«Wir wollen zeigen, was Mädchen auch noch sein können»
- Interview: Melanie Keim; Bilder: ZVG
Magazine für Mädchen gibt es viele. Doch die Themenauswahl ist sehr eingeschränkt, findet Laura Simon. Sie bringt mit drei weiteren Frauen ein neues Mädchenmagazin für die Schweiz heraus und erklärt, weshalb es «Kosmos – Das Magazin für Mädchen (und den Rest der Welt)» braucht.
annabelle: Laura Simon, am gestrigen Welt-Mädchentag habt ihr eine Crowdfunding-Kampagne für ein neues Magazin für Mädchen zwischen acht und 13 Jahren gestartet. Wie kam es zu diesem Magazin?
Laura Simon: «Kosmos» gibt es seit drei Jahren in Polen und es ist dort ziemlich erfolgreich. Die polnischen Gründerinnen wollten ein Magazin schaffen, das Mädchen zeigt, dass sie sich unabhängig von Rollenerwartungen und bestehenden Ideen vom Mädchensein entwickeln können. Marta Kosińska, eine von uns vier Gründerinnen des Schweizer Magazins, hatte dieses Magazin für ihre zwei Töchter abonniert. Als sie vor drei Jahren von Polen in die Schweiz zog, suchte sie ein ähnliches Magazin auf Deutsch. Doch sie fand einfach nichts. So entstand die Idee, «Kosmos» in die Schweiz zu bringen.
Welche Bilder wollt ihr denn stattdessen vermitteln?
Wir möchten überhaupt kein Bild generieren. Alles, was jetzt schon zum Mädchensein gehört, darf dazugehören. Wir zeigen einfach noch anderes, was Mädchen auch sein und machen können. Es gibt extrem viele Magazine für Mädchen, doch die Themenauswahl ist sehr einseitig. Bei kleineren Mädchen geht es um Ponys und Prinzessinnen, später geht es um Fashion und Jungs. Dadurch werden Mädchen schon sehr früh auf bestimmte Rollenbilder reduziert. Wir möchten schlicht die Palette erweitern und greifen auch andere Themen auf – aus der Wissenschaft, Politik, Psychologie – und zeigen Vorbilder aus der Schweiz. Und zwar nicht nur Fussballerinnen oder Ingenieurinnen.
Was heisst das konkret?
Bei «Kosmos» wird in einer Ausgabe jeweils ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet, in der ersten Ausgabe ist das «Meine Stimme». Da geht es von der politischen Stimme über die Gesangsstimme bis zum Vogelgesang. Wir stellen beispielsweise eine Jodlerin vor oder eine Zwölfjährige, die in Basel für ein Rednerpult kämpft, an dem Kinder öffentlich ihre Meinung kundtun können. Oder wir erklären, wie Wut im Körper aufsteigt. Eine Freundin von mir begann zu weinen, als sie diesen Beitrag im Heft sah. Sie ist mit so viel Wut und unterdrückten Gefühlen aufgewachsen und wäre froh gewesen, wenn sie früher einen solchen Beitrag, mit dem sie ihren Körper besser versteht, mit auf den Weg bekommen hätte.
In der Probeausgabe findet man auch einen Beitrag zur Geschichte der Frauenrechte, eine Bauanleitung für ein Megafon und ein Spiel, bei dem es um Suffragetten geht. Das hat mich stark an den Frauenstreik erinnert. Hätte ein solches Heft vor fünf Jahren noch anders ausgesehen?
Ich glaube schon, dass der Frauenstreik die Aufmerksamkeit stärker auf solche Themen gelenkt hat und wir von dieser Welle profitieren können. Wir haben dieses Thema aber vor allem deswegen gewählt, weil wir mit der ersten Ausgabe ein starkes Signal setzen wollten. «Kosmos» will Mädchen eine Stimme geben. Doch wir nehmen auch ganz andere Themen auf, welche, bleibt noch eine Überraschung. Und ja, natürlich ist es ein feministisches Projekt, aber wir schwingen nicht die Moralkeule.
Das Magazin ist mit siebzig Seiten sehr umfangreich und soll alle zwei Monate erscheinen. Wie schafft ihr es, als vierköpfiges Team ein solches Heft herauszubringen?
