Leben
«Ich behaupte nicht, die perfekte Katholikin zu sein»
- Text und Video: Stephanie Hess; Foto: Vera Hartmann; Schnitt: Kerstin Hasse
Sie hätte Boxerin werden können. Doch die Theologin Jacqueline Straub entschied sich für einen anderen Kampf – dafür, dass Frauen nicht nur Nasen, sondern auch Brot brechen dürfen.
annabelle: Irgendwie bringt man das schwer zusammen: Eine junge Frau aus einer nichtgläubigen Familie will katholische Priesterin werden.
Jacqueline Straub: Meine Eltern waren tatsächlich klassische Kulturchristen. Wir gingen einmal pro Jahr in die Kirche, an den kürzesten Gottesdienst, den es gab. (lacht) Unser Dorf jedoch war sehr katholisch. Nach der Erstkommunion haben sich alle meine Klassenkameraden als Ministranten gemeldet – ausser mir.
Wirklich?
Ja, die Kirche wirkte für mich damals nur beängstigend. Der Pfarrer war sehr streng, meine Religionslehrerin ebenso. Mein Bild änderte sich erst, als wir umgezogen sind. Eine meiner neuen Schulkameradinnen war in einer evangelischen Freikirche. Sie hat mir gezeigt, dass Kirche auch frisch, fröhlich und jung sein kann. Das hat mich interessiert. Ich begann, die Bibel zu lesen, und wir fuhren gemeinsam ins christliche Jugendcamp.
Dennoch blieben Sie katholisch?
Ich merkte bald, dass ich die Liturgie, also die Form der Gottesdienste, und die Rituale in der katholischen Kirche sehr gerne habe, weshalb ich am Ende dann doch noch Ministrantin wurde – mit 17!
Heute haben Sie als Theologin, Journalistin und Buchautorin vor allem ein grosses Anliegen: Frauen sollen katholische Priesterinnen werden dürfen.
Ja, mir wurde schon in meinen Teenagerjahren klar, dass ich Priesterin werden möchte. Entzündet hat sich mein Engagement aber erst mit dem Papstbesuch in Freiburg im Breisgau, wo ich damals Theologie studierte.
Was war der Auslöser?
Freiburgerinnen und Freiburger wurden aufgefordert, einen Beitrag für ein Buch zum Papstbesuch zu schreiben. Erst schrieb ich ein Gedicht. Dann dachte ich: Das ist Bullshit, wenn ich doch die Möglichkeit habe, dem Papst zu sagen, was ich denke! Also kroch ich mitten in der Nacht aus dem Bett und verfasste einen Beitrag darüber, dass ich Priesterin werden will.
Wie ging es weiter?
Der Beitrag wurde tatsächlich gedruckt. Der Papst reagierte zwar nicht darauf, dafür aber die Medien. Plötzlich erhielt ich eine Plattform für mein Anliegen. Seither trete ich in Talkshows auf, ich schrieb zwei Bücher zum Thema. Mein neustes handelt von Jugend und Kirche. Inzwischen bin ich zudem selbst TV-Redaktorin beim «Fenster zum Sonntag», das im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wird. Aktuell plane ich meine erste eigene Web-TV-Sendung, wo ich mir im Boxring einen Schlagabtausch mit gläubigen Promis liefere. Da vereine ich zwei meiner Leidenschaften: Boxen und Argumentieren.
Sie boxen?
Ja, ich trainiere seit sieben Jahren. Ich hatte einen Trainer, der mich als Kämpferin im Ring hätte ausbilden wollen. Aber ich entschied mich dagegen. Ich hätte fünf- bis siebenmal pro Woche trainieren müssen. Und ich wollte meine Freizeit in einen anderen Kampf investieren – in jenen, Priesterin zu werden.
Frauen wie Männer können in der katholischen Kirche auch schlicht Pastoralassistentinnen werden. Weshalb reicht Ihnen das nicht?
Für mich, aber auch für die Kirche, stehen die Eucharistiefeier und mit ihr die Kommunion im Zentrum. Also – stark verkürzt – das Stückchen Brot, das die Gläubigen in der Messe empfangen. Die Eucharistie kann nur von einem Priester gefeiert werden. Und ich verspüre die Sehnsucht, genau das zu tun.
Reformerinnen wie Sie haben es nicht leicht in der katholischen Kirche.
Ja. Manche in der katholischen Hierarchie haben Probleme mit Personen, die Veränderungen wollen. Ich erhalte zuweilen auch böse E-Mails, und manche treten auf Facebook einen regelrechten Shitstorm gegen mich los. Oft wird mir vorgeworfen, dass mein Verhalten nicht katholisch sei. Aber ich frage mich umgekehrt, ob denn diese Menschen genügend katholisch sind, wenn sie mich als Frau so diskriminieren. Ich behaupte übrigens nicht, die perfekte Katholikin zu sein.
Nicht?
Nein, ich bete beispielsweise nicht täglich den Rosenkranz. (lacht)
Aber das Vaterunser?
Ja, mehrmals pro Tag. Ebenso das Ave-Maria. Wenn ich auf den Zug gehe. Oder wenn ich mein Essen in der Mikrowelle wärme und sehe, es dauert noch 35 Sekunden. Aber ich bin bestimmt keine Klischee-Katholikin.
Was meinen Sie damit?
Ich bin nicht diese Art von frommer Frau, die zu allem Ja und Amen sagt. Die vor dem Priester auf die Knie fällt und ihm die Füsse küsst. Für mich sind Priester wie Bischöfe schlicht und einfach Menschen.
Man merkt: Es gibt Ausprägungen in der katholischen Kirche, mit denen Sie hadern.
Ja, ich hadere überall da, wo Menschen an den Rand gedrängt werden. Zum Beispiel Homosexuelle. Was da für Schaden verursacht wurde in den letzten Jahrhunderten! Von Aussagen von Bischöfen wie: «Du lebst in in Sünde, du bist kein richtiger Mensch. Das muss man therapieren.» Das ist so verletzend. Jesus ging zu den Menschen hin, hat sie umarmt, ihnen gesagt, dass sie gut sind, wie sie sind.
Woher nehmen Sie die Energie für Ihren Kampf?
(klatscht in die Hände und hält sie lachend in die Höhe) Von Gott natürlich. Manchmal bin ich selber erstaunt, wie viel Kraft ich habe. Vor Kurzem hat die Glaubenskongregation im Vatikan erneut verlauten lassen, dass Frauen definitiv keine Priesterinnen sein sollen. Und dass dies zum katholischen Glaubensgut gehöre. Das bedeutet: Es soll zum Kern des christlichen Glaubens gehören, Frauen in der Kirche zu diskriminieren. Das müssen Sie sich mal vorstellen!
Das entmutigt Sie nicht?
Nein, auch wenn diese Verlautbarung bedeutet, dass es noch Jahrzehnte dauert, bis Frauen Priesterinnen werden können, und ich es selber womöglich nicht mehr erlebe. Ich bleibe optimistisch – Gott sei Dank.
Jacqueline Straub (27) ist in Pfullendorf (D) aufgewachsen. Sie studierte Theologie auf Bachelorstufe in Freiburg im Breisgau (D) und Freiburg und erlangte ihren Master in Luzern. Heute ist sie als TV-Redaktorin tätig für die Sendung «Fenster zum Sonntag» des Schweizer Fernsehens. Sie schrieb die Bücher «Jung, katholisch, weiblich» und «Endlich Priesterin sein». Am 27. August erscheint ihr drittes Buch «Kickt die Kirche aus dem Koma». Sie ist verheiratet und lebt in Muri AG. jacqueline-straub.de
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