Grosseltern betreuen ihre Enkel grösstenteils unentgeltlich. Die Anzahl Stunden, welche sie für die Kinderbetreuung jährlich aufwenden entspricht jedoch einer immensen Wirtschaftsleistung. Dass sie dafür zumindest ein Stück weit vom Staat entlöhnt würden fände Gastautorin Geraldine Capaul nur fair.
Unser Sohn sagt manchmal: «Ich habe Heimweh nach Tatta.» Tatta ist seine Grossmutter. Sie ist eine wichtige Bezugsperson für ihn, sie hat ihn die ersten Jahre seines Lebens regelmässig gehütet. Jetzt betreut sie unseren jüngeren Sohn, im Schnitt zwei Tage in der Woche, inklusive Übernachtung. Würde man das in Krippentagen aufrechnen, gäbe es eine beachtliche Summe. Ich kenne die Preise, unsere Buben gehen parallel auch in die Kita.
Ganz zu schweigen vom emotionalen Wert, von den vielen Stunden, die meine Mutter am Boden sitzend, durch die Stube spazierend und singend verbracht hat, von den Sorgen, die sie mit uns geteilt, dem Trost, den sie bei Stürzen oder nächtlichen Alpträumen gespendet hat.
Enkelbetreuung im Wert von 8 Milliarden Franken
Laut dem Bundesamt für Statistik widmen Grosseltern jährlich 160 Millionen Stunden der Betreuung ihrer Enkel. Dies entspricht einer Wirtschaftsleistung von rund 8 Milliarden Franken. Noch eine weitere Zahl? Über 50 Prozent aller fremdbetreuten Kinder in der Schweiz werden von Grosseltern gehütet. Was passiert, wenn dieser Einsatz wegfällt, wissen wir spätestens seit Corona: ein Chaos. Viele Eltern würden vermutlich sogar sagen: eine Katastrophe.
Habe ich ein schlechtes Gewissen, weil uns meine Mutter so fest unterstützt und als Gegenwert vor allem unbedingtes Vertrauen und Liebe erhält? Nein, das habe ich nicht. Weil ich weiss, dass ihr wirklich etwas fehlen würde. Dass sie wahnsinnig gern eine aktive Rolle im Leben ihrer Kinder und Enkel spielt. So wie sie sehen das viele andere Grosseltern auch.
Eine Fototasse als Lohn
Aber nur, weil man etwas sehr gern macht, muss es deshalb nicht weniger anerkannt werden. Ich meine damit nicht einen herkömmlichen Geldbetrag, den die wenigsten Grosseltern annehmen würden und sich gerade einkommensschwache Familien sowieso nicht leisten könnten. Aber einigen Grosseltern würde ein Zustupf helfen. Denn wie in den meisten Bereichen der unbezahlten Care-Arbeit wird auch bei der Enkelbetreuung der Grossteil von den Frauen übernommen. 14 Prozent der 50- bis 59-Jährigen haben mindestens ein Enkelkind, und wenn sie nicht schon Teilzeit arbeiten, reduzieren sogar einige von ihnen ihr Pensum, um das Kind zu betreuen. Dadurch wird die eh schon knappe Rente noch knapper.
Dabei entlasten Grosseltern durch ihren unbezahlten Einsatz den Staat, indem sie ihm subventionierte Krippenplätze ersparen – sie befreien ihn ganz grundsätzlich vor einer intensiven Auseinandersetzung mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zudem ermöglichen die Senioren, dass beide Eltern berufstätig bleiben und dementsprechend Steuern zahlen können. Der materielle Lohn dafür? Eine Tasse mit dem Foto ihres Enkels. Oder eine selbstgezogene Kerze.
Babysitter-Bonus für Grosseltern
Italien zahlt neu einen Babysitter-Bonus an Grosseltern. Wäre das nicht auch in der Schweiz möglich? Zum Beispiel in Form von höheren Renten, Steuererleichterungen oder Betreuungsgutschriften, die sie einlösen können, wenn sie später Hilfe brauchen.
Das schliesst die persönliche Anerkennung, die jede Familie für sich als richtig und wertschätzend bestimmt, nicht aus: ein Blumenstrauss, eine Flasche Champagner, eine Einladung ans Konzert. Und eine Nachricht, in der steht, dass der Enkel sie vermisst.