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Einen Herzinfarkt erkennen

Einen Herzinfarkt erkennen

  • Interview: Helene Aecherli 

Bei einem Herzinfarkt haben Frauen oft andere Symptome als Männer. Das wird von Ärzten häufig übersehen – auch von Frauen selbst, warnt die Kardiologin Gabriella De Pasquale.

Gabriella De Pasquale, Frauen fürchten Brustkrebs nach wie vor sehr viel mehr als Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch ab dem 64. Altersjahr sterben fast so viele Frauen an Herzerkrankungen wie an Krebs. Wie ist das zu erklären?
Wir wissen, dass die weiblichen Hormone vor kardiovaskulären Erkrankungen schützen. Diese Schutzwirkung nimmt jedoch nach den Wechseljahren ab, und künstlich zugefügte Hormone bringen sie leider nicht zurück. Zudem hat jede zweite Frau nach der Menopause erhöhte Blutfettwerte. Risikofaktoren hierfür sind hoher Blutdruck, Zuckerkrankheit, Rauchen, familiäre Belastung, mangelnde Bewegung, ein hoher Cholesterinspiegel oder Übergewicht. Setzt sich das Fett in Apfelform in der Bauchgegend an, ist dies besonders gefährlich für die Gesundheit.

Bei jüngeren Frauen ist Rauchen nebst der familiären Veranlagung ein häufiger Grund für Herzerkrankungen. Rauchen soll bei Frauen sogar grössere Auswirkungen haben als bei Männern. Warum?
Weil Rauchen die schützende Funktion des Östrogens verringert. Darüberhinaus wird die schädliche Wirkung des Rauchens verstärkt, wenn die Frau hormonell verhütet, zu Venenthrombosen neigt und stark übergewichtig ist.

Studien zeigen, dass Frauen bei Angina pectoris, Durchblutungsstörungen der Herzarterien, viermal häufiger zum Arzt gehen müssen, um die gleiche Aufmerksamkeit und die gleichen Untersuchungen zu erhalten wie Männer. Denn Frauen haben häufig untypische Symptome – selbst bei einem Infarkt.
Genau. Wir alle kennen das klassische Symptom bei einem Herzinfarkt: Der Mann greift sich schmerzverzerrt an die linke Brust oder an die linke Schulter. Seine Brust fühlt sich an, als befände sie sich in einem Schraubstock, der Schmerz strahlt in den linken Arm aus. Diese Anzeichen haben Frauen natürlich auch, doch nennen fast ein Drittel der Patientinnen ganz andere Symptome. So beschreiben viele ein Klossgefühl im Hals oder Übelkeit, andere haben Zahnschmerzen, Oberbauchbeschwerden oder ein Schwächegefühl in den Armen. Solche Symptome können Ärzte auf eine falsche Fährte führen, weshalb eine Diagnose oft erst verzögert gestellt wird.

Die Überlebenschancen bei einem Herzinfarkt sind bei Frauen geringer als bei Männern. Stimmt das?
Frauen und Männer werden grundsätzlich derselben Behandlung unterzogen. Trotzdem ist die Sterblichkeit von Frauen bei Herzerkrankungen generell höher. Mit ein Grund dafür ist, dass durch mangelnde Sensibilisierung der Ärzte – aber auch der Frauen selber – oft zu viel Zeit verstreicht, bis eine Diagnose gestellt wird. Dazu kommt, dass weibliche Herzen nicht nur kleiner sind als männliche, auch die Herzkranzgefässe sind feiner. Das macht unter Umständen eine Behandlung mittels Herzkatheter schwieriger. Deshalb sage ich immer: Frauen sollten sich ihr Herz mehr zu Herzen nehmen.

Bei welchen Beschwerden sollte man zum Arzt oder zur Ärztin?
Bei Brustschmerzen oder Atemnot, die unter Belastung oder bei Stress auftreten, oder wenn man plötzlich nicht mehr so mag wie sonst. Deshalb ist es wichtig, dass man sich mindestens 30 Minuten pro Tag bewegt, und zwar so, dass man dabei leicht ausser Atem kommt. Dann erkennt man auch, wenn sich etwas negativ verändert, und denkt nicht einfach: Das ist jetzt halt das Alter oder die Menopause. Denn Alter macht nicht primär krank.

Kardiologin Gabriella De Pasquale hat eine eigene Praxis am Herz-Gefäss-Zentrum Zürich, arbeitet in einem 80-Prozent-Pensum und ist Mutter von 5-jährigen Zwillingen