Kinder reicher Leute sind oft ein Fall für den Psychologen. Sagt Bianca Gubser. Ein Besuch beim Goldküsten-Model, das bodenständiger ist als erwartet.
Das massive Eisentor vor der Villa Bella Vista ist verriegelt. In der Einfahrt steht ein Rolls-Royce. Ich klingle. Aus dem Apparat ertönt ein Rauschen. Dann eine tiefe Stimme: «Villa Bella Vista. Was kann ich für Sie tun?» Das Tor öffnet sich geräuschlos. Als ich das Haus erreiche, wartet dort bereits ein livrierter Angestellter. Er bietet etwas zu trinken an und sagt, Bianca Gubser werde jeden Moment da sein. Vom hellen Wohnzimmer fällt der Blick über einen perfekt manikürten Rasen auf den Zürichsee. In der Ferne schält sich die Rigi aus dem Nebel.
Während ich darüber sinniere, dass mir dieser Palast auch ganz gut anstehen würde, höre ich hinter mir ein gut gelauntes «Soooorry für die Verspätung!». Bianca Gubser kommt die Treppe heruntergerannt. Die Haare fallen ihr frisch geföhnt auf die Schultern. Ich sage: «Sie leben ja in einer Festung!» Bianca Gubser lacht laut: «Ja, gell, furchtbar!», und verdreht die Augen.
Die erste Begegnung in NY
Ich bin Bianca Gubser das erste Mal bei der US-Immigration in New York begegnet. Wie der Rest der Passagiere, die mit mir in der Schlange standen, starrte ich auf ihren Knackarsch. Sie trug einen knallengen grauen Trainer, der wenig Interpretationsspielraum liess. Und natürlich flirtete sie heftig mit dem Beamten hinter dem Schalter. Draussen, bei den Taxis, schnorrte sie von einem Typen eine Zigarette, rauchte drei Züge und drückte sie mit der Fussspitze auf dem Boden aus. Dem Träger ihrer vier riesigen Koffer hielt sie mit einer routinierten Geste ein Trinkgeld hin. Dann stieg sie ins Taxi und rauschte davon.
Sie war mehr als das Klischee vom Rich Kid. Sie war einfach – zu viel. Trotzdem hat mich ihr Auftritt neugierig gemacht. Wer ist diese Bianca Gubser? Dieses Model und Partygirl von der Zürcher Goldküste, das mit seinen 24 Jahren bereits die Welt gesehen und, nach London und Paris, nun New York als Lebensmittelpunkt auserkoren hat? Deren Stiefvater der umtriebige Verleger Jürg Marquard ist? Die jahrelang mit Millionenerbe und Ex-Clubbesitzer Carl Hirschmann liiert war?
«es biz abgstürzt»
Zurück in Zürich, fragte ich Bianca Gubser per Mail um ein Interview an. Wenig später lud sie mich zu sich nach Herrliberg ein. Bianca Gubser lässt einen Espresso aus der Kaffeemaschine. Gestern sei sie «es biz abgstürzt». Sie habe «eine Party gehostet» im Club Privé an der Zürcher Bahnhofstrasse (das Lokal hiess früher Saint Germain und gehörte ihrem Ex-Freund – aber dazu später). Bianca Gubser sagt: «Party machen und dabei Geld verdienen – manchmal zahlt sich der ganze Promi-Rummel eben doch aus!»
Sie erzählt vom Accessoire-Label, das sie aufziehen will, und dass sie soeben ihre erste GmbH gegründet hat. Sie schwärmt von Rapper Jay-Z, mit dem sie im Ausgang war, und spricht von London, wo sie vor kurzem den Bachelor in Fashion Management absolviert hat. Es ist schwierig, ein Interview mit ihr zu führen – man kommt einfach nicht dazu, eine Frage zu stellen. Schliesslich fläzt sie sich aufs Sofa und ist für ein paar Sekunden still. Ich ergreife die Chance.
ANNABELLE: Bianca Gubser, man bezeichnet Sie gern als verwöhntes Rich Kid. Nicht gerade ein Kompliment, oder?
BIANCA GUBSER: Nicht wirklich. Abgesehen davon: Bin ich überhaupt eines? Ich habe zwar dieses Image, aber weder mein Vater noch meine Mutter stammen aus diesem Milieu, im Gegenteil, sie kommen beide eher aus einfachen Verhältnissen. Ich bin erst als Teenager in dieses Umfeld gelangt, als meine Mama und Jürg Marquard ein Paar wurden. Ich habe mich lange unwohl gefühlt in dieser Szene, die ich vorher nur aus den Medien kannte.
Sie scheinen sich jedenfalls gut eingelebt zu haben.
(lacht) Man tut, was man kann!
Was macht Ihre Szene aus?
