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Kafi Freitag: «Es sollen sich Menschen finden, die einander guttun»

Leben

Kafi Freitag: «Es sollen sich Menschen finden, die einander guttun»

  • Interview: Kerstin Hasse; Foto: Instagram/Kafi Freitag 

Kafi Freitag arbeitet als Coach und Podcasterin. Um die Corona-Krise erträglicher zu gestalten, hat sie die Plattform «Binenand» ins Leben gerufen. Sie soll per Telefon Leute zusammenbringen, die jemanden zum Reden brauchen. Wir haben mit ihr über ihre Initiative gesprochen, über körperliche Einsamkeit und über die Tatsache, dass so ein Lockdown eben kein kreatives Sabbatical ist. 

annabelle: Kafi Freitag, wie und warum ist Binenand.ch entstanden?
Kafi Freitag: Vor knapp drei Wochen habe ich mit Sara Satir im Podcast «Kafi am Freitag» darüber gesprochen, dass jetzt eine sehr anspruchsvolle Zeit auf uns alle zukommen wird. Dass wir nicht für die Isolation gemacht sind und es sicher gut wäre, wenn wir mehrere Menschen zum Reden hätten. Ich habe dann bitz laut gedacht und die Idee von einer Plattform wie Binenand.ch entworfen, auf der man sich anonym und ganz ohne Profilbild miteinander austauschen kann. Das Gespräch sollte im Zentrum stehen, sonst nichts. Genau so ist nun Binenand.ch konzipiert.

Was erhoffen Sie sich von diesem Projekt?
Es wäre extrem schön, wenn sich auf Binenand Menschen finden würden, die sich gegenseitig guttun. So dass man sich gegenseitig durch den Lockdown lotsen kann und im besten Fall danach sogar weiter befreundet bleibt.

Was sind die schönsten Begegnungen, die Sie bis anhin bei Binenand am Telefon gemacht haben?
Es waren alle sehr herzerwärmend. Ich habe viele Anrufe getätigt, weil ich es ja austesten wollte. Die Leute erkennen meine Stimme sofort, weil sie sie oft schon vom Podcast kennen. Sie freuen sich dann und danken mir und erzählen mir, wie sehr wir – Sara und ich – sie durch diese Zeit begleiten. Das ist extrem schön.

Wie schützen Sie sich vor dem Missbrauch der Initiative?
Das kann man nur begrenzt. So wie überall im Netz, aber auch auf offener Strasse, kann man Menschen begegnen, die einem nicht guttun. Wir haben extra mehrere «Notausgänge» eingebaut, der erste wird nach drei Minuten aktiv, dann alle zehn Minuten. Dann muss man jeweils aktiv bestätigen, dass man im Gespräch bleiben möchte. Tut man das nicht, wird das Gespräch getrennt.

Sie arbeiten selber als Coach. Wie beobachten Sie aus fachlicher Sicht diesen Ausnahmezustand? Was macht er mit den Menschen?
Menschen, die schon vorher dünnhäutig waren, müssen jetzt doppelt auf sich aufpassen. Aber auch alle anderen sind jetzt sehr gefordert. Wir sind Herdentiere und nicht dafür gemacht, so lang so abgekapselt zu leben. Es gibt jetzt überall Konflikte. Alles, was sich im «normalen Leben» unter den Teppich kehren lässt, platzt jetzt auf wie eine Eiterblase. Wir befinden uns emotional im Ausnahmezustand.

Alle reden von Me-Time oder Self-Love. Grosse Worte – doch was können wir tatsächlich tun, um diese Zeit mental und körperlich heil zu überstehen? Mit Yoga ist es wahrscheinlich nicht getan.
Wenn Yoga einen glücklich macht, ist Yoga genau das Richtige. Aber ich denke, insgesamt ist es das Wichtigste, zu akzeptieren, dass wir jetzt nicht in einem kreativen Sabbatical sind, sondern, dass wir alle nicht genau wissen, wohin uns dieses Virus führen wird und wie die Welt und die Gesellschaft ausschauen werden, wenn das mal überstanden ist. Das fordert und blockiert uns sehr und lässt vielen von uns nicht sehr viel Energie übrig für kreative Prozesse. Also ist Geduld und Nachsicht gefragt. Und viele Remote-Kontakte, damit wir menschlich verbunden bleiben. Ausserdem tanze ich regelmässig zu lauter Musik in der Küche. Tanzen setzt Glückshormone frei und Musik ebenso und wir bleiben in Bewegung.

Unterstützen Sie Ihre Klientinnen als Coach im Moment digital?
Ja, per Telefon und Videotelefonie. Das geht erstaunlich gut. Wenn man sich bitz drauf einlässt, ist sehr vieles möglich.

Kann Coaching rein digital funktionieren – oder fehlt die persönliche Nähe?
Ich war mir zu Beginn nicht sicher, ob es funktionieren würde mit Klienten, die ich noch nie physisch vor mir hatte. Aber ja, es geht. Es kostet etwas mehr Energie, sich gegenseitig vollumfänglich wahrzunehmen, aber nach inzwischen knapp vier Wochen bin ich darin fast schon ein Profi.

Die körperliche Nähe fehlt uns allen. Kennen Sie einen Tipp gegen diese Art von Einsamkeit?
Wenn man eine Familie hat, kann man sich die körperliche Nähe dort holen. Mein Sohn (15) muss zurzeit täglich mindestens drei Umarmungen über sich ergehen lassen. Er trägt es mit Fassung! (lacht) Schwieriger wird es, wenn man ganz allein lebt. Es macht Sinn, sich in kleinen, geschlossenen Quarantänegruppen zusammenzutun, in denen man sich ausschliesslich gegenseitig besucht. So kann man mit einem besten Freund/einer besten Freundin zusammen Netflixen und sich etwas Nähe geben.

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«Die Begegnungen waren alle sehr herzerwärmend», sagt Kafi Freitag über ihre bisherigen Erfahrungen.