. Hinzu kommt die Frage, was mit den Rückständen von Medikamenten und Schwermetallen passiert und wie gross deren Belastung für die Erde und das Grundwasser ist. Die Beschaffenheit des Sarges ist auch wichtig und entscheidet, wie schnell sich eine Leiche zersetzt wird. 

Die Stadt Zürich gestaltet die Bestattungen schon heute so ökologisch wie möglich. So wird der kostenlose Züri-Sarg, der aus schnell wachsenden italienischem Pappelholz besteht, im Rahmen eines Sozialprojekts in Zürich hergestellt. Rund 95 Prozent entscheiden sich in der Stadt Zürich für den kostenlosen Züri-Sarg, erklärt Steinmann. Der Einsatz von massiven und schlecht abbaubaren Holzsärgen, die lackiert und mit metallischen Griffen versehen sind, gehe immer weiter zurück, sagt Steinmann. «Wenn etwa aus kulturellen Gründen ein solcher Sarg gewünscht wird, ist es aber natürlich nicht angebracht, dass wir die Wahl des Sarges in Frage stellen.»

Wie sieht es mit der Ökobilanz bei der Kremation aus? Die Verbrennung benötigt nicht nur viel Energie, sondern belastet auch die Umwelt mit CO2-Emissionen und Gasen aus den Öfen. Steinmann relativiert. «Meiner Meinung nach ist Kremation die ökologisch optimale Bestattungsvariante.» In der Schweiz bestehen strenge Umweltvorschriften, die Filter der Krematorien müssen kontrolliert werden, sodass möglichst wenig Schadstoffe an die Umwelt abgegeben werden. Die Stadt setzt bei der Verbrennung zudem auf Ökostrom und Elektrospeicheröfen. Diese Öfen werden über Nacht bis Arbeitsbeginn auf 650 bis 700 Grad aufgeheizt, danach speichern die Schamottsteine die Hitze, sodass nur noch geringfügig weiterer Strom eingesetzt werden muss. «Je mehr Kremationen wir pro Tag durchführen können, desto ökologischer ist der Einäscherungsprozess.»

Die schwedische Wissenschaftlerin Susanne Wiigh-Mäsak war erst kürzlich im Rahmen einer Veranstaltung der Stadt in Zürich zu Besuch, um ihre Idee einer nachhaltigen Bestattung vorzustellen: Die Promession. Ein System, das sich Wiigh-Mäsak mit ihrer Firma Promessa patentiert hat und an dem sie bereits seit Jahren tüftelt, das aber bis anhin nur an toten Schweinen getestet werden konnte. Bei der Promession wird der Körper abgekühlt und dann in flüssigem Stickstoff schockgefroren, bis er brüchig wie Glas wird. Vibrationen lassen den Leichnam zu einem Granulat werden, der – nachdem Metallteile und Fremdstoffe entfernt wurden – in einer kompostierbaren Kiste bereits innerhalb eines Jahres  zu Erde wird, aus der neues Leben wachsen kann.

Steinmann findet Wiigh-Mäsaks Ansatz interessant und kann sich vorstellen, dass ihr ökologisches System – wenn es irgendwann tatsächlich zum Einsatz kommt – auch in der Schweiz Anklang finden könnte. «Ich denke aber, es wird eine Nischenerscheinung bleiben.»

Nachhaltig sterben, darauf kommt es an:

– Wenn es Ihnen wichtig ist, die Welt auf eine bestimmte Art und Weise zu verlassen, sollten Sie mit Angehörigen über Ihre Wünsche reden. «Die meisten Leute verdrängen auch heute noch, dass der Tod zum Leben gehört», sagt Steinmann. Wenn es dann zu einem Todesfall kommt, sind Familienmitglieder oft emotional stark gefordert. Manchmal kommt es gar zu Streitigkeiten, weil sich die Hinterbliebenen nicht sicher sind, ob sie die richtigen Entscheidungen treffen. «Wer schriftlich oder mündlich den letzten Willen festhält, etwa in einem Bestattungswunsch festhält, kann solche Unsicherheiten verhindern.»

– Sargwahl: Ein Sarg wie der Züri-Sarg aus Pappelholz, der schnell abbaubar ist, macht im Gegensatz zu lackierten und opulent verzierten Särgen ökologisch mehr Sinn. Kartonsärge werden immer wieder als grüne Alternative genannt, haben sich aber laut Steinmann noch nicht durchgesetzt. «Auch von Seiten der Bestatter gibt es hier viele Fragezeichen», sagt Steinmann. Dies vor allem, wenn es um die Stabilität der Särge, das Problem von eventuell austretenden Körperflüssigkeiten und nicht zuletzt auch um die Pietät der Bestattung geht. Für viele Angehörige ist die Vorstellung, einen Kartonsärge für die letzte Ruhestätte ihrer Liebsten auszuwählen, irritierend. 

– Immergrün statt Lilien: Die Ökobilanz von importierten Blumen, die zu üppigen, mit Plastikbändern verzierten Kränzen und Sträussen gebunden sind, die schnell verblühen, ist nicht besonders gut. Eine Alternative sind immergrüne Pflanzen, die auch kalte Tage überstehen. 

– Auf einen Grabstein verzichten: Auch die Herstellung von Grabsteinen benötigt viel Energie, sowohl beim Schleifprozess als auch beim Transport. Eine gute Alternative sind Holzkreuze.

– Beerdigung in einem Friedwald: Wer auf ein Grab auf einem Friedhof verzichten will, kann sich für ein Grab in einem sogenannten Friedwald entscheiden. Auch in der Stadt Zürich gibt es solche Wälder für die Aschebeisetzung, in denen man sich bei einem Gemeinschafts- oder Familienbaum beisetzen lassen kann. Auf den Friedhöfen der Stadt Zürich ist die Anzahl der Gräber in den letzten zwölf Jahren um 15000 gesunken, da sich die Bestattungskultur verändert hat. Da sich ein grosser Teil er Verstorben kremieren lässt und sich für ein Gemeinschaftsgrab entscheidet, werden immer weniger Erdbestattungen gefragt und Familiengräber vermietet . Laut Steinmann prüft die Stadt, wie sie auf diese neuen Bedürfnisse eingehen kann. «Wir überlegen zum Beispiel, ob wird ein Themen-Mietgrab, dass mit Apfelbäumen bepflanzt wäre, anlegen könnten.»