Rassismus wegen Corona: «Sie sehen mich als Gefahr für ihre Gesundheit»
- Text: Céline Geneviève Sallustio; Illustration: Babeth Lafon
Die französische Illustratorin Babeth Lafon hat vietnamesische Wurzeln und lebt in Berlin. Bereits als Kind erlebte sie Rassismus – doch noch nie wurde sie so diskriminiert wie seit dem Aufkommen des Corona-Virus.
Babeth Lafon: Kürzlich war ich auf dem Weg zum Zahnarzt und benutzte gemeinsam mit einer anderen Frau den Lift. Als ich meine Mütze auszog, bemerkte sie, dass ich Asiatin bin. Daraufhin verliess sie umgehend den Lift und nahm stattdessen die Treppe.
Das ist krass verletzend.
Ja, und es ist kein Einzelfall. Viele Menschen verhalten sich jetzt mir gegenüber so. Als ich mich neulich in der U-Bahn neben jemand anders setzte, stand der sofort auf, um mich dann von Weitem anzustarren. Einmal sass ich sogar mitten in der Rush Hour, auf der meist befahrenen U-Bahn Linie Berlins, über zehn Haltestellen ganz allein da. Weder links noch rechts von mir wollte sich jemand hinsetzen. Im Supermarkt meiden die Kassiererinnen direkten Körperkontakt, wenn sie mir das Rückgeld geben. Und auf der Strasse werde ich oft wortlos angestarrt, so, als ob ich mich dafür schämen müsste, frei herumzulaufen.
Sie haben auch früher schon rassistische Erfahrungen gemacht. Setzt die Corona-Epidemie da noch eins drauf?
Auf jeden Fall. Bisher wurde meine Würde noch nie so direkt attackiert. Es verletzt mich, dass andere Menschen solche Angst vor mir haben, dass sie mich als potenzielle Gefahr für ihre Gesundheit wahrnehmen. Ich komme aus Frankreich, aus einer lateinischen Kultur. Die Menschen auf der Strasse nehmen dort kein Blatt vor den Mund. So äussert sich auch Rassismus in der Öffentlichkeit: durch direkte verbale Kommunikation. Aus Deutschland, wo ich nun seit zwölf Jahren lebe, kannte ich das bisher nicht. Deshalb glaubte ich, Deutsche seien weniger rassistisch. Jetzt erkenne ich, dass ich mich geirrt habe.
Das ist bestimmt bitter für Sie.
Ja, es ist enttäuschend. Seit dem Ausbruch des Corona-Virus fühlt es sich für mich an, als würden die Leute ihr wahres Gesicht zeigen. Auf der ganzen Welt müssen Menschen asiatischer Herkunft nun Ähnliches durchmachen. Darüber zu sprechen scheint mir das einzig Richtige zu sein.
Auf Instagram schreiben Sie, dass Sie bereits in Ihrer Kindheit Rassismus erlebt haben. Wie hat sich das geäussert?
Mein ganzes Leben lang wurde ich «Ching-Chong», «du dreckiges Gelbes», «gelbe Hure», «Reisschüssel» oder «Schlitzauge» genannt. Oft gehört habe ich auch die Sätze «Geh zurück in dein Herkunftsland» oder, etwas harmloser, aber nicht minder blöd, «Kannst du Kung Fu oder Karate»?
Wie reagieren Sie auf solche Anfeindungen? Sprechen Sie die Menschen darauf an?
Ich bin ein Immigranten-Kind. Ich lebe als farbige Person in einer weiss dominierten Gesellschaft. Und ich bin eine Frau. Meine Eltern haben mich deshalb eher dazu erzogen, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Zudem fallen Opfer von Rassismus oftmals in eine Art Schockstarre. Lange Zeit habe ich mich überhaupt nicht gegen rassistische Angriffe gewehrt, doch ich fühlte mich schlecht dabei. Jetzt, wo ich älter und selbstbewusster bin, spreche ich die Leute direkt an und sage: Das ist rassistisch. Ich möchte keinen Aufstand machen und auch niemanden belehren. Aber wir schreiben das Jahr 2020, und Rassismus ist einfach nicht mehr tolerierbar.