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Wie ist es eigentlich, als Mann auf Highheels zu stehen?

Wie ist es eigentlich, als Mann auf Highheels zu stehen?

  • Aufgezeichnet von Andrea Monica Hug, Bild: Freeimages

Peter Keller erzählt, wie es ist, als Mann Highheels zu tragen.

In Highheels gehe ich ganz anders. Graziöser. Aufrechter. Auch wenn mir alle irgendwann wehtun, liebe ich es, Stögelischuhe zu tragen. Momentan besitze ich vierzig Paar, vor allem Pumps und Stiefel, ausschliesslich elegante Schuhe. Ich mag keine billigen Sexshop-Heels. Es muss ein Schuh sein, der Klasse hat, den jede Frau gern im Ausgang tragen würde. Am liebsten hätte ich natürlich Louboutins, die mit der roten Sohle. Aber die sind mir doch etwas zu teuer. Natürlich war ich auch schon an der Street Parade; mit Catsuit und Stiefeln mit 16 Zentimeter hohen Absätzen. Danach taten mir einen Monat lang die Fussballen weh. Das wars aber wert!

Schon als ich ein kleiner Knirps war, habe ich den Frauen, die bei uns zu Besuch kamen, die Schuhe geklaut. Ich stand sogar nachts heimlich auf und schlüpfte in die Pumps meiner Mutter – dabei wusste ich genau, Jungs sollten so was eigentlich nicht tun. Mein erstes Paar hochhackige Schuhe kaufte ich mir schliesslich in der Stifti. Ich versteckte sie in meinem Zimmer in einem Geheimfach. Es war ein Schuh mit Plateausohle aus imitiertem Schlangenleder: weiss, mit einem zwölf Zentimeter hohen Absatz. Grösse 42. Die Verkäuferin fragte: «Ist der für dich? Wenn ja, darfst du ihn gern probieren!» Das nahm mir viele Hemmungen.

Als ich mir mit zwanzig Jahren mein erstes Auto kaufte, wurde vieles einfacher. Endlich konnte ich meine Leidenschaft auch ausserhalb der eigenen vier Wände ausleben: Ich packte die Schuhe ins Auto und ging nachts auf einem abgelegenen Weg in ihnen spazieren. Wie man in einschlägigen Blogs liest, machen das die meisten Männer mit demselben Fimmel so. Highheels sind für mich in erster Linie eine Leidenschaft, kein Fetisch. Der sexuelle Reiz der Schuhe spielt für mich eine untergeordnete Rolle.

Während meiner ersten Beziehung war mein Schuhfimmel total tabu. Und als ich dann wieder Single war, rutschte ich in eine echte Identitätskrise. Ich trug zwar bis dahin nie Frauenkleider, es war da immer nur diese Faszination für Stögelischuhe. Dennoch begann ich mich ernsthaft zu fragen: Bin ich Mann oder Frau? Oder was ist mit mir los? Eines Tages kaufte ich mir sogar Bücher über Geschlechtsumwandlungen. Heute ist das kein Thema mehr. Auch wenn ich zugeben muss: Wenn ich nochmals auf die Welt kommen könnte, dann gern als Frau.

Meine Freundin Carmen war die Erste, der ich von meiner Leidenschaft erzählte. Sie nahm mich, wie ich bin. Als ich sie kennen lernte, arbeitete sie als Domina. Ich probierte das ebenfalls aus. Drei Monate lang ging ich bei einer Herrin in die Ausbildung, liess für mehrere Tausend Franken Ledercorsagen anfertigen. Bald merkte ich aber, dass es mir zwar durchaus gefiel, meine weibliche Seite mal so richtig auszuleben. Mit dem Dominieren hatte ich aber meine liebe Mühe. Ich hörte auf, kurz darauf ging auch die Beziehung zu Carmen in die Brüche.

Heute arbeite ich als Fahrlehrer. Wenn meine Schüler wüssten, dass ich heimlich Frauenschuhe trage, hätte ich vermutlich ein Problem. Keiner meiner heutigen Freunde weiss von meinem Geheimnis. Auch meine Mutter nicht, obwohl sie wahrscheinlich recht offen dafür wäre. Bei meinem Vater hingegen wäre ich mir da weniger sicher. Mein Bruder denkt sowieso, dass ich ein schräger Vogel bin. Er selber ist eher der Normalo-Typ. Wäre es gesellschaftlich akzeptiert, würde ich wohl jeden Tag Highheels tragen. Aber wer als Mann in Stögelischuhen rumläuft, gilt halt einfach nur als dummer Spinner.

Ich bin jetzt seit kurzem in einer neuen Beziehung. Meine Freundin weiss noch nichts von meinem kleinen Geheimnis. Ich glaube, dass mein Fimmel ein Trennungsgrund für sie wäre. Meine Schuhe lagern versteckt in Zügelkartons. Dafür habe ich ihr schon drei Paar Highheels gekauft. So kann ich meine Leidenschaft ein wenig kompensieren.

Name geändert