Eine Feministin, die alle kennen sollten: Audre Lorde
- Text: Jana Schibli
- Bildbearbeitung: Grafik annabelle
In unserer Rubrik «Die Feministin» stellen wir Frauen vor, die wir alle kennen sollten – weil sie aus dem Kampf um Gleichstellung nicht wegzudenken sind. Heute mit Audre Lorde.
Eigentlich grenzt es an ein Wunder, dass Audre Lorde überhaupt sprechen lernte. Bis sie vier Jahre alt war, brachte sie kaum ein Wort heraus. Vielleicht habe sie einfach noch nichts zu sagen gehabt, analysierte sie 1982 in ihrem Buch «Zami – A New Spelling of My Name». Es blieb nicht lang so.
Audre Lorde wurde 1934 als dritte Tochter eines Immigrantenpaars aus der Karibik geboren. Sie wuchs in Harlem, New York, auf und lernte früh Rassismus kennen. Nicht, weil ihre Eltern darüber sprachen (das taten sie nie), sondern weil sie auf der Strasse angespuckt und in der U-Bahn «wie eine Kakerlake» gemieden wurde.
Erst als sie (schon) mit vier Jahren Lesen und Schreiben lernte, begann sie, auch zu reden. Und schon bald folgten die ersten Gedichte. Später studierte sie Literatur und Philosophie und machte an der Columbia University einen Master in Bibliothekswissenschaften. 1962 heiratete sie, bekam zwei Kinder, liess sich acht Jahre später scheiden und zog mit ihrer langjährigen Partnerin Frances zusammen. Sie begann zu unterrichten. Und immer schrieb sie: Bücher, Gedichte, Essays, Briefe, verletzliche Tagebuch-Einträge und fulminante Vorträge.
Nur nicht schweigen
Lorde bezeichnete sich als «black, lesbian, feminist, mother, poet, warrior». Was heute mehr denn je den Nerv der Bewegung trifft. Ihre Zitate sind allgegenwärtig, auf Demos für soziale Gerechtigkeit, in der Inaugurationsrede von Amanda Gorman für US-Präsident Joe Biden oder in bunten Instagram-Posts. Es sind so bleibende Sätze wie dieser: «Ich bin nicht frei, während eine andere Frau unfrei ist, auch wenn ihre Fesseln ganz anders sind als die meinen.» Unterdrückung habe keine Hierarchie.
Als Dozentin reiste Audre Lorde durch die USA, Europa und Afrika und wurde in Berlin zur Mitbegründerin der afro-deutschen Bewegung. Eine Konstante ihres Lebens war und blieb ihr ständiges Suchen nach Worten: «Nicht Unterschiede lähmen uns, sondern Schweigen», schrieb sie in «Sister Outsider» (1984), das diesen Frühling erstmals auf Deutsch erschienen ist.
1978 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert. Sie liess eine Brust entfernen und schrieb «The Cancer Journals». Das Buch dient heute noch vielen Betroffenen als Stütze. Audre Lorde starb mit 58 Jahren auf der karibischen Insel St. Croix.