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«Die Frauen in meinen Bildern sind Subjekte und niemals Objekte»

Leben

«Die Frauen in meinen Bildern sind Subjekte und niemals Objekte»

  • Interview: Jacqueline Krause-Blouin; Fotos: Opera Gallery, Joseph Pisani (4)

Kate Moss, Naomi Campbell, Rihanna oder Madonna – Ellen von Unwerth hat sie alle fotografiert. Die deutsche Fotografin spielt bei ihren Werken gern mit dem Sexappeal der Frauen. Sie selber sagt, dass sie so die Stärke der Frauen einfangen will. Was aber hat diese plakative Weiblichkeit mit Feminismus zu tun? Und würde ein Bild einer halbnackten Claudia Schiffer auf einem Oldtimer heute noch abgedruckt? Wir haben die Fotografin getroffen und mit ihr über die Stärke von sexy Posen, Selfies und Humor in der Modebranche gesprochen. 

Sie hat Claudia Schiffer entdeckt, fotografiert Weltstars wie Rihanna oder Catherine Deneuve: Die 65-jährige Deutsche Ellen von Unwerth ist seit über 30 Jahren eine Ikone der Modefotografie. Unverkennbarer roter Faden in ihren Werken – Humor, Erotik und der berühmte Schlüsselloch-Effekt. Man fühlt sich beim Betrachten ihrer Bilder zuweilen ertappt, als wäre man in einer Szene gelandet, in der man eigentlich nichts zu suchen hat. Ellen von Unwerth kommt gerade mit Maxime Groosman, dem Geschäftsführer der Opera Gallery Zürich, vom Lunch in der «Kronenhalle». Auch ein Abstecher auf den Flohmarkt am Bürkliplatz musste vor dem Interview noch sein. «Ich kann keinen Flohmarkt auslassen», erzählt sie bei der Begrüssung. Gekauft habe sie auch etwas: ein Stück Stoff mit Rosenprint, um damit daheim in Paris ein altes Sofa zu beziehen. Ellen von Unwerths aktuelle Ausstellung in der Opera Gallery heisst «Pretty on the Inside», ein Umstand, der einen ob der riesigen Prints von wunderschönen Menschen ein wenig ratlos zurücklässt. 

annabelle: Ellen von Unwerth, wie wichtig ist Ironie in Ihrem Werk?
Ellen von Unwerth: Humor ist mir sehr wichtig. Ich will Spass haben, wenn ich arbeite. Meine Arbeit ist sehr spielerisch, ich nehme sie nicht zu ernst. Natürlich spielt Sexiness bei den Frauen, die ich zeige, eine grosse Rolle. Und Humor ist einfach irre sexy.

Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass es in der Modebranche oft an Humor fehlt.
Ja, das stimmt leider. In der Modebranche ist lachen nicht angesagt, das ist nicht cool. Absoluter Quatsch, wenn Sie mich fragen. Ich finde lachen sogar verdammt cool! Wenn ich mir manchmal die Modelbücher der Mädchen anschaue, denke ich: Mein Gott, warum schauen die alle immer gleich? Sieht man da auch mal eine Emotion? Aber nein, die meisten Fotografen und Designer wollen traurige und halb eingeschlafene Models. Das geht hoffentlich auch mal wieder vorbei.

Sie waren selbst über zehn Jahre Model. Wie beeinflusst diese Vergangenheit die Arbeit mit Ihren Modells?
Ich war ein sehr unglückliches Model. Ich war schon immer ein kreativer Mensch, aber als Model durfte ich mich nie einbringen. Man hat mir nur immer gesagt, ich solle still sitzen, nach rechts oder nach links schauen, was absolut frustrierend war. Meine Models dürfen vor der Kamera leben.

Trotzdem waren Sie erfolgreich, haben sogar mit Helmut Newton zusammengearbeitet.
Ja, einmal. Aber ich muss sagen, das war nicht sein bestes Foto (lacht). Es war irgendeine komische Werbung, und die Klamotten sahen doof aus. Helmut war an dem Tag auch nicht besonders nett zu mir. Ich musste auf furchtbar hohen Stöckelschuhen stehen und eine verkrampfte Pose halten, und er hat mich gar nicht beachtet. Als ich es dann nicht mehr halten konnte, hat er abgedrückt. Aber ich bin trotzdem froh, mit ihm gearbeitet zu haben. Seine Bilder sind so stark und erzählen eine Geschichte, und ich persönlich finde, dass er Frauen sehr stark darstellt.

