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Die Frau gehört ins Haus

Leben

Die Frau gehört ins Haus

  • Text: Jessica Prinz, Ines Häfliger; Bilder: Parlamentsdienste, Bern/Keystone STR

Auch im Bundeshaus wird der Tag der Frau gefeiert. Marina Carobbio, Nationalratspräsidentin, lud am 7. März in den Nationalratssaal zu einem Rundtischgespräch ein. Die Botschaft: Frauen können alles.

«Es ist kein Zufall, dass wir diesen Anlass hier im Nationalratssaal feiern», sagte Marina Carobbio, Nationalratspräsidentin und Vizepräsidentin der SP Schweiz in ihrer Begrüssungsrede zur Feier des Weltfrauentages. «Ich wollte diese Veranstaltung hier im Nationalratssaal machen, weil es eines der Hauptzentren der politischen Macht unseres Landes ist und somit einen starken symbolischen Wert hat.» 1991 fand an diesem Ort die Frauensession statt, um das 20-jährige Bestehen des Frauenstimmrechts und das 10-jährige Bestehen des Gleichberechtigungsartikels in der Verfassung hervorzuheben und voranzutreiben. 250 Frauen diskutierten zwei Tage lang im Bundeshaus über die Gleichstellung. An ebendieser Session zitierte Vize-Ständeratspräsidentin Josi Meier in ihrer Rede die Luzerner Grafikerin Karin Willimann – und prägte die Debatte mit folgenden Worten: «Erst heute begreife ich jene Männer, die mir am Anfang meiner Karriere sagten, die Frau gehöre ins Haus. Recht hatten sie. Die Frauen gehören ins Gemeindehaus, ins Rathaus, ins Bundeshaus».

Der Fokus der Veranstaltung lag dann allerdings nicht nur auf Frauen in der Politik. Es sei in allen gesellschaftlichen Bereichen wichtig, dass Frauen vertreten sind, sagte Carobbio. Dafür wurden vier Frauen zum Rundtischgespräch eingeladen: Die ehemalige Profifussballerin Caroline Abbé («Profifussballerinnen in der Schweiz müssen alle nebenbei arbeiten. Fussball ist ein Hobby – obwohl wir gleich viel trainieren, wie die Männer»), Giada Crivelli, UNO-Jugenddelegierte für die Schweiz 2018 («Seien Sie Multiplikatorinnen der feministischen Bewegung, sprechen Sie über Feminismus – grad mit denen, die die Nase rümpfen, wenn sie das Wort hören. Es ist heute unter jungen Leuten wieder cool, Feministin oder Feminist zu sein! »), Ursula Keller, Professorin des Instituts für Quantenelektronik der ETH Zürich («In gewissen Bereichen braucht es eben Starthilfe, flankierende Massnahmen, damit man als Frau nach oben kommen kann. Ich war auch eine Quotenfrau – und bin stolz drauf») sowie die CEO von IKEA Schweiz, Simona Scarpaleggia («Nicaragua, Costa Rica und Island haben den Ruf, als erste die Gleichstellung im Rahmen der Vereinten Nationen erreicht zu haben. Ich glaube aber, dass die Schweiz als innovatives Land die Ressourcen hätte, diese Länder zu überholen»).

Es sei wichtig, heute für Gleichberechtigung zu kämpfen, sagt Carobbio. Es sei aber auch wichtig, die Kämpfe anderer Frauen nicht zu vergessen. Aus diesem Grund wurden gestern zwölf Frauen im Bundeshaus geehrt. Die erste Ständerätin der Schweiz Lise Girardin, sowie die elf ersten Nationalrätinnen. Sie alle wurden im November 1971 als erste Frauen ins Amt gewählt, heute ziert eine Metalltafel mit Vor- und Nachname sowie der jeweiligen Amtszeit deren ehemaligen Platz. Ab Sommer werden zusätzlich an den Schreibtischen Biografien angebracht. Es sei das erste Mal, dass solche Tafeln im Nationalratssaal angebracht werden, sagte Portmann. Bis auf zwei weitere gekennzeichnete Plätze für die ersten beiden jurassischen Ständeräte. «Obwohl diese Frauen alle ausserordentliches geleistet haben – schliesslich wurden sie als erste in den National- beziehungsweise Ständerat gewählt – geht es bei dieser Ehrung weniger um die Einzelpersonen, sondern mehr um das kollektive Zeichen der ersten zwölf Frauen im Parlament.»

