Mit dem VW-Bus verreisen – für unsere Autorin das Höchste der Gefühle. Sie gibt Tipps für alle Träumenden da draussen, die sich noch nicht getraut haben, sich einen sogenannten Bulli anzuschaffen.
Mit seinen kullernden runden Augen und den knalligen Farben erregt er immer Aufmerksamkeit. Er ist gross, gut gebaut, bodenständig – er ist Everybody’s Darling. Mir hat er schon als Teeniemädchen den Kopf verdreht. Der VW-Bus.
Ein VW-Bus ist nicht einfach ein Auto, das wird Ihnen jede stolze Bulli-Mutter und jeder glückliche Bulli-Vater bestätigen. Jede und jeder wird Ihnen den Namen ihres oder seines Busses nennen, jede wird Ihnen Geschichten über Freud und Leid erzählen, als handle es sich um ein enges Familienmitglied. Ein VW Bus ist ein treuer Begleiter. Mit ihm lässt es sich besonders gut reisen, denn er bietet die perfekte Mischung aus Freiheitsgefühl, Unabhängigkeit und Luxusferien. Mit dem Büssli hat man jederzeit das eigene kleine Zuhause dabei.
So viele Oooohs und Aaaahs erhielten mein Freund und ich bereits für unser Büssli. Und so viele «Ich möchte auch so einen haben. ABER…». Viele Leute lassen sich von Ängsten und fehlendem Wissen abhalten. Aber wenn ich so was kann, dann können Sie das auch. Falls Sie also schon lang mit dem Gedanken spielen, sich einen kultigen Reisebuddy anzuschaffen, aber noch letzte Zweifel haben: hier meine Tipps – für den Kauf, die Restauration, den Ausbau und die Reise. Lassen Sie sich ein wenig die Angst nehmen, schneiden Sie sich ein Scheibchen meiner Naivität und meines Optimismus ab, und stürzen Sie sich kopfvoran ins Abenteuer VW-Bus. Ich wette, Sie werden es nicht bereuen.
Der Kauf
Wo bekommt man ihn überhaupt her, den Bulli? Und ist so ein Projekt überhaupt bezahlbar? Eines mal vorweg: Es muss gar nicht so langwierig und kostspielig sein, wie man immer hört. Wer gewillt ist, selbst Zeit und Arbeit in den Bus zu stecken, kann sich einen Bulli durchaus zu einem humanen Preis leisten. Ausserdem: Ein VW-Bus ist eine Investition, die, wenn man ein wenig Sorge trägt, grundsätzlich nicht an Wert verliert – im Gegenteil!
Bei der Suche nach dem perfekten Begleiter brauchen Sie dann vor allem eines: Geduld. Es finden sich immer wieder zahlreiche Angebote, online und offline. Am besten suchen Sie nach VW-Bussen bei den üblichen Secondhandportalen wie ricardo.ch oder tutti.ch. Auch auf ebay.de werden immer wieder Busse eingestellt, die Verzollung und das Einlösen in der Schweiz kann hierbei allerdings zur Prozedur werden. Grad beim Kauf im Internet muss man aber immer Vorsicht walten lassen. Kaufen Sie keinen Bus, ohne ihn gesehen zu haben, auch wenn das Angebot einmalig scheint.
Auch unterwegs sollten Sie immer nach Kaufobjekten Ausschau halten. Unser Auserwählter stand beispielsweise einfach am Strassenrand mit einem «Zu verkaufen»-Schild am Seitenspiegel. Mit ein wenig Geduld finden Sie den Richtigen, der ganz gut beieinander und fahrtüchtig ist. Und mit etwas Glück sind Sie mit 6000 bis 8000 Franken dabei. Einen T3, den eckigen Nachfolger der Modelle T1 und T2, bekommen Sie oft sogar noch günstiger und teilweise auch in besserem Zustand. Der ist zwar nicht so kultig, wie seine beiden Vorgänger, bietet jedoch trotzdem einige Vorteile, wie zum Beispiel etwas mehr Platz – und bei der Grösse kommts auf jeden Zentimeter an.
