Good Vibrations: Maserati Ghibli im Test
- Text: Michèle Roten; Foto: Joan Minder
Der Maserati Ghibli ist nichts für lustfeindliche Menschen. Also genau das Richtige für annabelle-Autorin Michèle Roten.
Mit dem Maserati Ghibli S Q4 durch die Stadt zu fahren, ist qualvoll. Man vergitzelt schier. Es ist wie endloses Vorspiel, obwohl man doch einfach nur endlich zur Sache kommen will. Dieses Auto will brettern – auch wenn Maserati mit dem Allradantrieb, der kompakten Limousinenform und dem Preis um die 80 000 Franken ganz offensichtlich im Alltagswagenmarkt von 8er-BMW, S-Klassen-Mercedes etc. wildern will. Aber Maserati ist halt Maserati, und das ist auch sehr, sehr gut so. So haben wir hier den Wolf im Schafspelz – äusserlich fällt der Ghibli nämlich gar nicht besonders auf. Recht hochbeinig für die vielen PS. Gegen vorn wirds dann immer schöner: kräftige Flanken, fliehende Stirn, lange, lange Nase – insgesamt ist das eine sehr elegante, gediegene Angelegenheit. Innen ebenfalls: Die Lederverarbeitung ist typisch italienisch perfekt.
Auf Knopfdruck zeigt der Ghibli sein wahres Gesicht: Schon im Leerlauf wummert er so tief und vibrierend, dass man es sofort in den Eingeweiden und – ja – auch im Schritt spürt. Wahrlich, dieses Auto ist nichts für lustfeindliche Menschen. Und für Schüchterne auch nicht. Unbemerkt bleibt der Ghibli nämlich nie, dafür ist er einfach zu laut. Er klingt immer sehr mächtig, auch bei Tempo 30, aber wenn man richtig aufs Gas drückt, macht er dieses Maseratigeräusch, das man immer so lächerlich findet, wenn einer vorbeifährt, aber wenn man drin sitzt, ist es einfach nur grossartig: Es gibt einen blechern klingenden Knall und röhrt dann, dass es von den Häuserwänden schallt. An dieser Stelle muss auch der Sport-Knopf erwähnt werden. Da könnte genausogut «Freude» draufstehen, denn in diesem Modus ist einfach alles noch ein bisschen ausgeprägter: die Drehzahl höher, die Schaltung schneller und das Brüllen endlich wirklich ohrenbetäubend.
Und so heult und röhrt und scheppert man durch die Gegend und erfreut sich an der tollen Technologie, die in Kurven unmerklich bis zu fünfzig Prozent der Antriebsleistung auf die Vorderräder lenkt (dank einer «direkt am Getriebe angeflanschten Lamellenkupplung»), was zur Folge hat, dass der Ghibli in der Kurve liegt wie die Strasse selbst. Und man erfreut sich am Wort «angeflanscht», das man in Zukunft öfter gebrauchen möchte: «Schau, ich hab mir Wimpern anflanschen lassen!» oder auch «Kannst du bitte mal dem Kind die Windeln anflanschen?» Das alles ist schon sehr schön, aber so richtig los geht es erst ab 200 km/h, sprich in Deutschland. Da ist der Ghibli in seinem Element und zeigt mit seinen 410 PS allen mal eben, wo der Bartli den Most lässt. Und das mit einer umwerfenden Leichtigkeit: Auch bei 240 km/h lässt er einen spüren, dass da durchaus noch einiges drin ist, genauer: 40 weitere Stundenkilometer. Aber man muss es ja nicht komplett übertreiben. Ein bisschen reicht völlig.
Modell: Maserati Ghibli S Q4
Motor: 3.0-Liter-Benziner, V6-Biturbo
Fahrleistung: 410 PS, von 0 auf 100 km/h in 4.8 s
Höchstgeschwindigkeit: 284 km/h
Masse: Länge 4.97 m, Breite 2.10 m, Höhe 1.46 m
Kofferraumvolumen: 500 l
Leergewicht: 1870 kg
CO2-Emission: 246 g/km
Verbrauch: 10.5 l/100 km
Energieeffizienzklasse: G
Preis: ab 73 550 Fr.
Infos: www.maserati.com