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Die Frauenklinik

Leben

Die Frauenklinik

  • Interview: Barbara Achermann; Foto: iStock

Stephanie von Orelli (52) weiss, wie man Chefinnen macht. Sie leitet die Frauenklinik Triemli in Zürich und hat fast ausschliesslich Ärztinnen in ihrem Kader.

annabelle: In der Schweiz ist nur jeder zehnte Chefarzt eine Frau. Was müsste sich ändern, damit es mehr Ärztinnen an die Spitze schaffen?
Stephanie von Orelli: Mehr Vorbilder: Klinikleiterinnen und Chefärztinnen, die zeigen, dass Führen Spass macht. Und es braucht die Unterstützung von ganz oben für die Karriereplanung von Ärztinnen mit Kinderwunsch. Wenn die Leitung wirklich will, dass Mütter Karriere machen, dann geht es auch.

Wie war das bei Ihnen, als Sie schwanger wurden?
Nach meinem Mutterschaftsurlaub konnte ich wieder in der gleichen Position weitermachen wie zuvor. Das war nur deshalb möglich, weil sich mein Vorgesetzter für mich einsetzte. Es gab Karrieristen, die während meiner Abwesenheit versuchten, meinen Platz einzunehmen.

Fehlt es auch am Willen der Ärztinnen? Möchten sich die meisten einfach nicht mit Haut und Haar dem Beruf hingeben?
Nein, das entspricht nicht meinen Erfahrungen. Aber Frauen wägen viel mehr ab, ob sich ein Karriereschritt lohnt. Sie fragen sich: Ist diese Arbeit sinnvoll? Traue ich sie mir zu? Kann ich meine Visionen verwirklichen oder bin ich nur Spielball eines Systems?

In der Frauenklinik Triemli haben Sie seit Jahren viele Ärztinnen im obersten Kader, momentan sind es sieben Frauen und ein Mann. Was machen Sie anders als andere Kliniken?
Bei uns arbeiten fünf von sieben Kaderärzten Teilzeit und zwar aus unterschiedlichen Gründen: weil sie kleine Kinder haben, humanitäre Einsätze leisten oder ihre betagten Eltern pflegen. Diese Ärztinnen zeigen ein enormes Engagement, man kann sie zum Beispiel jederzeit zuhause anrufen, wenn es eine wichtige Frage zu beantworten gibt. Wird jemand schwanger, freue ich mich und sehe das nicht als Problem. Es ist schlicht normal und wir organisieren das im Team. Eine reduziert, eine andere stockt ihr Pensum auf. Über die Jahre ist das ein Geben und Nehmen.

Wo liegen die Schwierigkeiten mit vielen Teilzeitangestellten?
Wir müssen als Chefinnen darauf achten, dass wir unterschiedliche Spezialisierungen in unserem Team haben und die Mitarbeitenden entsprechend fördern. Es muss nicht jede alles können. Jemand operiert gut, eine andere ist Expertin für schwierige Geburten. Mini-Pensen finde ich schwierig, eine Oberärztin sollte mindestens 60 Prozent arbeiten, um auch fachlich dabei zu bleiben.

Ist es für die Patientinnen nicht unangenehm, wenn sie es ständig mit einer anderen Ärztin zu tun haben?
Wird die Übergabe gut organisiert, ist es für die Patientin ein Vorteil, eine Zweitmeinung zu erhalten.

Ein Argument, das man häufig hört: Fürs Operieren braucht es Routine und Erfahrung. Das kann man nicht in Teilzeit lernen.
Das stimmt ein Stück weit. Das heisst nicht, dass man zehn Jahre lang 70-Stunden-Wochen machen muss. Es braucht aber eine Weile lang ein hohes Pensum. Ich empfehle sowieso allen Ärztinnen, die Karriere machen wollen, mindestens 70 Prozent zu arbeiten.

Sie leiten die Klinik im Jobsharing mit Natalie Gabriel. Zwischenzeitlich haben Sie sie aber auch allein geführt. Was sind die Vor- und Nachteile eines Zweierteams?
Es ist wichtig, die richtige Partnerin zu finden. Eine, die Werte und Einstellungen teilt und am gleichen Strick zieht. Hat man diese Person gefunden, gibt es nur noch Vorteile. Man ist besser zu zweit, weil man Entscheide diskutieren kann und mehrere Perspektiven immer eine Bereicherung sind. Man läuft auch weniger Gefahr, überheblich zu werden, weil man ständig gespiegelt wird.

Ändert sich in den Schweizer Spitälern etwas punkto Frauen in Führungspositionen?
Nur sehr langsam. Wir werden dazu gezwungen werden, diesen Prozess zu beschleunigen, wenn weniger Ärzte aus dem Ausland in die Schweiz kommen.