Das Schweizer Magazin ist eine Zusammenarbeit mit dem polnischen Magazin. Wir picken Themenhefte raus, die uns gefallen, und übersetzen landesunabhängige Beiträge wie Bastelanleitungen, Spiele oder wissenschaftliche Beiträge auf Deutsch und Französisch. Den Rest erstellen wir selbst. Wir wollen das Heft sehr partizipativ gestalten. Die Leserinnen können uns jederzeit mit Rückmeldungen, Vorschlägen und interessanten Projekten kontaktieren. Die Idee ist, dass Mädchen Vorbilder aus der Schweiz kennenlernen und sich vernetzen, auch über die Sprachgrenzen hinweg.
In letzter Zeit wurde vermehrt darüber berichtet, dass heute eher die Jungs zu wenig Aufmerksamkeit erhalten und positive Vorbilder benötigen. Bräuchte es nicht ein Magazin für Mädchen und Jungen, das solche Themen aufgreift?
Das haben wir uns tatsächlich auch überlegt. Denn wir finden auch, dass Jungen andere Vorbilder bräuchten. Uns haben mehrere Mütter von Jungen kontaktiert und geschrieben, dass sie unsere Initiative unterstützen und sich ein solches Heft auch für Jungs wünschten. Wir fänden es supertoll, wenn jemand ein Magazin mit ähnlichem Anspruch für Jungen kreieren würde. Frauen erhalten in den Medien immer noch deutlich weniger Raum als Männer. Auch deshalb finden wir es wichtig, mit unserem Magazin ein Medium nur für Mädchen zu schaffen, in welchem sie und Frauen für einmal die volle Aufmerksamkeit erhalten.
Ob das Magazin wirklich publiziert wird, hängt nun vom Erfolg des Crowdfundings ab. Wie viele Leserinnen braucht «Kosmos»?
Im Heft gibt es keine Werbung, das ist uns wichtig. Es wird einerseits über Stiftungsbeiträge, Sponsorinnen und Spenden finanziert, andererseits über den Verkauf. Bis Mitte November müssen wir über das Crowdfunding rund 400 Jahresabos vorverkaufen, damit das Heft vor Weihnachten gedruckt werden kann. Die Rückmeldungen unserer jungen Testleserinnen waren richtig gut. Sie finden «Kosmos» interessant, unterhaltsam, schön gestaltet und vor allem ermutigend. Viele Frauen schreiben uns, dass sie sich früher auch ein solches Magazin gewünscht hätten. Und den allermeisten Frauen musste ich gar nicht gross erklären, worum es bei «Kosmos» geht. Sie wissen sofort, was wir mit «Kosmos» erreichen wollen und dass es ein solches Magazin braucht. Denn sie erleben täglich, was es heisst, nur fast gleichberechtigt zu sein.
Bei erfolgreichem Crowdfunding erscheint das Mädchenmagazin «Kosmos» ab Januar 2021 alle zwei Monate. Ein Jahresabonnement kostet 99 Franken. Einzelausgaben sind für 19 Franken auch in ausgewählten Buchhandlungen und Shops erhältlich. Crowdfunding-Abonnentinnen wird die erste Ausgabe noch vor Weihnachten zugeschickt. Mehr Informationen finden Sie unter kosmosmag.ch, das Crowdfunding können Sie hier unterstützen.
1.
Laura Simon ist Teil des «Kosmos»-Teams und sagt: «Viele Frauen schreiben uns, dass sie sich früher auch ein solches Magazin gewünscht hätten.»
2.
Das «Kosmos»-Team (v. l .n. r.): Martina Polek, Radiojournalistin mit polnischen Wurzeln, übersetzt aus dem Polnischen; Laura Simon ist Historikerin und freischaffende Lektorin; Cyrielle Cordt-Moller, Buchhändlerin und freischaffende Übersetzerin, übersetzt auf Französisch; Marta Kosińska hat in diversen Verlagen gearbeitet, führte in Warschau ihre eigene Buchhandlung und entdeckte das polnische «Kosmos»-Magazin für ihre zwei Töchter.
3.
Bei «Kosmos» wird in einer Ausgabe jeweils ein Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet.