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Frauenquote ist filmreif

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Frauenquote ist filmreif

  • Text: Miriam Suter; Foto: Getty Images

Achtzig Prozent der Schweizer Filmfördergelder gehen an Männer. Das soll sich nun ändern – mit einer Quote. Macht das Sinn? Junior Online Editor Miriam Suter hat mit Frauen aus unserer Filmbranche darüber gesprochen.

«Der Schweizer Film braucht starke Frauen», sagte Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch an der Verleihung des Schweizer Filmpreises. Von 52 Nominierten waren acht weiblich. Das entspricht einem Frauenanteil von gut 15 Prozent. Die Aussage von Corine Mauch motiviert und lässt hoffen. Bei mir bleibt jedoch die Frage zurück: Wo sind sie denn, die starken Frauen der Filmbranche?

Knapp 40 Prozent der Filmschaffenden in der Schweiz sind Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen oder Produzentinnen – und sie erhalten etwa 20 Prozent der Filmfördergelder. Filmprojekte von Frauen wurden 2013 und 2014 kumuliert mit knapp 15 Millionen Franken gefördert – diejenigen von Männern mit 40 Millionen Franken mehr. Aber: Es stammt durchschnittlich nur etwa ein Drittel der Anträge für Förderbeiträge von Frauen.

Diese Fakten haben Nicole Schroeder und Ursula Häberlin zusammen in ihrer Studie «Die Gender-Frage: Zahlen und Fakten aus der Schweizer Filmförderung» erarbeitet und im Frühling 2016 veröffentlicht. Schroeder ist Bereichsverantwortliche bei der Stiftung Weiterbildung Film und Audiovision FOCAL und Dozentin in Fachrichtung Film an der Zürcher Hochschule der Künste, Häberlin ist Geschäftsleiterin des Verbands Filmregie und Drehbuch Schweiz ARF/FDS. 

Gleichberechtigung scheint also auch in der Förderkultur der Filmbranche noch weit weg zu sein. Aber inwiefern sind wir Frauen mitverantwortlich für diesen Missstand? Warum überhaupt stellen weniger Frauen Förderanträge?

Fehlende Vorbilder und nicht genug Selbstvertrauen

Aus Sicht von Regisseurin Bettina Oberli («Die Herbstzeitlosen») fehlt es zum einen an weiblichen Vorbildern: «Männer haben mehr Vorreiter, die sie zitieren können. Bei Frauen ist das schwieriger.» Diese Problematik sehen auch junge Frauen, die neu sind im Filmbusiness. Etwa die Regisseurin Wendy Pillonel. Die 29-jährige Freiburgerin schliesst dieses Jahr den Masterstudiengang MA of Arts in Regie und Spielfilm an der Zürcher Hochschule der Künste ab und erzählt: «Die Schule im Rücken zu haben, gibt mir viel Sicherheit. Aber es gibt ein grundsätzliches Problem mit der Darstellung der Frau in unserer Gesellschaft. Eine Frau, die kämpferisch ist, wird kritisch beäugt. Veränderungen müssen aber radikal sein, sonst nützen sie nur wenig.»

Auch die Drehbuchautorin Silja Kornacher sieht diese Problematik. Die 26-Jährige wurde im Juli am Filmfest München im Rahmen der Drehbuchwerkstatt München/Zürich mit dem «Script Talent 2016»-Preis ausgezeichnet. In der Drehbuchwerkstatt, wo Frauen und Männer gleichermassen vertreten waren, empfand Kornacher die Frauen als unsicherer als die männlichen Teilnehmenden: «Männer gingen sehr entspannt an die Vermarktung der Drehbücher heran, mit einem grossen Selbstvertrauen, dass sie ihren Stoff gewiss unterbringen würden.»

Gender-Debatte keine Frauensache mehr

Unsicher und eingeschüchtert wirkte auf mich allerdings keine der Frauen, mit denen ich für diesen Artikel gesprochen habe. Woher kommt also diese Diskrepanz, dass es anscheinend viele toughe, beeindruckende Frauen in der Filmszene gibt, sie aber nach wie vor zu kämpfen haben? Ich will von Nicole Schroeder wissen, wie die Gender-Studie in der Filmszene aufgenommen wurde: «Wir haben sehr positive Reaktionen erhalten – enorm viele Leute, auch die meisten Förderinstitutionen, waren uns wohlgesinnt. Wir spürten schon auch Gegenwind – und zwar von Männern und Frauen – aber lange nicht so viel, wie wir angenommen hatten», erzählt sie mir.

