«Feministin sein, was heisst das für mich heute?», fragt sich unsere Autorin. Sie lässt das Jahr 2017 Revue passieren, in dem #metoo zum Schweizer Wort des Jahres wurde, und findet eine persönliche Antwort.
Es gibt wohl kein Wort, das im vergangenen Jahr so oft analysiert wurde wie Feminismus. Es entbrannte ein regelrechter Kampf um die Deutungshoheit. Da war etwa Jan Fleischhauer, der im «Spiegel» den neuen Feminismus als «harmlos und unpolitisch» bezeichnete und sich fragte, ob es denn heute wirklich nur noch darum gehe, dass Frauen sich in Leggings wohlfühlen. Oder Birgit Schmid, die in der «NZZ am Sonntag» die Genderstudies in Frage stellte. «Die Absicht, die Welt gleicher zu machen, scheitert schon an der elitären Vermittlung», schrieb sie. Da waren die «We Should All Be Feminists»-Shirts, die von Dior lanciert und dann tausendfach kopiert instagramtauglich durch den Sommer getragen wurden. Da waren Women’s March, Pussyhats und all die Stinkefinger-Meme.
Das führt mich zur Frage: Feministin sein, was heisst das für mich heute, Ende 2017?
Eine kurze Bestandsaufnahme: Ich trage keinen Pussyhat, weil ich damit dämlich aussehe. Ich hab mich gefreut, dieses Jahr endlich mal Laurie Penny, die britische Power-Feministin, in Zürich live zu sehen. Ich wünschte mir, dass es in Unternehmen und politischen Gremien keine Frauenquote bräuchte, muss mir aber nach meinen ersten Jahren in der Arbeitswelt eingestehen, dass es ohne wohl nicht geht. Ich mag Männer. Und ich mag Pink. Wenn ich könnte, würde ich sofort einen anständigen Vaterschaftsurlaub ins Leben rufen. Manchmal gucke ich «Der Bachelor». Ich finde, Trump ist ein Sexist. Ich habe Texte von Alice Schwarzer gelesen und fand sie manchmal gut und manchmal recht verkrampft. Ach ja, nicht zu vergessen: Ich habe einen Pulli mit GRL-PWR-Aufschrift. Und ich würde mich als Feministin bezeichnen.
Woran glaube ich also? Ich glaube daran, dass es Feminismus in der Schweiz braucht. Ich weiss, es gibt Leute, die sagen, diese Forderung sei passé, weil die Gleichberechtigung doch schon längst Realität ist. Wirklich? Warum verdienen laut Bundesamt für Statistik dann Frauen im Durchschnitt noch immer 1500 Franken weniger als Männer? Warum sind sie auf Chefetagen untervertreten? Warum braucht es den #metoo, damit wir begreifen, dass Sexismus und sexualisierte Gewalt eine Realität sind? Im Leben von Frauen. Eben.
Ich glaube, dass die Diskussionen über Feminismus in der Schweiz in erster Linie von privilegierten Frauen geführt werden. Von einer Elite, die in ihrer eigenen Bubble Kreise dreht und von der ich mich notabene nicht ausschliesse. Ich frage mich, was die Frau an der Supermarktkasse, die das Lohnminimum erhält und zuhause drei Kinder hat, über Gleichberechtigung denkt. Und ich finde, dass uns das nicht egal sein darf.
Ich glaube, dass eine Hausfrau keine schlechtere Feministin sein muss. Ich glaube, dass Männer, die zu hundert Prozent arbeiten und den Grossteil des Familieneinkommens stemmen und daneben Partner, Vater und Hilfe im Haushalt sind, ausbrennen können. Ich glaube, dass Frauen und Männer im Leben die gleichen Chancen erhalten sollten.
Ich glaube, dass wir die grossen Probleme nur zusammen mit Männern lösen können. Wir wollen alte Rollenmuster überwinden, das heisst aber auch, dass Männer sich von ihren Rollen lösen dürfen. Männer sind nicht die Opfer der Emanzipation, im Gegenteil. Ich glaube, dass ein gerechter und ehrlich gelebter Feminismus, der Frauen und Männer gleichermassen von ihren Rollen befreit, für beide Geschlechter eine grosse Chance ist. Dafür müssen wir aber aufhören zu glauben und einfach mal machen.