Unsere Online-Leiterin Julia Heim hat den Maserati Levante sicher nachhause gefahren – und das war keine Selbstverständlichkeit. Nicht für sie.
Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Die Hände sind feucht, die Anspannung gross. So gross, dass ich auf dem Beifahrersitz Platz nehme und meine Begleitung vom Hof des Autohändlers fahren muss. Doch es gibt kein Zurück. Das Piemont wartet. Die Hochzeit von Freunden. Viele Kilometer auf der Autobahn. Ich hinter dem Steuer. «Nein danke!» war bis anhin meine Antwort, wenn der Kollege in der Redaktion Autotesterinnen suchte. Nicht weil ich nicht gern fahre – ich liebe es –, sondern weil ich mich in fremden Autos unwohl fühle. Seit zehn Jahren habe ich den Fahrausweis, bin zwischen Wien und Zürich hin- und hergedüst, aber eben immer in meinem kleinen blauen Kompagnon.
Mietwagen, Testmodelle und geliehene Autos von Freunden machen mich nervös. Was nicht meins ist, behandle ich wie ein rohes Ei, und zu viel Masse überfordert mich. Hysterisch ist deshalb auch der erste Lacher, als ich von meinem Testwagen fürs Wochenende erfahre: der neue und erste SUV aus dem Hause Maserati, ein Levante. Erstmals präsentiert am Genfer Autosalon 2016. Gross, neu und schnell; dreimal nicht für mich gemacht!
Beim ersten Probesitzen auf dem Chefsessel sinke ich in weiches Leder. Die Polster umarmen mich, als wollten sie sagen: Du musst nicht, wenn du nicht willst. Ich will aber. Ich will ins Piemont, und ich will den Maserati Levante fahren. Wenigstens einmal.
Der Wagen springt an. Ich lasse mir Zeit, während sich auf dem Beifahrersitz bereits Ungeduld breitmacht. Nur mit der Ruhe, das Auto und ich, wir lernen uns gerade kennen. Wir rollen Richtung Süden, dem warmen Wind entgegen – wie passend, ist Levante ja der Name eines warmen mediterranen Luftstroms.
«Willst du den Sportmodus ausprobieren?» – «Nein!» – «Brauchst du die Sitzkühlung?» – «Nein!» – «Fahr doch mit dem Tempomat.» – «Nein!» – «Spürst du das Luftfederungssystem?» – «Möglich!» – «Wieso hat man dir dieses Auto gegeben?» – «Keine Ahnung!»
Mit jedem gefahrenen Kilometer entspannen sich die Muskeln. Mein Glück: Der Wagen fährt sich äusserst bequem, selbst auf schlechten Strassen. Und der Totwinkelassistent beruhigt meine Nerven. Die einzige brenzlige Situation wartet an der Mautstelle auf mich. Wie um Himmels willen soll ich mit diesem zwei Meter breiten Schiff zwischen die Leitplanken passen, die mich zum Kassenhäuschen lotsen? Es piepst unerbittlich, bis ich hinter der Schranke wieder aufs Gas trete. Geschafft! Drei weitere Mautstellen folgen. Jede meistere ich mit stoischem Lächeln – und angespanntem Kiefer.
Das Piemont erreichen wir mit reichlich Verspätung. Der Stau war schuld. Vielleicht auch ich. Zu langsam, lautet der Vorwurf vom Beifahrersitz. Ich hingegen bin stolz. Und der Maserati ist es auch. Wenn ich dieses Auto fahren kann, dann bezwinge ich jedes Gefährt – bin ich mir sicher. Ein letztes Mal tätschelt mich der Wind der Klimaanlage, bevor ich den 3.0-Liter-V6-Motor abstelle. Es ist Zuspruch, das merke ich deutlich, und Dankbarkeit, schliesslich habe ich den sanften Riesen sicher nach Italien gebracht. Nachhause sozusagen. Und was gibt es für einen Italiener Wichtigeres?
Modell: Maserati Levante S
Motor: 3.0-Liter-V6-Motor mit Twin-Turbo-Technologie
Fahrleistung: 430 PS, von 0 auf 100 km/h in 5.2 s
Höchstgeschwindigkeit: 264 km/h
Masse: Länge 5 m, Breite 1.97 m, Höhe 1.68 m
Leergewicht: 2109 kg
Kofferraumvolumen: 580 l
Benzinverbrauch: 10.9 l/100 km
CO2-Emission: 253 g/km
Energieeffizienzklasse: F
Preis: ab 94 700 Franken
Infos: maserati.ch