Die Reaktionen auf die Resultate der Studie reichten von «da besteht dringender Handlungsbedarf» bis zu «das ist doch nicht so schlimm» und «Projekte von Frauen müssen wohl qualitativ schlechter sein». Zwar wurde den beiden auch immer wieder gesagt, das Thema Gleichstellung sei ein alter Zopf – jedoch erhielten Schroeder und Häberlin vor allem Lob für ihren Einsatz, etwa von den Mitgliedern vom Verband Filmregie und Drehbuch Schweiz. Grundsätzlich sei ein Wechsel in der Branche spürbar, erzählt Ursula Häberlin: «Die Gender-Debatte ist keine Frauensache mehr, immer mehr Männer klinken sich in die Diskussion ein.»

Auch Bettina Oberli hatte sich in einem Radiointerview öffentlich für eine Frauenquote in der Filmförderung ausgesprochen. «Daraufhin habe ich böse Mails bekommen, sicher 20 Nachrichten waren das», sagt die Regisseurin. Die Hauptkritik: Eine Quote sei nicht nötig, denn wer gute Arbeit leiste, setze sich damit auch durch. Für die 43-Jährige ist aber klar: «Um gute Arbeit leisten zu können, müssen Frauen zuerst dieselben Gelegenheiten wie Männer bekommen, überhaupt Arbeit zu leisten. Eine Quote, zumindest für eine gewisse Zeit, würde das auf einfache Weise regeln.»

Und die Basler Regisseurin Stina Werenfels («Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern») fügt an: «Es war lange nicht mehr chic, sich für Frauenthemen einzusetzen, man gilt dann als weinerlich. Oder es schwingt sogleich der Vorwurf mit, Qualitätsmängel zu kaschieren und sich mit diesem Thema einen illegitimen Vorteil verschaffen zu wollen. Aber jetzt liegt diese Diskussion wieder überall in der Luft und wurde selbst an den diesjährigen Oscars breit geführt.»

Die Gender-Studie von Ursula Häberlin und Nicole Schroeder sorgte nicht nur für Wirbel in der Branche. Sie wurde vom Bundesamt für Kultur (BAK) in die Verordnung für Filmförderung aufgenommen. Seit dem 1. Juli gilt: «Das Verhältnis der geförderten Projekte von Frauen und Männern soll in einem ausgewogenen Verhältnis zu den eingereichten Gesuchen stehen». Eine Frauenquote sei das aber nicht, erklärt mir Ivo Kummer, Leiter Sektion Film beim BAK: «Die beratende Fachkommission Film – die übrigens zur Hälfte mit Frauen besetzt ist – verfügt mit dem neuen Kriterium. dass bei gleicher Qualität die Gesuche von Frauen bevorzugt werden können, über eine entsprechende Orientierungshilfe. Eine Quote im engen Sinn besteht aber nicht.» Ist das nun die Lösung?

Quote als Motivationsschub

So lange Frauen ihrer Arbeit gegenüber so viel kritischer eingestellt sind als ihre Kollegen, werden die Anträge auf Förderung auch durch eine Quote wohl nur langsam ansteigen. Ein Lösungsweg könnte sein, diese Eigenschaft nicht als Schwäche anzusehen, findet die Zürcher Regisseurin Andrea Štaka («Das Fräulein»): «Selbstreflexion und Zweifel darf man als Frau von Vorteil sehen. Ich versuche am Set so zu arbeiten, wie es mir entspricht: weiblicher; intuitiver, zweifelnder, aber auch sanft und streng. Wenn ich so arbeiten kann, arbeite ich besser.»

Für die Filmemacherinnen, mit denen ich gesprochen habe, ist klar: Eine Frauenquote in der Schweizer Filmförderung könnte eine grosse Hilfe sein. «Mit der bisherigen Salamitaktik wird die Verteilung der Fördergelder – Steuergelder, die wohlbemerkt von beiden Geschlechtern bezahlt werden – auch in 30 Jahren noch nicht gleichberechtigt sein», findet Stina Werenfels. Und Andrea Štaka sieht die Quote vor allem als Motivationsschub: «In Schweden gibt es schon länger die Frauenquote in der Filmförderung. Dort stiegen die Anträge von weiblichen Filmschaffenden sofort an, nachdem die Quote kommuniziert wurde – die lagen zuvor auch etwa bei 30 Prozent. Es ist, als bräuchten die Regisseurinnen einen Schubs. Warum ihn nicht auch bei uns wagen?» Ivo Kummer glaubt noch nicht daran: «Ob es in Zukunft mehr Gesuche von Frauen geben wird, möchte ich heute bezweifeln.»

Es bleibt zu hoffen, dass die neuen Förderrichtlinien hierzulande den gleichen Effekt haben wie in Schweden und dass sich mehr Frauen der Filmszene motiviert fühlen, ihre Projekte einzureichen und ihre Stärke zu zeigen.