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Gender-Zeugs im Bundeshaus

Gender-Zeugs im Bundeshaus

  • Text: Silvia Binggeli; Foto: Flavio Leone

annabelle-Chefredaktorin Silvia Binggeli fragt sich, ob es wirklich darum geht, mit Frauenpolitik von sich reden zu machen.

Mit Frauenpolitik kann man sich – insbesondere als Frau – nirgends mehr so richtig profilieren. Schon gar nicht in Bern. Meine Kollegin Barbara Achermann hat das Parlament für eine Bestandesaufnahme in Sachen Gleichstellung besucht. Ihr Fazit, ein halbes Jahr nach den Wahlen, ist ernüchternd: Lohngleichheit, Vaterschaftsurlaub, Frauenquote, aber auch Alimentszahlungen für Ex-Partner – der Nationalrat, 68 Prozent Männer, im Schnitt über fünfzig, foutiert sich um Chancengleichheit. «Hör auf mit diesem Gender-Zeugs», raten Mentoren Politikerinnen, «das schadet deiner Karriere.» Mit Frauenpolitik kann man kein Geranium mehr gewinnen, nicht mehr von sich reden machen. Doch geht es darum?

Ein Klischee, aber leider immer noch wahr: Männer überlassen ihre beruflichen Entscheidungen gern dem Ego und der Aussicht auf Ruhm, im sicheren Wissen, dass niemand ernsthaft von ihnen erwartet, dann gleich auch noch als Väter und unterstützende Partner zu brillieren. Wir Frauen tragen unsere Errungenschaften immer noch zu leise vor und zögern zu lange vor neuen Aufgaben, weil wir alle Aspekte abwägen, von uns Perfektion erwarten, als Frau, als Mutter, als Vorgesetzte. Und dann sollen wir bitte auch gleich noch weiter locker für unsere Rechte kämpfen.

Monika Bütler schreibt, ebenfalls in dieser Ausgabe, über die Entscheidung der amerikanischen Professorin für Politikwissenschaft, Anne-Marie Slaughter, die 2011 ihre prestigeträchtige Stelle als Planungsstabschefin im Aussenministerium von Hillary Clinton aufgab, um näher bei ihren beiden Söhnen zu sein. Slaughter verfasste danach ein Essay, warum wir nicht alles haben können, und wird seither von Verfechtern traditioneller Geschlechterrollen als Beispiel für Unvereinbarkeit von Job und Familie zitiert. Was diese dabei gern unterschlagen: Sie ging nicht etwa zurück an der Herd, sondern zurück an die Princeton-Universität als Professorin. Sie sagt: «Feminismus bedeutet für mich, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten haben wie Männer, nicht, dass sie dann auch die gleichen Entscheidungen fällen.»

Den Geschlechterkampf weiter in lautstarken Wortgefechten und mit den immer selben Floskeln austragen? Darauf hat wirklich niemand mehr die geringste Lust. Trotzdem darf Chancengleichheit im Parlament nicht einem Monsterkater erliegen, weder bei Männern noch bei Frauen. Sie muss nun endlich unbürokratisch umgesetzt werden. Nicht weil man sich damit profilieren kann, soll oder muss. Sondern weil, sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht, schlicht niemand mehr überzeugende Argumente dagegen vorbringen kann.