Es brauche solche positiven Beispiele für junge Frauen, betont auch Marina Carobbio. «Ich glaube daran, dass Frauen alles können. Dafür muss man sie aber unterstützen. Und genau das ist die Aufgabe der Politik.» Marina Carobbio gestaltet deswegen ihr Amtsjahr als Nationalpräsidentin im Zeichen der Frau. Ihr Anliegen ist es, Frauen zu ermutigen, sich politisch zu engagieren. Dafür lancierte sie die Webseite Politfrauen, auf welcher in regelmässigen Abständen Dossiers über historische Momente der Frauengeschichte sowie Videos von Verfechterinnen und Verfechtern der Frauenrechte gezeigt werden. Zudem wird über Aktionen und Anlässe im Bundeshaus zur Förderung der Gleichstellung informiert.

 

Die zwölf Pionierinnen und ihre wichtigsten Errungenschaften

Hedi Lang-Gehri (SP, ZH), 1971 bis 1983
Hedi Lang sei «eine Regierungsvertreterin des Volkes» gewesen, titelte die NZZ im Mai 1995 anlässlich ihres Rücktritts aus dem Zürcher Regierungsrat. Laut zeitgenössischen Medienberichten zeichnete sich die Sozialdemokratin durch ihre Zugänglichkeit und bescheidene Art aus. 1983 wurde sie als erste Frau überhaupt in eine Kantonsregierung gewählt. Von 1981 bis 1982 präsidierte Hedi Lang als zweite Politikerin überhaupt den Nationalrat.

Martha Ribi-Raschle (FDP, ZH), 1971 bis 1983
Mit 20 heiratete Martha Ribi, mit 28 war sie Witwe. Von diesem Schicksalschlag unterkriegen liess sich die Zürcher Freisinnige nicht. Sie studierte Volkswirtschaft, leitete Zürichs Stadtärztlichen Dienst, war Kantonsrätin, politisierte zwölf Jahre im Nationalrat – und zog ganz nebenbei ihre zwei Söhne gross.  

Josi J. Meier (CVP, LU), 1971 bis 1983
«Vor 20 Jahren wollte man uns zurückhalten mit dem Slogan ‹Die Frau gehört ins Haus!›. Natürlich gehören wir ins Haus: ins Gemeindehaus, ins Bundeshaus!» Josis Meiers Worte an der ersten Frauensession des Nationalrats von 1991 bleiben unvergessen. Genauso wie ihr politisches Wirken: Von 1971 bis 1983 war die Luzerner CVP-Politikerin und Anwältin Nationalratsmitglied, danach wechselte sie in den Ständerat, den sie von 1991 bis 1992 als erste Frau präsidierte.

Elisabeth Blunschy-Steiner (CVP, SZ), 1971 bis 1987
Ob Alfred Blunschy für den Nationalrat kandidieren möchte? Nein, wollte er nicht – schlug aber seine Frau Elisabeth fürs Amt vor. Prompt wurde diese in den Nationalrat gewählt. Den Höhepunkt ihrer sechzehnjährigen Amtszeit erlebte sie 1977: Die CVP-Politikerin wurde als erste Frau Nationalratspräsidentin. In Bundesbern kämpfte die Schwyzer Juristin unter anderem gegen die gesetzlich verankerte Bevormundung der Frau durch ihren Ehemann. Mit Erfolg: Das revidierte Eherecht von 1988 stellte Frauen den Männern gleich.

Lilian Uchtenhagen (SP, ZH), 1971 bis 1991
Um ein Haar wäre die Zürcher Sozialdemokratin Lilian Uchtenhagen 1983 die erste Bundesrätin geworden. Doch die bürgerliche Mehrheit verschwor sich gegen sie und wählte stattdessen ihren Parteikollegen Otto Stich. Trotz missglückter Kandidatur wandte die gebürtige Oltnerin der Politik nicht den Rücken zu. Bis 1991 war sie Mitglied im Nationalrat, wo sie sich unter anderem für eine verstärkte Kontrolle der Banken einsetzte.

