«Gleichberechtigung bedeutet Erfolg»
- Interview: Miriam Suter; Foto: Getty Images / Shirlaine Forrest
Das Bluesrock-Duo Deap Vally aus L.A. zeigt dem Sexismus den Mittelfinger. Warum es die beiden Musikerinnen Lindsey Troy und Julie Edwards trotzdem nervt, in die Feminismus-Ecke gestellt zu werden, haben sie uns im Interview verraten.
Es gibt Musik, die man als Teenager hört und die einen dazu bringt, die Schule zu schwänzen oder den Schwarm an der nächsten Party endlich anzusprechen. Das sind Songs, die etwas mit einem machen, etwas im Herzen auslösen und einem Mut durch die Kopfhörer zusprechen. Es ist ein Glücksfall, wenn diese Euphorie einem auch nach mehr oder weniger erfolgreich abgeschlossener Adoleszenz weiter vermittelt wird.
Eine Band, die für solche Momente geschaffen ist, ist Deap Vally. Das Duo macht Bluesrock, der einem das Rückenmark elektrisiert und einem auch in Schlabberpulli und Adiletten das Gefühl gibt, ein Rockstar zu sein.
Lindsey Troy und Julie Edwards haben sich 2011 in Los Angeles zusammengeschlossen, 2013 ihr erstes Album veröffentlicht und nehmen heute die ganz grossen Bühnen dieser Welt auseinander: Die beiden waren schon mit der kanadischen Electroclash-Sängerin Peaches, der australischen Rockband Wolfmother oder den kalifornischen Alternative-Rockern Red Hot Chili Peppers auf Tour.
Entsprechend nervös bin ich also, als ich die beiden zum Interview treffe. Unberechtigt, wie sich herausstellt, als ich den Backstagebereich betrete: Troy und Edwards hängen entspannt in Yogahosen und Glitzerstiefeln auf den Sofas herum – mittendrin die kleine Mira, Edwards’ neun Monate alte Tochter – und nach einem Kompliment der Schlagzeugerin, dass meine Samtleggins «totally amazing» aussehen, sind wir mitten im Gespräch.
annabelle.ch: Auf eurem neuen Album «Femejism» behandelt ihr Themen rund ums Thema Feminismus und Empowerment. Im Song «Smile More» gibt es die Zeile: «And yes I am a feminist, but that isn’t why I started doing this.» Was ist damit gemeint?
Lindsey Troy: Das ist eine Reaktion darauf, dass wir ständig gefragt werden, wie es so ist als Frau in einer Rockband zu sein. Was sehr irritierend ist, denn Männer fragt man nicht, wie es denn ist als Mann in einer Band.
Julie Edwards: Genau. Als wir unser erstes Album («Sistrionix», 2013, Anm. d. Red.) herausgebracht haben, wurden wir von vielen Journalisten darauf reduziert, dass wir Frauen sind. Es hiess dann oft: «Ach, zwei Frauen in einer Rockband, die in ihren Songs Frauenthemen behandeln – das sind also einfach zwei laute Feministinnen», mehr wurde uns nicht zugestanden. Dabei haben wir uns nie um dieses Label gerissen, wir singen einfach darüber, was uns beschäftigt.
Lindsey Troy: Es nervt, dass man immer gleich in eine Ecke gestellt wird. Wir sind nicht zwei wütende Frauen, wir machen einfach Rockmusik. Natürlich sind wir Feministinnen, aber deshalb müssen wir nicht in jedem Interview darüber sprechen.
Aber das Thema scheint euch schon wichtig zu sein – ihr habt sogar den Namen eures neuen Albums daran angelehnt.
Lindsey Troy: Natürlich singen wir auch darüber, wie mühsam es ist, dass uns Frauen gesagt wird, wie wir uns zu verhalten haben. Aber viele dieser feministischen Anliegen gelten für beide Geschlechter, auch Männer werden diskriminiert. Nur: Wenn zwei Frauen darüber singen, dann sind sie gleich Feministinnen. Würde ein Typ darüber einen Song machen, dann würde das einfach akzeptiert und beklatscht – aber nicht gelabelt.