Im Gegensatz zum Kauf eines normalen Autos spielt es hier keine Rolle, wie viele Kilometer der Bus auf dem Tacho hat – ganz zu Schweigen davon, dass man von der fünfstelligen Anzeige sowieso nicht ablesen kann, ob der Gute 200 000 oder 300 000 Kilometer auf dem Buckel hat. Können Sie eine Probefahrt machen, ist das schon mal sehr gut, und wenn er Ihnen dabei nicht gleich unter dem Hintern wegrostet noch besser. Ein paar Roststellen wirds immer geben, der grosse Vorteil: Jedes einzelne Blech können Sie im Internet nachbestellen und verschweissen. Der VW-Bus hat viele Fans, weswegen Ersatzteile und -bleche keine grossen Probleme darstellen. Nehmen Sie einen Garagisten mit, Freunde, die Ahnung haben, oder potenzielle helfende Hände. Lassen Sie sich beraten, lassen Sie sich alle Nachteile aufzählen und die Arbeit vor Augen führen. Die Entscheidung sollten Sie dann trotzdem mit Herz und Bauch treffen.
Die Restauration
Wenn Sie bisher nur abgehalten hat, dass man in all den Forumsbeiträgen über die viele Arbeit lamentiert, die Monate, ja gar Jahre, die angeblich bei der Restauration draufgehen können: Vergessen Sie das! Stellen Sie sich mal kurz vor, wie Sie im Bus bei Sonnenaufgang durch finnische Wälder oder entlang der italienischen Riviera fahren, fühlen Sie den Wind, der Sie an den Füssen kitzelt, während Sie diese unterwegs lässig aus dem Fenster baumeln lassen – und dann schnappen Sie sich ein Bier, ziehen Ihre Latzhose an und machen sich an die Arbeit.
Am besten gehen Sie strategisch vor. Machen Sie eine Liste. Muss geschweisst werden? Bereiten Sie, wenn Sie das nicht selber können, die Stellen gut vor, besorgen Sie alle benötigten Bleche (auf bus-ok.de zum Beispiel). Wie sieht der Lack aus? Muss er nur ausgebessert werden, oder ist eine Neulackierung nötig? Besorgen Sie sich Farbmuster in RAL- oder NCS-Codes, ob nur die klassischen Originalfarben oder knallbunte, moderne Farben, bleibt Ihnen überlassen. Wie sieht der Bus innen aus? Ist eine Campingeinrichtung vorhanden, die man auffrischen kann? Ist der Bus leer? Reissen Sie erst mal alles raus, was bei der Restauration nicht da sein muss. Wenn Sie elektronische Geräte entfernen, dokumentieren Sie diesen Schritt gut, damit Sie später alles wieder korrekt anschliessen können. Läuft der Motor? Da lohnt es sich, als Erstes mal einen Ölwechsel und eine Luftfilterreinigung zu machen und den Motor von einem Profi durchchecken und korrekt einstellen zu lassen.
Schweissen und lackieren ist nicht so ganz Ihr Ding? Meins auch nicht. Zum Glück gab es bei unserem Bus nur ganz wenige Schweisserarbeiten zu erledigen. Wenn Sie weder Know-how noch Werkzeug haben, fragen Sie in einer Garage nach, ob man sich vielleicht auf einen Deal mit Ihnen einlässt: Der Lehrling darf an Ihrem Bus Erfahrung sammeln, Sie bezahlen dafür nicht so viel. Vielleicht können Sie auf irgendeine Weise mithelfen und so Kosten sparen. Oder Sie können nachfragen, wie Sie den Bus optimal auf die Arbeiten vorbereiten können.
Versuchen Sie grundsätzlich, so viel wie möglich selbst zu machen: Sitze und Möbel ausbauen, abkleben oder abschleifen – das alles geht locker allein. Mein Freund und ich schafften es, unseren Bus innert 5 Monaten komplett auszuräumen, abzuschleifen, zu lackieren und den gesamten Innenausbau zu erneuern – und das neben unserem Job. Mit viel Schweiss, viel Geduld und einigen helfenden Händen. Im Nachhinein machte es uns aber unglaublich stolz, als wir uns auf die Reise machten.