Liselotte Spreng (PRD, FR), 1971 bis 1983
Der Vater war Arzt, ihr Mann Gynäkologe, sie selbst studierte in Bern und Lausanne Medizin. Während ihrer zwölf Jahren im Nationalrat engagierte sich die Freiburger Freisinnige Liselotte Spreng daher nicht nur in den Bereichen Familienrecht und Wohltätigkeit, sondern auch in der Medizinethik.

Hanny Thalmann (CVP, SG), 1971 bis 1979
1943 war Hanny Thalmann die erste Frau, die an der St. Galler Handelshochschule in Wirtschaftswissenschaften den Doktortitel erhielt. Ambitioniert war die St. Galler CVP-Nationalrätin auch in der Politik. Während ihrer achtjährigen Karriere in Bundesbern setzte Hanny Thalmann sich unter anderem für den Mutterschaftsschutz ein.

Gabrielle Nanchen (PSS, VS), 1971 bis 1979
«Am Anfang, um von meinen Kollegen akzeptiert zu werden, habe ich wie ein Mann politisiert. Das heisst, den Regeln des Spieles, der Konfrontation gefolgt», so die Walliser Sozialdemokratin gegenüber «Blick». In ihrer zweiten Amtszeit im Nationalrat habe sie sich von diesem männlichen Politikentwurf abgewandt. Sie setzte sich für die sozial Benachteiligten ein, nicht für die (wirtschaftlich) Mächtigen. Ihre Forderungen sind auch heute noch aktuell: Gabrielle Nanchen verlangte unter anderem ein flexibles Rentenalter und einen Elternurlaub.

Tilo Frey (PRD, NE), 1971 bis 1975
Tilo Frey gehörte nicht nur zu den ersten zehn Frauen im Nationalrat, sondern war als Tochter einer Kamerunerin und eines Schweizer ETH-Ingenieurs auch die erste dunkelhäutige Person, die in die Legislative gewählt wurde. Im Nationalrat setzte sich die Neuenburger Freisinnige für Lohngleichheit, eine Legalisierung der Abtreibung und eine intensivere Zusammenarbeit mit nicht industriellen Ländern ein.

Nelly Wicky (PdT, GE), 1971 bis 1975
Die Genferin vertrat im Nationalrat die Partei der Arbeit. Während ihrer vierjähriger Legislatur setzte sich die ehemalige Primarlehrerin insbesondere für den Mutterschaftsschutz und einen freiwilligen Militärdienst ein.

Hanna Sahlfeld-Singer (SP, SG) 1971 bis 1975
Die St. Galler Sozialdemokratin war die erste Parlamentarierin, die während ihrer Amtszeit Mutter wurde. 1975 verabschiedete sie sich von Bundesbern. Nicht wegen ihres Kindes, sondern weil ihr Mann, ein reformierter Pfarrer, aufgrund ihres politischen Wirkens keine Stelle mehr fand.

Lise Girardin (PRD, GE),  1971 bis 1975
Der Kanton Genf führte das Frauenstimmrecht nicht erst 1971, sondern «bereits» 1960 ein. Davon profitierte die Freisinnige Lise Giardin, die von 1961 bis 1971 als erste Ständerätin dem Kantonsparlament angehörte. 1971 schaffte sie als erste Frau den Sprung in den Ständerat. Lise Giardin engagierte sich unter anderem für eine Legalisierung der Abtreibung, der Gleichstellung von Mann und Frau sowie für den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum.

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1.

Im Rundtischgespräch diskutierten Ursula Keller, Professorin des Instituts für Quantenelektronik der ETH Zürich (links), die ehemalige Profifussballerin Caroline Abbé (zweite von links), Giada Crivelli, UNO-Jugenddelegierte für die Schweiz 2018 (zweite von rechts),  und CEO von IKEA Schweiz Simona Scarpaleggia (rechts) über das Thema «Berufe: Frauen können alles». Das Gespräch wurde von Journalistin Nadine Jürgensen geführt.

2.

Unter den Anwesenden befanden sich Hanna Sahlfeld-Singer sowie Gabrielle Nanchen, zwei der ersten zwölf Parlamentarierinnen im Bundeshaus

3.

Die Namen der zwölf Pionierinnen wurden in Metalltafeln eingraviert und zum Gedenken an deren früheren Platz angebracht