Glauben Sie, dass Models heutzutage selbstbestimmter arbeiten als zu Ihrer Zeit?
Nein, das glaube ich nicht. Vielleicht die ganz berühmten, aber im allgemeinen nicht. Die Mädchen sind so jung, die kommen irgendwo aus Russland, und dann wird ihnen gesagt, was sie machen sollen. Viele nehmen ihre Karrieren leider nicht genug selbst in die Hand. Das ist so schade, die Jugend ist doch die schönste Zeit des Lebens. Und dann dürfen sie nichts essen, und andere bestimmen über ihr Leben. Man muss schon aufpassen, dass die Jahre nicht an einem vorbeifliegen.

Sie waren kürzlich Jurymitglied bei «Germany’s Next Topmodel», einer Show, die zwar wahnsinnig populär ist, aber gleichzeitig ständig in der Kritik steht, jungen Mädchen fragwürdige Rollenbilder zu vermitteln. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Um ehrlich zu sein, habe ich die Show selber noch nicht gesehen, nicht mal meine eigene Episode. Was ich sagen kann, ist, dass es halt eine Show ist und niemand gezwungen wird, da mitzumachen. Da es nicht die erste Staffel ist, weiss man vorher auch genau, was einen erwartet. Damit eine TV-Show interessant ist, muss es natürlich aufregend sein, und die Mädchen müssen Mut zeigen. Diese jungen Frauen leisten viel, sie shooten unter schwierigen Bedingungen, in Eiseskälte zum Beispiel, in Schuhen, die viel zu klein sind. Nun, so ist die Modelwelt abseits des Fernsehens aber auch. Ich habe damals auch Bikinis im tiefsten Winter tragen müssen und im Sommer Pelze. Selbst fotografiere ich übrigens keinen Pelz. Schon immer, ich konnte das einfach nie mit mir vereinbaren. Alkohol, Zigaretten – das ist mir alles egal. Aber Pelz, no way!

Wie kamen Sie zur Fotografie?
Nun, ich wollte eigentlich in München studieren, hatte aber nicht wirklich Lust dazu und ausserdem miserable Noten. Am ersten Tag auf dem Campus wurde ich dann von einem Modelscout angesprochen. Ich habe es gar nicht erst ins Unigebäude geschafft, bin gleich umgekehrt, um Model zu werden, und habe es seitdem nie bereut. Kurze Zeit später wurde ich nach Paris bestellt und bin bis heute geblieben. Mein erster Freund in Paris schenkte mir damals eine Kamera und brachte mir bei, wie man Fotos entwickelt – er hatte mein Talent offenbar vor mir erkannt.

1990 fotografierten Sie die Guess-Kampagne mit Claudia Schiffer – bis heute eine der bekanntesten Modekampagnen weltweit. Haben Sie eigentlich Claudia Schiffer viel zu verdanken, oder umgekehrt?
Ich hatte vorher für die deutsche «Elle» mit Claudia gearbeitet, ich fand die ganz süss, aber nichts weiter. Als ich dann in meiner Dunkelkammer die Fotos entwickelt habe, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen, dass sie ja exakt wie Brigitte Bardot aussieht. Daraufhin habe ich sie mit Big Hair und viel Eyeliner fotografiert, um die frappierende Ähnlichkeit noch weiter herauszuarbeiten. Kurz darauf habe ich sie für die Guess-Kampagne vorgeschlagen – aber wir hatten ja keine Ahnung, dass die einschlagen würde wie eine Bombe.

Wie ist Ihre Beziehung zu Claudia Schiffer heute?
Ach, Claudia ist immer noch die Gleiche, total pünktlich, und sie spielt noch immer vor der Kamera wie als ganz junges Mädchen. Ab und zu arbeiten wir noch miteinander, dann ist es wie früher. Kate Moss ist ein ähnlicher Fall, die ist auch noch so wie als junges Mädchen. Ich habe sie schon fotografiert, als sie erst 16 Jahre alt war.

Merkt man, wenn man einen künftigen Superstar vor der Linse hat?
Nein, überhaupt nicht. Gerade Kate ist ja nicht die typische Schönheit. Sie und Claudia haben etwas, das die Leute berührt. Fragen sie mich nicht, was das ist, es ist nicht in Worte zu fassen. Kate war damals ein schüchternes Croydon-Girl, gar nicht glamourös. Das hat sie sich zum Glück beibehalten, sie hat zwar wahnsinnig viel erlebt, ist aber nie abgehoben.

Wie haben Sie es geschafft, Kate Moss mit einer Gurke posieren zu lassen?
Das war eine Story für die US-«Vogue», die sie beim Einkaufen zeigen sollte, und da war halt ‘ne Gurke. Mädchen sind frech und sie sind keine Engel, da muss man meistens gar nicht viel machen. (lacht) Auch Kate hat es faustdick hinter den Ohren!

