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Glück nach Noten

Leben

Glück nach Noten

  • Aufgezeichnet von Helene Aecherli; Foto: iStock

Kann man lernen, glücklich zu sein? Die Sekundarlehrerin Lucia Miggiano lanciert in der Schweiz das Schulfach Glück. Sie erklärt, warum.

«Schülerinnen und Schüler leiden heute häufig unter Erwartungsdruck, Lustlosigkeit und Schulangst. Viele Lehrer sind überlastet und gesundheitlich gefährdet. Wollen wir das einfach hinnehmen? Ein glückliches Leben zu führen, ist gesellschaftlich ebenso relevant wie das Aneignen von Wissen. Lebenskompetenz, Lebensfreude und Lösungsorientiertheit sind nicht einfach Schicksal, sondern lassen sich erlernen. Hier kann die Schule einen Beitrag leisten. Das ist die Philosophie, die dem Schulfach Glück zugrunde liegt.

Glück ist ein schwieriger Begriff, er bedeutet für jeden etwas anderes. Ich verstehe unter Glück, zu erkennen, worum es mir in meinem Leben geht und was mich ausmacht. Bevor ich Sekundarlehrerin wurde, war ich Mitglied des Verwaltungsrats einer Private-Equity-Bank. Ich liebte meine Arbeit. Doch eines Tages fragte mich mein Sohn: ‹Mama, was machst du eigentlich den ganzen Tag?› Das brachte mich ins Grübeln. Ich realisierte, dass ich noch etwas bewirken will in dieser Welt. Da entschied ich mich für eine Ausbildung zur Sekundarlehrerin. Damals war ich 46.

Während ich täglich vor meiner Klasse stand, wurde mir klar, dass der Lehrplan 21 darauf baut, dass die jungen Menschen einen Prozess durchlaufen, der sie befähigt, Entscheidungen zu treffen und sich selbst zu reflektieren. Aber ich sah nirgends, wie ich als Lehrerin einer Schülerin oder einem Schüler vermittle: ‹Du bist jemand. Du kannst etwas.› Zwar hatte ich einen gefüllten Rucksack mit Didaktik, Methodik und Fachwissen, doch fehlten mir gerade diese übergeordneten Ansätze. Ich begab mich auf die Suche nach einem Werkzeug und stiess in Deutschland auf das Schulfach Glück.

Das Schulfach muss man so verstehen: Geübt werden zum Beispiel das Erkennen der eigenen Stärken, das Vergegenwärtigen von Visionen oder Lebensmotiven: Wofür bin ich dankbar? Was würde ich gerne machen? Wie lässt sich mein Ziel realistisch planen? Kann ich mich mit anderen zusammentun, die meine Fähigkeiten ergänzen? Dazu gehört auch, analysieren zu lernen, weshalb man keinen Erfolg hatte, und daraus Erfahrungen zu schöpfen. Ich nenne das ‹kompetent scheitern›. Mit dieser positiven Grundhaltung werden unsere Schülerinnen und Schüler zu starken Persönlichkeiten.»

Lucia Miggiano und ihre Kollegin Uta Köfeler vermitteln derzeit das Konzept in Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Fritz-Schubert-Institut an Seminaren für Lehrpersonen und Coaches. Ziel ist, dass an Kindergärten und Schulen wöchentlich zwei Stunden Glück unterrichtet werden.

Infos: remaking.ch