Julie Edwards: Naja, aber es gibt schon Themen, die nur Frauen betreffen. In «Smile More» geht es ja genau darum: Wir Frauen müssen immer lächeln, immer süss und lieb sein. Männer hören das nie, es entspricht nicht ihrer gesellschaftlichen Rolle. Sie wissen nicht, wie sich das anfühlt. Männer und Frauen werden einfach unterschiedlich behandelt, auch im Musikbusiness.
Inwiefern?
Lindsey Troy: In einer Band zu sein, ist immer harte Arbeit. Es ist nie einfach, als Musikerin oder Musiker Erfolg zu haben. Aber wenn du dir mal anschaust, wie das Musikbusiness funktioniert, dann wird schnell klar: Es sind zu einem sehr grossen Teil noch immer Männer, die Erfolg haben. Wenn zwei Frauen eine Band haben, dann gilt das schon fast als eigenes Genre, als etwas Spezielles, und das ist es doch nicht. Und dann werden wir in Interviews gefragt, übrigens oft von Journalisten, selten von Frauen, warum wir Feministinnen sind. Das ist so frustrierend!
Dass euch diese Frage gestellt wird, könnte auch daran liegen, das es unter Musikerinnen gerade im Trend zu sein scheint, sich als Feministin zu bezeichnen: Beyoncé, Taylor Swift …
Julie Edwards: Ist Taylor Swift Feministin?
Lindsey Troy: Das ist doch einfach fauler Journalismus, ganz ehrlich.
Julie: Und Clickbaiting.
Lindsey Troy: Genau! Ich lese gerade das Buch «Blink» («The Power of Thinking Without Thinking» von Malcolm Gladwell, Anm. d. Red.). Darin geht es unter anderem darum, dass eine Süssgetränkefirma in einem Experiment herausgefunden hat, dass Konsumenten ein Getränk eher kaufen, wenn ihnen die Verpackung gefällt. Und genau das passiert uns auch: Journalisten interviewen uns, ohne unsere Musik zu kennen, und klatschen dann die Headline «Wütende Feministinnen» drüber, weil es gut verkauft. Das nervt! Und dabei ist die Antwort ganz einfach: Natürlich sind wir Feministinnen, auch weil wir es müssen. Im Feminismus gehts nicht darum, die Frau über den Mann zu stellen, es geht um beide Geschlechter und darum, wie wir zusammenarbeiten können – nicht gegeneinander. Es geht um Gleichberechtigung und darum, dass wir alle die gleichen Möglichkeiten haben müssen.
Julie Edwards: Ich finde, als Musikerinnen müssen wir feministisch denken, weil wir so ambitioniert sind. Gleichberechtigung bedeutet Erfolg – für beide Geschlechter. Mit unserer Musik haben wir die Möglichkeit, das Denken der Menschen zu verändern. Zu ändern, wie man Frauen wie uns sieht.
Wie meint ihr das?
Lindsey Troy: Ich weiss, es ist immer dieselbe Rede, aber es ist einfach so: Wenn ein Typ selbstbewusst und zielstrebig auftritt, ist das cool und wird respektiert. Wenn es eine Frau tut, ist sie eine Zicke und gilt als anstrengend. Wenn es eine farbige Person tut, wird sie als «angry black man» bezeichnet. Sprich: Wenn du jemand anderes als ein weisser Mann bist, darfst du eigentlich nicht wütend oder ambitioniert sein. Und das wollen wir ändern.
Seht ihr eure Musik auch als Aktivismus?
Julie Edwards: Nein, das klingt so ernst, das ist nicht unsere Herangehensweise. Wir wollen nicht predigen, was die Leute zu tun haben. Sondern zeigen, dass es eben auch andere Wege gibt, feministische Themen zu behandeln.