Weibliche Stars zeigen sich bei Ihnen oft in riskanten Posen. Warum vertrauen sie Ihnen?
Ich glaube, weil bei mir eine sehr lockere Atmosphäre herrscht und ich selbst eine Frau bin. Sie wissen, dass ich sie immer toll aussehen lasse, und sie wollen sich sexy zeigen.

Muss ein Foto von Ihnen immer eine sexy Komponente haben?
Ich finde es schon toll, wenn eine Frau sexy und gleichzeitig stark ist. Mir gefiel schon immer, auch in Gemälden, wenn ein bisschen Erotik im Spiel ist.

Wie schafft man es, dass eine Frau in sexy Pose Stärke ausstrahlt?
Ich glaube, man spürt das Verhältnis, dass ich zu den Frauen habe. Man sieht, das ich Feministin bin und zeige, wie ich die Frauen sehe. Ich würde Frauen nie zwingen, etwas zu tun, worauf sie keine Lust haben. Die Frauen in meinen Bildern sind Subjekte und niemals Objekte.

Muss man heute stärker aufpassen, wenn man sexy Bilder macht? Sind Sie als Fotografin unfreier geworden?
Nun, das Klima hat sich schon sehr verändert. Wenn man heute für «Vogue» arbeitet, bekommt man erst einmal eine seitenlange Liste von Dingen, die jetzt verboten sind. Die neue Prüderie nimmt einem teilweise den Spass. Ich finde, dass die Kunst frei sein muss. Und es ist schade, dass solche Regeln offenbar nötig geworden sind. Ich mache mittlerweile viel ausserhalb der Modebranche, weil ich es als Künstlerin halt einfach nicht mag, mir vorschreiben zu lassen, was ich tun darf und was nicht.

Und Männer fotografieren Sie weniger gern?
Ach, die Männer, die sind auch nett! Sie werden bei meinen Shootings halt immer ein bisschen geärgert und sind eher so Accessoires der Frauen. (lacht) Ich liebe das Spiel mit Make-up, Haaren, Klamotten. Ein Mann trägt einen Anzug, mal einen Hut oder mal gar nichts, aber das wars dann auch. Mit Mädchen zusammenzuarbeiten ist wie eine Party, es ist wie Barbie spielen.

Man hört, dass Sie auf Champagner bei Shootings schwören …
Ab und zu ein Gläschen bei einem Shooting ist schon nicht zu unterschätzen. Ich habe mal mit einer berühmten Schauspielerin für eine Chanel-Werbung gearbeitet. Sie sollte mit einer Perlenkette spielen, wie Marilyn Monroe. Leider sah sie überhaupt nicht aus wie die Monroe, und das kam alles gar nicht rüber. Da musste der Champagner her, und siehe da, nach zwei Schlucken hatten wir das Foto! Meine besten Bilder entstehen oft, wenn das offizielle Shooting vorbei ist und wir ein Fläschchen aufmachen.

Ein ikonisches Foto von Claudia Schiffer mit üppigem Dékolleté auf einem roten Sportwagen haben Sie «Big in America» genannt. Ein männlicher Fotograf könnte so etwas heute wohl nicht mehr machen …
Aber ich bin ja nun mal eine Frau. Bei dem Bild ist so viel Humor dabei, wenn Humor nicht mehr erlaubt ist, dann leben wir in einer traurigen Gesellschaft.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie Menschen am liebsten fotografieren, bevor die ihre Schokoladenseite kennen. Ist zu viel Eitelkeit schlecht für ein gutes Bild?
Ja, ich mag es nicht, wenn Menschen kontrolliert sind und meinen, sie seien nur aus einer gewissen Perspektive schön. Wir leben heute in einer sehr narzisstischen Gesellschaft. Wenn ich die ganzen Menschen sehe, die ausschliesslich sich selbst fotografieren, frage ich mich schon, was die eigentlich darstellen wollen. Wäre es nicht cooler, sie würden zeigen, was sie abgesehen von sich selbst interessiert? Ich finde es seltsam, dass die Selfie-Hysterie auch noch so abgefeiert wird.

Machen Sie selber Selfies?
Ich traue mich das kaum zu sagen, aber ich liebe die Instagram-Filter. Ab und zu mache ich also schon mal ein Selfie, wenn ich mit Freunden zusammen bin. Aber ich fühle mich immer ein bisschen schlecht dabei.

Ellen von Unwerth – Pretty on the Inside, bis zum 29. Juni in der Opera Gallery Zurich

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«Bei dem Bild ist so viel Humor dabei, wenn Humor nicht mehr erlaubt ist, dann leben wir in einer traurigen Gesellschaft.»

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«Humor ist mir sehr wichtig. Ich will Spass haben, wenn ich arbeite.»

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Ellen von Unwerth zusammen mit Maxime Groosman, Geschäftsführer der Opera Gallery Zürich

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