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Frauen, die nicht delegieren

Frauen, die nicht delegieren

annabelle-Redaktorin Barbara Achermann findet: Wer nicht delegiert, ist selber schuld. Wir finden: Richtig so! 

Mit meinem ersten Lohn kaufte ich mir keine Handtasche und auch keine Reise nach Südamerika. Ich leistete mir eine Putzfrau. Damals war ich Mitte zwanzig, lebte in einer WG und erntete von meinen Freundinnen entweder Spott («Prinzessin Diana») oder Verachtung («Total asozial, was zahlst du der überhaupt?»). Meine beiden männlichen Mitbewohner hingegen fanden die Idee grossartig.

Doch was mir Mitte zwanzig leichtgefallen ist, macht mir heute Mühe. Es dauerte Jahre, bis ich auf die Idee gekommen bin, meiner Putzfrau auch die Wäsche zu übergeben. Ich habe ihr Pensum erst nach einer demütigenden Eskalation aufgestockt. Diese ereignete sich an einem Montagabend. Als die Kinder endlich im Bett waren und ich mit meinem Mann Handtücher zusammenfaltete, schrie ich ihn an, weil er sie mal wieder halbierte und nicht drittelte («Nur so passen sie in den Schrank!»). Warum liess ich es so weit kommen? Und weshalb delegiere ich nicht noch viel mehr? Ich stehe bis in alle Nacht in der Küche und backe drei Geburtstagskuchen (einen für den Kindergarten, einen für die Kita, einen für daheim), anstatt sie beim Konditor zu holen. Velo flicken, Vorhänge nähen, Möbel streichen, Ferien buchen – ich reisse alles an mich. Mein Mann macht auch viel, aber seine Hemden bringt er seit Jahren in die Wäscherei zum Bügeln, Knöpfe lässt er von seiner Mutter annähen. «Das muss ich nicht auch noch können», sagt er. Und hat recht.

Ich habe lange geglaubt, das Leitmotiv der emanzipierten Frau müsse «do it yourself» lauten. Sie hat bei Obi einen Handwerkerkurs gemacht und kann seither Platten verlegen, liess sich vom Garagisten zeigen, wie man Pneus wechselt, von der Gärtnerin, wie man Bäume schneidet, vom IT-Spezialisten, wie man den Computer neu aufsetzt. Ich dachte tatsächlich, man sei erst wirklich unabhängig, wenn man alles selber macht. Das Gegenteil ist der Fall.

Nun mag man vielleicht einwenden, delegieren sei meist mit Kosten verbunden. Stimmt, aber erstens kann man den Geburtstagskuchen auch bei der Migros kaufen, und zweitens geht ein Bandscheibenvorfall auch ins Geld.

Mütter mit kleinen Kindern sind bekannt dafür, dass sie sich ungern helfen lassen. Die extremen unter ihnen nennt die Fachwelt Maternal Gatekeeper. Wie Türsteher bewachen sie ihre Kinder, weil sie glauben, nur bei ihnen werde der Nachwuchs optimal betreut. Erst vor einigen Tagen erzählte mir eine Kollegin, sie würde so gern einmal ihren Gottebueb hüten. Ihre Schwester sei zwar vollkommen übernächtigt, gebe das Baby aber nicht aus der Hand.

Grosseltern bedauern, dass sie ihre Enkel kaum anfassen dürfen, Väter ärgern sich, weil sie ihre Kinder nur mit einer Bedienungsanleitung ausgehändigt bekommen («Denkst an die Mütze, gell, und gib ihm nicht wieder Banane, das klebt an den Zähnen, die Wickeltasche hab ich schon gepackt»). Das Schlimmste ist aber das Gejammere der Türsteher-Mamis. Sie sehen sich als Opfer der patriarchalen Gesellschaft und machen die Männer für ihre 18-Stunden-Tage verantwortlich. Ich kann für sie kein Mitleid aufbringen, schliesslich bin auch ich gerade dabei, meine Lektion zu lernen: Wer nicht delegiert, ist selber schuld.