Der Ausbau
So viele Vorteile der Bus auch hat – ein paar Nachteile bleiben immer. Einer davon ist die Temperatur im Bus. Wenn es draussen warm ist, ist es drinnen heiss, wenn es draussen kalt ist, werden Sie drinnen frieren. Der Bus besitzt weder eine gute Heizung (ausser Sie haben eine Standheizung) noch eine Klimaanlage. Ganz wichtig deswegen: eine gute Isolierung. Isolieren Sie, bevor Sie sich an die Möbel machen, das gesamte Dach sowie den Boden über dem Motor – das senkt den Lärmpegel, den ein alter Motor nun mal verursacht, enorm.
Beim Ausbau können Sie es sich dann, falls Sie nicht wie ich einen Schreiner als Partner haben, auch einfach machen. Lassen Sie sich beispielsweise auf dem Instagram-Account der Schweizer Büsslibesitzerin Martina Bisaz alias kitkat_ch inspirieren. Das rote Möbel gleich beim Eingang des Busses von Martina Bisaz kommt Ihnen bekannt vor? Vielleicht vom letzten Besuch in der Ikea?
Keep it simple, richten Sie Ihren Bus mit einfachen Mitteln ein. Einzige Bedingung: Gemütlich muss es sein, denn es kommt vor, dass man auch mal einen verregneten Tag im Bus verbringt. Denken Sie beim Einrichten daran, möglichst viele unterschiedlich grosse Fächer einzuplanen, um Ordnung im kleinen Zuhause zu bewahren. Achten Sie darauf, dass Sie leichte Materialien verwenden, also keine Vollholzplatten oder unnötig dickes Holz. Das spart Gewicht und somit Benzin. Ganz allgemein sollten Sie sich nur auf das Nötigste Beschränken. Fragen Sie sich: Was ist für Sie besonders wichtig? Kochen Sie wahnsinnig gern und wünschen sich eine gut ausgestattete Küche, für die Sie auf etwas anderes gern verzichten? Oder ist Ihnen die Küche nicht so wichtig, und Ihnen reichen ein kleiner Gaskocher und ein Kanister Wasser?
On The Road
Slow travel, slow food, slow life: Mit dem Bus unterwegs bedeutet immer, einen Gang runterzuschalten. Sei es auf der Strasse oder am Herd, alles geht ein wenig langsamer, alles ein wenig pragmatischer. Wenn ich mit dem Bus unterwegs bin, bekomm ich deshalb immer den Kopf frei. Mit ein paar einfachen Tipps und Gadgets wird so das Campieren für mich zum umfassenden Erlebnis. Nie zuvor sinnierte ich derart lang über den Sternenhimmel über mir, ewiges recherchieren im Netz brachte nur ab und zu die Antworten auf meine Fragen nach den einzelnen Sternbildern. Dies änderte die App Sternatlas, die man in den Himmel hält, um die verschiedensten Sternbilder zu lokalisieren, genauso wie mir Peakvisor Auskunft über umliegende Berge gibt, der Altimeter gibt Auskunft über die Höhe, auf der ich mich grad befinde, und mit Plantnet kann ich verschiedenste Pflanzen bestimmen. Das alles ist Geschmackssache und vielleicht nicht für jeden so spannend wie für mich. Folgende Tipps für unterwegs werden Sie allerdings interessieren:
Übernachten
Für Übernachtungen im Bus gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Nicht für jede ist die klassische Übernachtung auf dem Campingplatz geeignet, allerdings ist auch nicht jede so abenteuerlustig, dass Wildcampieren die Option wäre.
Eine gute Alternative zu überfüllten Campingplätzen bietet zum Beispiel «Landvergnügen» in Deutschland. Den Stellplatzguide gibts für ca. 35 Franken als Buch inklusive Vignette, die dazu berechtigt, auf Bauernhöfen in ganz Deutschland 24 Stunden kostenfrei zu campieren – in ruhiger und naturnaher Atmosphäre. Das gleiche Konzept gibt es auch in anderen europäischen Ländern, fefi.eu zeigt, in welchen.
Wer dennoch lieber auf Nummer sicher geht, dem sei die App Camping.info empfohlen: Sämtliche Campingplätze Europas, ohne Mindestgrösse oder andere Voraussetzungen, sind eingetragen. Die App gibt Auskunft über Ausstattung und Preise.