Mhm, vielleicht die Tatsache, dass viele «Töchter von» und «Söhne von» ein Fall für den Psychologen sind.
Wie bitte?
Die meisten reichen Kinder haben einen unnatürlichen Ehrgeiz. Sie wollen unbedingt beweisen, dass sie mehr sind, mehr können, als einfach nur der Sohn oder die Tochter von jemandem zu sein. Ich kenne das Gefühl. Nur repräsentieren ist langweilig – man will etwas Eigenes auf die Beine stellen.
Müsste ich jetzt Mitleid haben?
Gott, nein! (lacht) Ich will mich nicht beklagen. Ich schätze sehr, was ich habe. Aber am Abend im Bett rauben mir dieselben Selbstzweifel den Schlaf wie jedem anderen auch. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich gemerkt habe, dass Abfeiern mit Paris Hilton und Co. nicht das ist, was mich glücklich macht.
Sie haben alles, wovon jede junge Frau träumt.
Ja, dafür bin ich sehr dankbar. Trotzdem setzen sich Kinder aus Familien wie meiner, wo alle erfolgreich sind, unter Druck. Man fragt sich: Ich bin zwar oft in der Presse, aber was habe ich eigentlich geleistet? Nicht gerade viel.
Ihnen stehen alle Türen offen. Sie haben Geld, Kontakte und sehen erst noch gut aus. Etwas zu leisten, dürfte in Ihrem Fall nicht allzu schwer sein.
Das sagt sich so einfach. Für viele ist es ein Problem, wenn ihnen alle Türen offenstehen. Man ist völlig planlos. Man steht am Morgen nicht im Bewusstsein auf: Ich muss Gas geben, sonst wirds knapp Ende Monat.
Was tun Sie dagegen?
Ich habe eine extrem strenge Mutter! (lacht) Sie hat zu viele dieser Rich Kids gesehen, die nichts aus ihrem Leben machen. Sie sagt dauernd: Du hast das Studium abgeschlossen, jetzt ist dann fertig mit der finanziellen Unterstützung. Ich finde, sie hat recht.
Bianca Gubsers 16-jähriger Bruder Vincent schlurft vorbei. «Häsch de Journalischtin Grüezi gsait?», fragt sie ihn. Sie lebt in einer grossen Patchworkfamilie: Ihre Mutter – eine gebürtige Italienerin – brachte zwei Kinder von zwei Männern in die Ehe mit Jürg Marquard. Dieser hatte selber schon fünf Nachkommen. Bianca Gubser sagt: «Ich komme aus unkonventionellen Verhältnissen. Keine schlechten Verhältnisse, aber doch sehr spezielle.»
Sie lehnt sich zurück ins Sofa und bindet die Haare zusammen. «Wir sind ein bisschen wie die schrecklich nette Familie aus der Fernsehserie.» Und welche Rolle nimmt sie ein? «Och», macht Bianca Gubser und zeigt ihr schönstes Lachen. «Ich bin meistens das schwarze Schaf.»
Frech, selbstironisch und bodenständig
Wer nun ist Bianca Gubser? Reich ist sie garantiert. Aber wie eine verhätschelte Prinzessin wirkt sie nicht. Vielmehr erfrischend frech, mit einer gesunden Portion Selbstironie. Und überraschend bodenständig. Ihr neustes Hobby, sagt sie, sei Kochen, «am liebsten asiatisch, Chop Suey und so». Klar, sie liebt die exquisiten Dinge des Lebens. Sie trägt Pelz, fährt einen Landrover («selbst bezahlt mit dem Geld aus dem Modeln!») und feiert mit dem griechischen Reederei-Erben Stavros Niarchos III. Man kann vieles sagen über Bianca Gubser. Aber langweilig ist sie nicht.
Ein paar Wochen später möchte ich sie auf einen Kaffee treffen. Das ist schwierig. Mal ist sie in Miami, dann in Los Angeles, und als wir endlich einen Termin finden, versetzt sie mich wegen eines Modeljobs. Schliesslich treffe ich sie an einem Verkauf von Kaschmirkleidern, den sie mit einer Freundin ihrer Mutter organisiert hat. Sie arbeite lieber mit älteren Frauen zusammen, sagt sie. «Mit Gleichaltrigen ist es schwierig – beide haben keine Erfahrung.»
Bei den Canapés greift sie zu
Als die Kellnerin einen Teller mit Canapés auf den Tisch stellt, greift Bianca Gubser zu. «Ich musste nie gross auf mein Gewicht achten», sagt sie. «Wegen des Modelns zu hungern, das würde ich nicht aushalten.» Schwer zu glauben – bei diesem Figürchen …! Bianca Gubser stand schon als Zehnjährige vor der Kamera. Danach folgten Aufträge für Malizia und Armani-Jeans. Heute ist sie wegen ihrer Figur vor allem als Dessousmodel gefragt. «Man muss die Dinge, die einem gegeben sind, gescheit nutzen», findet sie.
