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Einer Freundin eine Eizelle zu spenden

Einer Freundin eine Eizelle zu spenden

  • Aufgezeichnet von Esther Grosjean; Foto: iStock 

Lynn kann nicht schwanger werden. Ihre beste Freundin Corinna beschliesst, ihr zu helfen – und bietet ihre eigenen Eizellen an. Kann das gut gehen, wenn die beste Freundin zur Eizellspenderin wird? Wir haben nachgefragt. 

«Nimm doch meine Eizelle! Ich brauche sie ohnehin nicht.» Meine Freundin Lynn sah mich fassungslos an, hakte noch am selben Abend telefonisch nach. War mir wirklich ernst damit?

Irgendwie gab es von da an kein Zurück mehr. Ich handle oft, bevor ich denke. Aber damit bin ich bisher gut gefahren. Wer weiss: Hätte mich Lynn direkt gefragt, hätte ich vielleicht verneint. So war es meine eigene Idee. Am Tag meines Schenkungsangebots war ich zu Lynn gefahren, um sie aufzubauen. Seit vier Jahren hatten sie und ihr Mann Marc erfolglos versucht, ein zweites Kind zu bekommen. Als letzte Hoffnung blieb die Eizellspende einer Frau, die sie über eine Agentur gefunden hatten. Die Hiobsbotschaft traf sie hart: Die Eizellspenderin war kurz vor der Entnahme selber schwanger geworden. In diesem Moment hatte ich ganz pragmatisch nach einer Lösung gesucht. Lynn ist für mich wie eine Schwester, wir kennen uns, seit wir zehn Jahre alt sind.

Für mich lautete die Frage eigentlich nie: Warum sollte ich meine Eizelle spenden? Sondern vielmehr: Warum eigentlich nicht? Ich bin gesund, psychisch stabil, sportlich, nehme keine Drogen, rauche nicht und verspüre auch mit 38 keinen Kinderwunsch.
So einfach war es aber letztlich nicht. Von meinen sechs entnommenen Eizellen erwiesen sich nach der Befruchtung fünf als untauglich. Nur eine allein musste die Herkules-Aufgabe übernehmen, nach geglücktem Transfer in Lynns Körper weiterzuwachsen. Wir nannten die Eizelle zynisch «the Lone Ranger». Für diese winzige Hoffnung hatte ich ganz schön viel Arbeit leisten müssen. Nach meiner definitiven Zusage musste ich mich erst als Spenderin bewähren. Durch Blutentnahme wurde ich auf 46 Erbkrankheiten hin untersucht, dann musste ich, soweit möglich, die medizinische Biografie meiner Familie offenlegen. Lynn und Marc wurden über alles informiert.

Nur einmal stagnierte der Prozess. Bei der Psychologin wurde mein mentaler Zustand geprüft, sichergestellt, dass ich mir der Tragweite meines Vorhabens bewusst bin. Ganz nebenbei wurde ich dabei gefragt, ob ich mich trauen würde, auch kurz vor der Verwendung meiner Eizelle einen Rückzieher zu machen. Mir schnürte es die Kehle zu. Nein, auf keinen Fall. Das könnte ich Lynn nicht antun, sie würde es mir nie verzeihen. Beim Dreiergespräch mit Marc und Lynn trat die Psychologin als eine Art Anwältin für mich auf: Ich schuldete meinen Freunden nichts. Es war sehr emotional. Wir weinten letztlich alle drei, versicherten uns gegenseitig unserer Freundschaft, geschehe, was wolle.

Noch bevor meine Eizelle befruchtet wurde, regelten wir alles Vertragliche. Weder habe ich als Spenderin Anspruch auf meine abgegebenen Eizellen noch als biologische Mutter einen Anspruch auf das Kind. Von meinen Gefühlen eingeholt zu werden, wenn das Baby dann tatsächlich auf der Welt sein sollte, davor habe ich keine Angst. Die Bindung entsteht primär durch die Schwangerschaft und das Muttersein, nicht zwingend durch die Gene. So sehe ich das jedenfalls.

Am Tag der Eizellentnahme war ich erlöst. Nach dreissig Hormonspritzen und Besuchen in der Klinik war die Sache für mich endlich erledigt. Die Freiheit erwartete mich. Mein Partner und ich kündigten unsere Wohnung und Jobs, verkauften alle Möbel, um mit unserem umgebauten Wohnbus loszuziehen. Wir wollten raus aus dem sicheren Leben und hinein in eine ungewisse Zukunft.

Entgegen allen Erwartungen und Statistiken hat es der «Lone Ranger» geschafft. Unterwegs erreichte mich die Nachricht, dass Lynn schwanger ist. Ich bin unendlich glücklich für sie. Wir haben nichts zu verbergen. Die Leute dürfen erfahren, wie das Baby entstanden ist. Allen voran natürlich das ungeborene Kind. Nun muss ich nur noch meine Eltern informieren. In fünf Monaten werden sie zum zehnten Mal Grosseltern. Ich hoffe, sie freuen sich darüber. 

Corinna S.* (38), New York 

 

*Name der Redaktion bekannt