Für abenteuerlustige Camper verraten Apps wie Park4night oder iOverlander Insidertipps für ruhige Schlafplätzchen am See oder Parkplätze an der Strecke, auf denen Sie die Nacht verbringen können. Hier gilt es zu beachten, dass in vielen europäischen Ländern zwar Wildcampen verboten ist, das Übernachten im Camper für eine Nacht – zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit versteht sich, allerdings nicht. Das heisst aber auch, dass das Aufstellen von Tisch und Stühlen nicht unbedingt erlaubt ist. Sie sollten folgende Grundregeln beachten: kein Müll, kein Abwasser, kein Lärm.
Tipp: Halten Sie auf Ihrem Navi (zum Beispiel dem Offline-Navi Maps.me) Ausschau nach Sackgassen, insbesondere am Meer und See oder in der Nähe von Wäldern. Hier finden sich oft die schönsten Übernachtungsmöglichkeiten.
Dusche und WC
Auch die Frage nach der nächsten Dusche ist nicht immer einfach zu klären. Ein kleiner Trick hierfür: Füllen Sie zwei oder drei grosse Petflaschen mit Wasser, und platzieren Sie diese auf dem Armaturenbrett, wo die Sonne direkt draufscheint. Das Wasser erwärmt sich schnell und kann nachher entweder in eine kleine Giesskanne umgefüllt werden, oder aber Sie versehen einen weiteren zu den anderen Flaschen passenden Deckel mit ein paar Löchern. Für mich ist das jedes Mal ein unvergleichliches Duscherlebnis: Bei Sonnenaufgang auf einem Hügel mit Blick auf die Landschaft zu duschen, ohne gesehen zu werden.
Wer nicht im Besitz einer luxuriösen Campingtoilette ist, dem sei die App Flush Toilet Finder ans Herz gelegt. Die Datenbank informiert auch offline darüber, wo sich die nächste der über 200 000 eingetragenen Toiletten weltweit befindet, ob sie gebührenpflichtig ist, ob man einen Schlüssel braucht und sogar, ob sie behindertengerecht ist.
Martina Bisaz verriet erst kürzlich ihren unter Campern nicht ganz so geheimen Geheimtipp, wenns mal dringend ist:
Pannen
Ja, auch das gehört leider ab und an zum Büsslileben. Gute Vorbereitung ist da allerdings die halbe Miete. Das kann ich aus Erfahrung sagen, denn bei unserer ersten Reise, drei Monate durch Europa, waren wir alles andere als vorbereitet. Das hatte natürlich Konsequenzen: Bei unserer Ankunft zuhause waren wir nur noch zu zweit, unser Bus machte 50 Kilometer vor dem Ziel schlapp – Motorschaden. Deswegen: Sprechen Sie vor der Reise mit dem Garagisten Ihres Vertrauens, lassen Sie sich bezüglich mitzuführender Ersatzteile beraten, und erstellen Sie eine Liste: Nach wie vielen Kilometern sollte ein Ölwechsel durchgeführt werden? Wann ein Luftfilterwechsel? Was davon kann ich selbst machen? Die letzte Frage kann ich Ihnen beantworten: Das meiste! Der grosse Vorteil am VW-Bus: Der Aufbau ist so einfach, dass Sie mit einer guten Anleitung die meisten Servicearbeiten oder kleinen Reparaturen selbst ausführen können. Trauen Sie sich! Hierbei hilft das Buch von Dieter Korp: «Jetzt helfe ich mir selbst». Ein Fehlersuche-Diagramm hilft, das Problem zu lokalisieren, einfache Schritt-für-Schritt-Anleitungen führen Sie in vielen Fällen problemlos ans Ziel. Falls nicht: Überall auf der Welt werden Sie mit Ihrem Bus schnell hilfsbereite Freunde und Liebhaber Ihres Schmuckstücks finden, die mit dem einfachen Aufbau des VW-Busses vertraut sind. Und dann werden auch Sie das Klischee bestätigen: Er läuft, und läuft, und läuft…
Entlang der kroatischen Küste…
… vorbei an finnischen Seen…
… bis in den hohen Norden und ans Nordkap, den nördlichsten Punkt des Festlandes Europa
Die Strasse dorthin fühlte sich für sie wie der Weg nach Hause ins Bündnerische Samnaun an: Kurvige Strassen, die durchs Nichts gefühlt bis ans Ende der Welt führen.