Modeln mache Spass, sei aber nicht ihr Traumberuf, vielmehr ein Mittel zum Zweck, um sich das Leben in New York zu finanzieren. Wenn sie in der Zeitung lese «Topmodel Bianca Gubser», dann denke sie: Nöd im Ernscht, oder?
Schlimme Zeit im Gymnasium Rämibühl
Die schlimmste Zeit ihres Lebens, sagt sie, seien die zwei Jahre am Gymnasium Rämibühl in Zürich gewesen. Sie habe erstaunlicherweise die Aufnahmeprüfung bestanden («Ich glaube, die haben falsch korrigiert», witzelt sie), doch Freundinnen habe sie dort keine gefunden. «Ich verkörperte für die anderen Mädchen die Tussi, der man es heimzahlen wollte.» Zu jener Zeit machte sie Werbung für Calida – und so hingen die Anzeigen überall in der Schule, verschmiert mit perversen Sprüchen. «Das ging weit darüber hinaus, was man einen Zickenkrieg nennt», sagt sie.
Von den Lehrern sei keiner eingeschritten, die Nachmittage verbrachte sie heulend in ihrem Zimmer. Nach zwei Jahren wechselte sie ins Internat. Rückblickend sagt sie: «Die Zeit am Gymnasium war eine gute Vorbereitung fürs Leben.»
Bevor Bianca Gubser zum Skifahren fährt – nach St. Moritz, natürlich –, verabreden wir uns zum letzten Mal in einer Bar in Zürich. Sie betritt das Lokal mit Sonnenbrille, obwohl es draussen schon eindunkelt. Wie immer ist sie praktisch ungeschminkt. Bianca Gubser bestellt eine Virgin Bloody Mary und erzählt, dass sie von RTL angefragt worden sei, ob man mit ihr durch den mondänen Skiort ziehen dürfe. «Ich habe abgesagt. Sie würden mich ja doch nur als reiche Göre darstellen.»
Bianca Gubser, die Jeunesse dorée scheint Ihnen selbst nicht ganz geheuer zu sein. Trotzdem hatten Sie bislang nur Beziehungen mit Männern aus ebendieser Szene: Carl Hirschmann, Tim Vögele.
Wenn jemand aus einer Handwerkerfamilie kommt, immer mit Handwerkerkindern verkehrt und am Schluss einen Handwerker als Freund hat, dann ist das normal. Bei uns hingegen wird gleich ein Riesending daraus gemacht. Oh, sie ist sich zu gut für einen, der kein Geld hat, heisst es dann. So ein Quatsch! Ich hatte auch ganz normale Freunde. Nur hat sich die Presse nie für sie interessiert.
Lassen Sie uns über Ihren Ex-Freund Carl Hirschmann reden. Er wurde letztes Jahr verurteilt wegen sexueller Nötigung und Sex mit Minderjährigen.
Zum Prozess und den Vorwürfen will ich nichts sagen. Nur so viel: Das Image vom perversen Psychopathen, das die Medien von ihm konstruiert haben, passt in keinster Weise zu dem, wie ich ihn kennen gelernt habe.
Wie haben Sie ihn denn erlebt?
Er war ein megaherziger Freund. Er hat mich immer bewahrt vor Sachen, denen ein junges Mädchen ausgesetzt sein könnte.
Das tönt jetzt etwas gar rosig.
Mag sein, aber Carl ist bis heute einer der wertvollsten Menschen in meinem Leben.
Keine negativen Gefühle?
Nicht mehr. Zugegeben, es hat eine Weile gedauert, bis ich meine erste grosse Liebe überwunden hatte. Wir waren sechs Jahre liiert, das ist eine sehr lange Zeit für einen Teenager.
Man ahnt, dass da noch mehr sein muss. Doch um öffentlich über die dunklen Seiten von Carl Hirschmann zu reden, dafür ist Bianca Gubser zu wohlerzogen. Sie ist es auch draussen vor der Bar, als sie von zwei Herren ein Feuerzeug ausleiht und diese sich auf sie stürzen wie hungrige Wölfe auf ein hilfloses Schaf. Sie quatschen sie voll, offerieren einen Drink. Bianca Gubser bleibt freundlich, sagt zehn Mal: «Nei, danke, isch lieb!» Sie wirkt nie genervt, obwohl sie es längst hätte sein dürfen. Erst als wir uns entfernen, raunt sie: «Nächstes Mal nehme ich mein eigenes Feuerzeug mit.»
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Schnappschüsse aus Bianca Gubsers Leben